Jassir Arafat, eine der schillerndsten Persönlichkeiten
unseres Jahrhunderts, starb am 11. November. Das Wirken Arafats war stets
heiß umstritten. Für seine Anhänger war er ein großer Freiheitskämpfer,
für den Staat Israel hingegen eine Unperson, die zuletzt unter Hausarrest
stand. Aufgrund seiner schweren Krankheit hob die israelische Regierung das
Reiseverbot auf und gestattete ihm zur Behandlung nach Paris zu fliegen.
Nur wenige sind mit dem Lebenslauf Arafats vertraut.
Jassir Arafat wurde am 27. August 1929 in Kairo als Sohn eines erfolgreichen
Kaufmanns geboren, der aus Gaza stammt. Seine Mutter kommt aus einer
angesehenen Jerusalemer Familie. In der offiziellen Biografie der
palästinensischen Freiheitsbewegung wird jedoch Jerusalem als sein
Geburtsort angegeben. In Kairo ging er zur Schule und studierte
anschließend an der Universität Elektrotechnik. Während dieser Zeit
begann er sich für die jüdische Kultur zu interessieren und las
zionistische Literatur, insbesondere Theodor Herzl. In seinem Bekanntenkreis
waren zahlreiche Juden. 1946 floh sein Onkel Al-Husseini aus Europa nach
Kairo, da er dort als Kriegsverbrecher gesucht wurde. Der ehemalige SS-Mann
und Antisemit übte starken ideologischen Einfluss auf Arafat aus. Arafat
bewunderte seinen Onkel als „großen Helden" und wurde bald einer
seiner glühendsten Anhänger und wandelte sich nun zum palästinensischen
Nationalisten. Er sorgte für die Beschaffung von Waffen, die nach
Palästina geschmuggelt wurden, um jüdische Ziele anzugreifen. Kurze Zeit
später freundete er sich mit dem Kommandanten von Einheiten
palästinensischer Araber an, die in der Gegend von Jerusalem operierten.
Nach dem Tod seines Onkels im Jahre 1948 bei der Schlacht
am Kastel-Berg brach Arafat sein Studium ab und trat einer
Moslem-Bruderschaft, die im Gazastreifen kämpfte. Am 15. Mai 1948 mischte
sich die ägyptische Armee in die Auseinandersetzungen ein. Seiner Einheit
wurde befohlen, abzuziehen. 750.000 Palästinenser waren plötzlich
staatenlos. Dieses Erlebnis vergaß Arafat nie. Später beschuldigte er
immer wieder die arabische Welt des Verrates. 1956 kämpfte er in der
ägyptischen Armee im Suezkrieg gegen die Kolonialmächte England und
Frankreich. Er bekleidete den Rang eines Leutnants und war
Sprengstoffexperte.
Nach seiner Armeezeit arbeitete er in Kuwait als
Bauunternehmer und Ingenieur war damit erfolgreich. Er gründete die
Al-Fatah, die Organisation zur Befreiung Palästinas. 1968 nahm er aktiv an
der Schlacht von Karame teil, dies verlieh ihm seinen bis heute anhaltenden
Heldenmythos. Seit 1969 ist er Vorsitzender der palästinensischen
Befreiungsorganisation PLO.
Der Schwarze September von 1970 war ein weiteres
einschneidendes Erlebnis in seinem Leben. Die Stützpunkte der PLO mussten
von Jordanien in den Libanon verlegt werden. Arafat floh nach Kairo und
kehrte später nach Beirut zurück. 1982 griff die israelische Armee das
Hauptquartier in Beirut an, Arafat floh nach Tunesien. Erst 1994 konnte er
nach Palästina zurückkehren.
Im Jahre 2000 verhandelte Arafat unter Vermittlung des
amerikanischen Präsidenten Clinton mit dem israelischen
Ministerpräsidenten Ehud Barak in Camp David, um einen palästinensischen
Staat zu gründen. Die Verhandlungen scheiterten.
Die Folge war ein erneuter blutiger Aufstand der
Palästinenser, die sogenannte zweite Intifada. Fast 3000 Palästinenser und
über 1000 jüdische Staatsbürger kamen ums Leben. Die Intifada endete mit
der Besetzung autonomer palästinensischer Gebiete durch die israelische
Armee. Israel betrieb die gezielte Politik, auf prominente palästinensische
Führer von Organisationen wie Hamas oder Dschihad Attentate zu verüben.
Arafat wurde seit dem Jahre 2001 in Ramallah mehrfach unter Hausarrest
gestellt. Am 11. September 2003 beschloss die Regierung Israels die „Beseitigung"
Arafats. Dies löste internationale Proteste aus.
Weder Israel noch Arafat haben ihre Ziele erreicht.
Arafat starb eines natürlichen Todes und seinen Traum eines unabhängigen
palästinensischen Staates konnte er nicht mehr erleben.