Geschichtliche Streiflichter

Pfadfinder in Thailand

Duncan Stearn  

Teil 1: Das „Korps der Wilden Tiger" und die „Tiger Jugendpfadfinder" (1907-1911)

Im Jahre 1907 führte Robert Baden-Powell, der im Zweiten Burenkrieg (1899-1902) für England Mafeking gegen Afrikaner niederländischer Abkunft verteidigte, die Pfadfinder-Bewegung ein und veröffentlichte im folgenden Jahr sein Buch „Pfadfinden für Jungen". Das selbstillustrierte Werk und das Konzept der Pfadfinder wurden ein augenblicklicher Erfolg.

1910 bestieg Prinz Vajiravudh als König Rama VI den thailändischen Thron. Wie sein Vater, König Chulalongkorn der Große, war König Vajiravudh ein inbrünstiger Nationalist. In England erzogen, erkannte er die vaterländischen Vorteile, die mit dem Aufblühen der Pfadfinderbewegung verbunden waren.

Am 1. Juli gründete der König offiziell das „Korps der Wilden Tiger" für Erwachsene und „Tiger Jugendpfadfinder" für Kinder - die Vorläufer der heutigen Pfadfinder. Thailand war das dritte Land, das Baden Powells Pfadfinderkonzept übernahm und das einzige, dessen Pfadfinderbewegung durch einen regierenden Monarchen eingeführt wurde.

Der Name „Wilde Tiger" wurde einer Truppe entlehnt, die im späten 16. Jahrhundert von König Naresuan gebildet wurde und die Aufgabe hatte, die Grenzen Thailands zu beobachten und mögliche Feindbewegungen an die Hauptarmee zu melden. Diese „Wilden Tiger" waren loyal gegenüber der Krone und besaßen Kenntnissen der Natur und Kriegsführung.

Bereits die Schüler wurden zum Beitritt in die „Tiger Jugendpfadfinder" aufgefordert und von einem nationalistischen Geist und Patriotismus durchdrungen. Sie wurden angehalten, die Gesetze und die Anweisungen der Obrigkeit zu beachten.

Das „Korps der wilden Tiger" wurde als eine paramilitärische Truppe konzipiert, um denjenigen, die vom Militärdienst ausgenommen waren, eine Möglichkeit zu geben, eine Form von militärischer Ausbildung zu erhalten. Dabei handelte es sich hauptsächlich um Zivilangestellte ab einem bestimmten Rang. Das Korps konnte auch dazu benutzt werden, die Ordnung im Lande aufrecht zu erhalten und als einsatzfähige Reserve für die Armee. Dies ähnelt der freiwilligen Armee in England, die König Rama VI während seiner Zeit in Großbritannien kennen lernte.

König Vajiravudh hoffte außerdem, dass das Korps einen Gemeinschaftssinn unter den Thais verschiedener Herkunft fördern würde, indem sie in einer Organisation zusammen geführt wurden. Der König stellte aber klar, dass die „Wilden Tiger" in keiner Weise dazu gedacht waren, mehr als eine Hilfstruppe zu sein und keinen Ersatz für die reguläre thailändische Armee bildeten. Es war die Hoffnung des Königs, dass die „Tiger Jugendpfadfinder" während der Schulzeit moralisch und körperlich ertüchtigt wurden, um sie darauf vorzubereiten, sich dem „Korps der wilden Tiger" anzuschließen und vorbildliche Staatsbürger zu werden.

Der König war der Oberkommandierende beider Pfadfinderbewegungen und führte einen vierköpfigen Ausschuss an, dem ein Chefinspektor vorstand, der die verschiedenen Einheiten beaufsichtigte.

Das Komitee verbrachte seine Zeit damit im Land herumzureisen, um sicher zu stellen, dass die Richtlinien der Pfadfinderbewegung befolgt wurden. Der Chefinspektor war mit Genehmigung des Königs für die Ernennung örtlicher Kommandanten verantwortlich.