Teil 1:
1866-1889
Zur Wende in das 20. Jahrhundert wurde der Eisenbahnbau von
den Kolonialmächten als ideale Möglichkeit gesehen, nicht kolonialisierte und
abgelegene Gebiete zu beherrschen und zu kontrollieren.
Die Regierungen von Japan, China und Thailand konnten sich
anfangs mit der Idee des Eisenbahnwesens nicht anfreunden, erkannten aber bald
die Eisenbahn als Werkzeug der Staatsmacht an. Beispielhaft waren die
Eroberungen der Engländer in Indien und Burma.
Die Engländer und Franzosen wollten über Thailand auf dem
Landweg die unermesslichen Weiten Südchinas erreichen, da sie es als
vielversprechende Handelszone ansahen.
Ein erster Ansatz zum Bau einer Eisenbahn, der die Interessen
Thailands berührte, geschah im Jahre 1866. Sie sollte vom burmesischen Hafen
Moulmein durch Chiang Mai nach Simao in der südlichen chinesischen Provinz
Yunnan gebaut werden.
Die nördlichen Grenzen Burmas und die südlichen Grenzen
Chinas waren damals unklar. Burma war bis dahin noch nicht unter voller
Kolonialherrschaft, dies war erst nach dem Dritten Burmesischen Krieg von 1885
der Fall. Trotzdem hätte dies die britische Vorherrschaft über Nordthailand
und einen Teil der Provinz Yunnan bedeutet.
Der Sieg über Burma und seine volle Aneignung durch
Großbritannien im Jahre 1885 und die Besetzung von Tonkin (Nordvietnam) durch
Frankreich und dessen wachsende Einmischung in Laos im selben Jahr gab der
thailändischen Regierung Anlass zu Bedenken über die eigene Zukunft.
Nach langer Instabilität gelang es König Chulalongkorn,
seine Autorität innerhalb der Regierung Thailands durchzusetzen. Im Juni 1885
ernannte er Prinz Devawongse zum zweiten Außenminister des Landes. Dieser blieb
für rekordverdächtige 38 Jahre an der Spitze des Außenministeriums. Er
erkannte, dass Frankreich die größte Bedrohung für die Unabhängigkeit
Thailands darstellte, aber dass Großbritannien, im wirtschaftlichen Sinne,
ebenso gefährlich war.
Als er Außenminister wurde, hatte die indische Rupie bereits
den Baht als bevorzugte Währung unter den Händlern im Gebiet von Chiang Mai
ersetzt, da es für die thailändischen Händler einfacher war, ihre Produkte
über den nahen burmesischen Hafen Moulmein, als über Bangkok zu versenden.
Gleichermaßen lockte die malaiische Stadt Penang einen großen Teil des Handels
in den südlichen Thai-Provinzen an.
König Chulalongkorn und Prinz Devawongse waren sich der
Wirkung des Baus von Eisenbahnlinien bewusst. Verschiedene Güterbahnhöfe
dieser Linien versprachen zukünftiges wirtschaftliches Wachstum und politischen
und strategischen Einfluss. Eine etwas zwiespältige Politik gegenüber den
ausländischen Vorschlägen zum Eisenbahnbau wurde angelegt, um den
größtmöglichen Vorteil für den inländischen Handel zu erreichen. Die
Erwartungen in den wachsenden Handel mit Malaysia und besonders mit Burma
sollten zurückgeschraubt werden.
Thailand lehnte den Vorschlag einer Eisenbahnlinie von
Moulmein nach Simao durch Chiang Mai ab. Grund war das Potential dieser Linie,
den Handel von Thailand weg anstelle nach Thailand zu ziehen. Man stellte auch
sicher, dass eine Eisenbahnlinie von Bangkok nach Chiang Mai durch Phitsanulok
und nicht durch Khampaeng Pet führte, um die Möglichkeit zu verringen, eine
Nebenlinie nach Moulmein einzurichten.