Freiheitskämpfer oder Terrorist?

Franz Schmid

Jassir Arafat, eine der schillerndsten Persönlichkeiten unseres Jahrhunderts, starb am 11. November. Das Wirken Arafats war stets heiß umstritten. Für seine Anhänger war er ein großer Freiheitskämpfer, für den Staat Israel hingegen eine Unperson, die zuletzt unter Hausarrest stand. Aufgrund seiner schweren Krankheit hob die israelische Regierung das Reiseverbot auf und gestattete ihm zur Behandlung nach Paris zu fliegen.

Nur wenige sind mit dem Lebenslauf Arafats vertraut. Jassir Arafat wurde am 27. August 1929 in Kairo als Sohn eines erfolgreichen Kaufmanns geboren, der aus Gaza stammt. Seine Mutter kommt aus einer angesehenen Jerusalemer Familie. In der offiziellen Biografie der palästinensischen Freiheitsbewegung wird jedoch Jerusalem als sein Geburtsort angegeben. In Kairo ging er zur Schule und studierte anschließend an der Universität Elektrotechnik. Während dieser Zeit begann er sich für die jüdische Kultur zu interessieren und las zionistische Literatur, insbesondere Theodor Herzl. In seinem Bekanntenkreis waren zahlreiche Juden. 1946 floh sein Onkel Al-Husseini aus Europa nach Kairo, da er dort als Kriegsverbrecher gesucht wurde. Der ehemalige SS-Mann und Antisemit übte starken ideologischen Einfluss auf Arafat aus. Arafat bewunderte seinen Onkel als „großen Helden" und wurde bald einer seiner glühendsten Anhänger und wandelte sich nun zum palästinensischen Nationalisten. Er sorgte für die Beschaffung von Waffen, die nach Palästina geschmuggelt wurden, um jüdische Ziele anzugreifen. Kurze Zeit später freundete er sich mit dem Kommandanten von Einheiten palästinensischer Araber an, die in der Gegend von Jerusalem operierten.

Nach dem Tod seines Onkels im Jahre 1948 bei der Schlacht am Kastel-Berg brach Arafat sein Studium ab und trat einer Moslem-Bruderschaft, die im Gazastreifen kämpfte. Am 15. Mai 1948 mischte sich die ägyptische Armee in die Auseinandersetzungen ein. Seiner Einheit wurde befohlen, abzuziehen. 750.000 Palästinenser waren plötzlich staatenlos. Dieses Erlebnis vergaß Arafat nie. Später beschuldigte er immer wieder die arabische Welt des Verrates. 1956 kämpfte er in der ägyptischen Armee im Suezkrieg gegen die Kolonialmächte England und Frankreich. Er bekleidete den Rang eines Leutnants und war Sprengstoffexperte.

Nach seiner Armeezeit arbeitete er in Kuwait als Bauunternehmer und Ingenieur war damit erfolgreich. Er gründete die Al-Fatah, die Organisation zur Befreiung Palästinas. 1968 nahm er aktiv an der Schlacht von Karame teil, dies verlieh ihm seinen bis heute anhaltenden Heldenmythos. Seit 1969 ist er Vorsitzender der palästinensischen Befreiungsorganisation PLO.

Der Schwarze September von 1970 war ein weiteres einschneidendes Erlebnis in seinem Leben. Die Stützpunkte der PLO mussten von Jordanien in den Libanon verlegt werden. Arafat floh nach Kairo und kehrte später nach Beirut zurück. 1982 griff die israelische Armee das Hauptquartier in Beirut an, Arafat floh nach Tunesien. Erst 1994 konnte er nach Palästina zurückkehren.

Im Jahre 2000 verhandelte Arafat unter Vermittlung des amerikanischen Präsidenten Clinton mit dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak in Camp David, um einen palästinensischen Staat zu gründen. Die Verhandlungen scheiterten.

Die Folge war ein erneuter blutiger Aufstand der Palästinenser, die sogenannte zweite Intifada. Fast 3000 Palästinenser und über 1000 jüdische Staatsbürger kamen ums Leben. Die Intifada endete mit der Besetzung autonomer palästinensischer Gebiete durch die israelische Armee. Israel betrieb die gezielte Politik, auf prominente palästinensische Führer von Organisationen wie Hamas oder Dschihad Attentate zu verüben. Arafat wurde seit dem Jahre 2001 in Ramallah mehrfach unter Hausarrest gestellt. Am 11. September 2003 beschloss die Regierung Israels die „Beseitigung" Arafats. Dies löste internationale Proteste aus.

Weder Israel noch Arafat haben ihre Ziele erreicht. Arafat starb eines natürlichen Todes und seinen Traum eines unabhängigen palästinensischen Staates konnte er nicht mehr erleben.