Die am 1. August 1998 in den deutschsprachigen Ländern
eingeführte Rechtschreibreform sorgt weiterhin für heißen
Diskussionsstoff. Leider haben sich die wenigsten mit den Gründen der
Reform auseinandergesetzt. Über einen langen Zeitraum hinweg hatten sich
eigenständige Schreibungen entwickelt und waren kaum noch in ein
Rechtschreibsystem einzubinden. Man sollte eigentlich dankbar dafür sein,
dass hier versucht wurde, wieder Klarheit zu schaffen.
Die neuen Richtlinien sind bestrebt, Schreibungen zu
vereinfachen. So sind unendlich viele Ausnahmeregeln abgebaut worden. Wer
hat schon vor der Reform verstanden, warum man „radfahren" zusammen
schreibt und „Auto fahren" auseinander? Weiterhin ist dem
Schreibenden eine größere Freiheit beim Setzen von Kommas eingeräumt
worden. Wortschreibungen sind auf den Wortstamm zurückgeführt worden,
bestes Beispiel dafür ist „platzieren" aufgrund des Hauptwortes „Platz".
Aber Freiräume bergen, wie wir wissen, gewisse Gefahren
in sich. Eine Aushöhlung der Einheitsschreibung ist heute ganz klar zu
beobachten.
Inzwischen haben sich Schreibweisen eingebürgert, die
sich am englischen Schriftbild orientieren. Das rührt vom großen Einfluss
des Englischen auf andere Sprachen her. Speziell hier in Thailand ist dies
zu beobachten, das „Pattaya Blatt" macht da keine Ausnahme.
Der frühere bayerische Kultusminister Zehetmair, damals
an der Reform selbst beteiligt, hat sich mit einigen nicht von der Hand zu
weisenden Argumenten zu Worte gemeldet. Dass er die Mehrzahlbildung „Gämse"
für das Worte „Gams" ablehnt, mag ja noch als bayerische Schnurre
durchgehen. Aber seine Bemerkungen zu den neuen Regeln der Auseinander- und
Zusammenschreibung geben zu denken. Der Duden räumt auch hier große
Freiräume ein.
Nach Zehetmaiers Ansicht werden Ausdrucksvielfalt und
Differenzierungsmöglichkeiten dadurch stark eingeschränkt und die Sprache
erleidet einen Verlust an Genauigkeit. Er bemerkte dazu: „Die Folge könne
nicht sein, dass beide Schreibweisen - unabhängig vom Sinnzusammenhang -
gleich wertig (gleichwertig) und damit gleich gültig (gleichgültig)
sind."
Leider lässt die neue Rechtschreibung einige
Kuriositäten zu, zum Beispiel beim Trennen von Wörtern. Zehemair führt
als Beispiele „A-bend", „E-sel", und durcha-ckern an. Hier ist
er beim letzten Wort selbst Opfer des Durcheinanders geworden, das die neue
Schreibung leider angerichtet hat. Diese Trennung lässt der Duden nicht zu,
nur die Trennung beim einfachen Tätigkeitswort „a-ckern" ist
erlaubt.
Beide Rechtschreibungen, die alte und die neue, sind
gültig. So kommt es, dass sich beide vermischen. Die einen pochen auf die
alte Schreibung, haben sich aber ganz schnell den neuen Regeln bei Wörtern
mit „ss" bzw. „ß" angepasst.
Leider führt dieser Zustand wirklich zur Verelendung der
Sprache. Sprache ist ein Kulturgut, aber sie steht nicht unter
Denkmalschutz. Wer eine Rücknahme der Rechtschreibreform fordert, ist sich
nicht bewusst, dass eine Sprache ständig in Bewegung ist. Man spricht hier
von einer „lebenden Sprache" im Gegensatz zu „toten Sprachen"
wie Lateinisch oder Aramäisch.
Die Arbeit am Computer in breitesten Bevölkerungskreisen
hat ein Übriges dazu beigetragen. Wenn ich mir da so manche Email angucke,
möchte ich mit einer Abwandlung eines Berliner Sprichwortes schließen; „Rechtschreibung
ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr".