Regionalarzt informiert
Aus Thailand, Vietnam, Malaysia und auch aus Süd-Afrika
werden seit September 2004 erneut die als Hühnerpest (Mortalität bei
Hühnern fast 100 Prozent!) bezeichnete „Highly Pathogenic Avian Influenza
Fälle" (HPAI) gemeldet.
15 Subtypen des Influenzavirus können Vogelpopulationen
und selten auch Schweine infizieren. Häufig sind Wasser- und andere
Vogelarten Träger des Virus; die Viren werden mit den Exkrementen in
größeren Mengen ausgeschieden. Dieser Weg stellt eine Hauptquelle der
Kontamination der Umwelt mit dem Virus dar. Durch die Inhalation von
Viruspartikelchen aus nasalen bzw. respiratorischen Sekreten und durch
Kontakt mit den Fäkalien der infizierten Tiere kann die Krankheit auf die
Vogelpopulationen übertragen werden.
Nach den neuesten Meldungen scheiden Enten größere
Mengen an Viren über einen längeren Zeitraum aus. Diese Enten sind zwar
infiziert, aber nicht erkrankt, d. h. sie können von gesunden Tieren nicht
unterschieden werden. Die Ausscheidung entspricht der Menge der kranken
Hühner. Diese Enten könnten als sog. „Stilles Reservoir" bezeichnet
werden. Bei der Suche nach den Infektionsquellen kommen auch die gesund
aussehenden Enten ebenfalls in Frage. Es ist nicht auszuschließen, dass bei
den menschlichen Fällen mit unklarer Infektionsquelle auch Enten in Frage
kommen.
Der H5N1-Subtyp ist besonders pathogen. In Hongkong
erkrankten 1997 18 Personen mit dem gleichen Virus, 6 Personen starben an
den Folgen. Die Erkrankung mit den anderen Virustypen, wie H7N7 oder H9N2,
verläuft milder. Die Genanalyse des Virus H5N1 liegt inzwischen vor, sie
weist keine menschlichen Gene auf. Nur der Nachweis von menschlichen Genen
im Virus würde die Wahrscheinlichkeit, dass die Erkrankung davon
übertragen wird, erhöhen. Neu sind die Meldungen über den Verdacht auf
Übertragung der Erkrankung von Mensch zu Mensch aus Thailand, die mit
Sicherheit nicht bestätigt werden konnten.
Bis dato sind in Vietnam und Thailand Menschen an
Vogelgrippe erkrankt. Die überwiegende Zahl der Infizierten hatte direkten
Kontakt zu erkrankten Tieren.
Da es keine Meldungen über Erkrankungen von
Krankenhauspersonal gibt, das die an Vogelgrippe Erkrankten behandelt hat,
scheint eine Mensch zu Mensch Übertragung schwieriger zu sein.
Die Krankheit kann die selben Symptome hervorrufen wie
eine gewöhnliche Grippe. Bei vielen Infizierten waren Fieber über 38° C
und Atemnot die Hauptsymptome. Röntgenaufnahmen der Lunge zeigten
Veränderungen wie bei einer Lungenentzündung.
Das antivirale Medikament „Tamiflu", das zu den
Neuraminidaseinhibitoren gehört, hat bei Laborversuchen eine gewisse
Wirksamkeit gegen den aktuellen Vogelgrippevirus gezeigt, die Behandlung
muss jedoch innerhalb von 48 Stunden begonnen werden.
Anfang April 2004 hat die WHO Prototypen des H5N1-Virus
Impfstoffherstellern zugänglich gemacht, um einen Impfstoff entwickeln zu
können. Nur 2 von 12 Firmen haben bis dato ernsthaft an der Entwicklung
eines Impfstoffes gearbeitet. Diese beiden Firmen haben Probeimpfstoffe
entwickelt, klinische Versuche werden nicht vor Ende des Jahres beginnen.
Bis der Impfstoff beim Menschen verwendet werden kann, wird es einige Zeit
dauern.
Die Influenzaimpfstoffe zur Vorbeugung der menschlichen
Grippe sind zwar nicht gegen Vogelgrippe wirksam, werden aber empfohlen, um
eine Doppelinfektion zu vermeiden. Das gilt besonders für Personen, die
engen Kontakt zu den Tieren haben (z. B. die Personen, die für die Tötung
von Hühnern verantwortlich sind); sie sollten die Grippeschutzimpfung
vornehmlich bekommen. Bei einer Doppelinfektion besteht die Gefahr, dass
H5N1-Viren sich mit dem menschlichen Influenzavirus vermischen und daraus
eine neue Gattung entsteht.
Bei dem letzten Ausbruch von Vogelgrippe in Hongkong ist
durch die Tötung von Millionen von Hühnern, innerhalb von 3 Tagen,
wahrscheinlich eine schlimme Influenzapandemie verhindert worden. Biosecurity
ist eine der wichtigsten Maßnahmen zur Eindämmung der Erkrankung; d. h.
Schutzkleider, Quarantäne, Dekontamination von betroffenen Farmen,
Restriktion des Transports von Tieren, sauberes Wasser etc. Es wird
angenommen, dass Impfungen der Vögel als zusätzliche Kontrollmaßnahme
gelten, da die geimpften Tiere wenige Viren ausscheiden. Das Problem der
Impfung ist die Schwierigkeit in der Differenzierung zwischen den erkrankten
Tieren und den geimpften Tieren durch Bluttests, da bei beiden die gleichen
Antikörper nachweisbar sind, falls der Impfstoff aus dem gleichen Virus
stammt. Ein Hühnerexport-orientiertes Land wird dadurch Probleme haben,
zwischen gesunden und kranken Tieren zu unterscheiden.
Es ist nicht auszuschließen, dass weitere menschliche
Fälle von Vogelgrippe auch in anderen Ländern auftreten können. Es muss
das oberste Gebot der Verantwortlichen sein, dass Vorsorgemaßnahmen
getroffen werden, um eine weitere Ausbreitung der Vogelgrippe einzudämmen.
Empfehlung: 1. Kontakte mit lebendem oder totem
Geflügel (einschließlich Federn, Staub und Mist) sowie Vogelmärkte
meiden, keine Enten im Haushalt halten. Der Verzehr von Entenfleisch ist
nicht problematisch, wenn es gut gekocht ist.
2. Durch Erhitzen (70°C) werden die Influenzaviren
getötet. Haushaltsdesinfektionsmittel sind ebenfalls wirksam.
3. Es ist nicht nachgewiesen, dass der Verzehr von
Hühnerfleisch bzw. Fleischprodukten zu einer Übertragung der Krankheit
führt. Wichtig ist, dass nur gut gekochtes bzw. gebratenes Fleisch bzw.
Eier verzehrt werden. Da die Eierschalen mit Fäkalien kontaminiert sein
können, ist Vorsicht geboten; die Eier gründlich waschen.
4. Es wird empfohlen, strikt auf Händehygiene zu achten,
z.B. nach Anfassen von Eiern und rohem Fleisch.
5. Gewässer, wo sich Enten aufhalten, müssen gemieden
werden.
Dr. Anver, Regionalarzt Jakarta