TSUNAMI TRAGÖDIE HILFE! INFORMATION

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Eine Katastrophe aus drei Perspektiven

Information

Tsunami Katastrophen-Kontaktplätze, Spenden- Telefonnummern und Suchseiten für vermisste Personen

Checkliste für Tote und Verletzte:

Spendensammlungspunkte:

Stellen zum Blutspenden

Weitere Kontaktdressen

Nachrichten

Geberkonferenz Fluthilfe in Jakarta:

1,5 Millionen Kinder von Flutkatastrophe betroffen

Angst vor Kinderhandel nach Flut in Asien

Schwedischer Junge in Thailand möglicherweise entführt

Deutscher vom Verdacht der Entführung entlastet

Trauerfeier auf der Insel Phuket für Opfer der Flutkatastrophe

Die Erde dreht sich nach Beben schneller

Übersicht und Fakten

Kaum noch Hoffnung für Tsunami-Vermisste

Erlebnisberichte

Besser zu zweit als allein

Neues Leben inmitten der Todesflut

Fortsetzung auf Seite 2

Eine Katastrophe aus drei Perspektiven

Der Verlust an Menschenleben hat bereits die biblische Zahl von 146.571 erreicht und steigt weiter, die offiziellen Todeszahlen hier in Thailand verdoppelten sich in nur einer Nacht, während die Zahl der Vermissten kaum noch sinkt, weil praktisch keine Überlebenden mehr gefunden werden. Jetzt haben wir in Thailand schon über 5.300 Todesopfer zu beklagen, etwa zur Hälfte Thais und zur Hälfte Ausländer. Viele der Thais arbeiteten im Gastgewerbe. Fast dieselbe Anzahl Menschen wie die der bestätigten Todesopfer werden noch vermisst und sind wahrscheinlich ebenfalls tot.

Die Hilfsgelder fließen von überall her. Nachdem die USA ihre Zusage auf 350 Millionen US-Dollar verzehnfacht und Deutschland sogar auf etwa 670 Millionen US-Dollar verzwanzigfacht haben, werden es voraussichtlich mehr als drei Milliarden US-Dollar werden.

Es überwog ein Gefühl der Hilflosigkeit, als das Land ruhig - fast wie gelähmt - das Neue Jahr begrüßte. Schon zum Jahreswechsel herrschte die Besorgnis, dass das ganze Ausmaß der Katastrophe noch garnicht absehbar wäre und die Situation sich noch weitaus verschlimmern könnte. Die Bilder aus Banda Aceh und Sri Lanka erinnern an einen Atombombenangriff, aber auch in Süd-Indien und an der thailändischen Andamanenküste sieht es nicht viel besser aus. Das schiere Ausmaß der Region, die von dieser Tsunami-Katastrophe betroffen ist, rund um den Indischen Ozean bis hin zur afrikanischen Ostküste, macht schnelle und effiziente Hilfsmaßnahmen so schwierig. Die fast stündlich schwankenden Angaben zu den Opferzahlen aus den verschiedenen betroffenen Regionen macht deutlich, wie schwierig die Aufgaben sind, denen sich die örtlichen Behörden nun gegenübersehen.

Wenn man sich nun von den täglich flimmernden Fernsehbildern und den immer wieder neuen Statistiken abwendet, da diese doch nur abstrakte Zahlen zeigen - wer kann sich schon wirklich vorstellen, dass hinter jeder "1" in diesen riesigen Zahlen ein getöteter oder vermisster Mensch steht, ein Schicksal, eine Geschichte, eine verpasste Zukunft, eine zurückgelassene Familie und Freunde, kurz ein ausgelöschtes Leben -; wenn man diese Tragödie nun also aus einer persönlicheren, einer emotionaleren Sicht betrachtet, kommt man schließlich zu einer anderen Betrachtungsweise. Ansichten der Hoffnung, der Einigkeit. Seine Majestät König Bhumibol Adulyadej appellierte in seiner Neujahrsansprache an die Nation, dass die guten Herzen der Menschen in Thailand vereint dem Land durch diese schwierige Zeit helfen mögen. Und wie es scheint, funktioniert es. Die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung des ganzen Landes ist überwältigend. Aus ganz Thailand kommen Spenden in einem nie gekannten Ausmaß, Spenden aller Art, neben Geldspenden auch Nahrungsmittel, Kleidung, Baumaterial, selbst Spielzeug für die Kinder.

Aber was ist mit dem dritten Blickwinkel … der Zukunft? Ich denke, es werden schwierige Zeiten auf unser Land zukommen. Erste Wellen von Stornierungen lange vorausgebuchter Reisen sind bereits über die Tourismusbranche unseres Landes hereingebrochen. Allein in meinem Hotel in Bangkok, repräsentativ für über 2.000 Übernachtungen im Januar, sind mehr als 20 Prozent Stornierungen aus Übersee eingegangen, da die Touristen Seuchen befürchten. Hinzu kommen Absagen von Buchungen für Konferenzen, Bälle und Banketts.

Dennoch denke ich, dass wir mit einem "blauen Auge" davongekommen sind. Unser Land sieht sich nicht derart unüberwindbaren Problemen und einer düsteren Zukunft gegenüber wie die am schwesten betroffenen Gebiete. Nein - auch für uns wird es sicher nicht leicht werden, aber die gute Arbeit der Behörden, der TAT, der Pacific Asia Travel Association und der DMC’s bei der Krisenbewältigung, ebenso ihre Zusammenarbeit und Koordination, sind beispielhaft. Für Thailand, eines der weiter entwickelten Länder aus der von dem Tsunami betroffenen Region, muss zum Schutz der Wirtschaft und zur Erhaltung der Arbeitsplätze eine neue Erkenntnis über das Land verbreitet werden. Die Erkenntnis, dass wir uns erholen werden. Die Erkenntnis, dass die Schäden und Verwüstungen beseitigt und alles wiederaufgebaut wird, dass die Aufgaben der Seuchenbekämpfung und der Beseitigung der Umweltschäden kraftvoll und energisch angegangen werden. Das wird viel Geld, Zeit und Arbeit erfordern, aber wir werden es schaffen.

Neben all dem dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, uns mit klaren und präzisen Informationen über das Ausmaß der Schäden zu versorgen. Ich habe einen hervorragenden Bericht gesehen, der von einem hiesigen DMC äußerst sorgfältig zusammengestellt wurde, nicht bloß nach Hörensagen. Darin sind alle Hotels und Resorts in dem betroffenen Gebiet aufgeführt, die alle direkt angerufen und nach ihrer Situation befragt wurden. Dieser Bericht wurde um die ganze Welt geschickt, um zuverlässige und ausführliche Informationen zu bieten, welche Häuser geschlossen sind und welche normal arbeiten. Von 245 darin aufgeführten Hotels und Resorts sind 80 zerstört oder wegen schwerer Schäden geschlossen, die meisten davon auf der Insel Phi Phi und in Khao Lak. Anders ausgedrückt, fast 70 Prozent der Hotels in den Südprovinzen sind nicht oder nur leicht beschädigt und können Gäste beherbergen und bewirten.

Wer nach Informationen über vermisste Personen oder die Möglichkeit zu Spenden sucht, kann die Webseiten www.disaster.go.th oder www.phuketcity.com besuchen.
Andrew J Wood
Generalmanager, Chaophya Park Hotel & Resorts


Tsunami Katastrophen-Kontaktplätze, Spenden- Telefonnummern und Suchseiten für vermisste Personen

Narenthorn EMS Zentrum: Tel. 02-5901669 oder 1669
Beobachtungszentrum für das Andaman See-Unglück,
Government House: Tel. 1376, 02-2826680-1, 02-2803000, App. 8290
Zentrum für menschliche Katastrophen,
thailändisches Innenministerium: 02-2417457-9 oder 1784
Thailändisches Außenministerium
, Telefonzentrale: 02-6435262
Königliches Luftwaffenzentrum:
02-5341702, 02-5341709
Königlich Thailändische Marine,
Zivilaffären: 02-4754521, Website: www.navy.mith/sctr/navynews
Einsatzkommando-Zentrum,
Ministerium: 02-2833144
Thailändische Autobahnpolizei:
1193
Thailändisches Kommunikations-Sicherheitszentrum:
02-2808000 oder 1356
Thai Airways International:
076-6211195, 076-327194
Thailändisches Ministerium für Tourismus und Sport:
02-2165440
Tourismusbehörde von Thailand:
02-2537418 or 1672, Website: www.tat.or.th
Thailändische Touristenpolizei:
1155
Meteorologisches Amt:
02-3994568
Phuket Hilfszentrum:
198 (Thai), 199 (Englisch), 076-216101, 076-211001, 076-217833
Phangnga Hilfszentrum:
198 (Thai),199 (Englisch), 076-411525, 076-411179
Krabi Hilfszentrum:
198 (Thai), 199 (Englisch), 075-611302, 075-624161-3
Krabi Provinzverwaltung:
075-611381,075-611055
Ranong Hilfszentrum:
198 (Thai), 199 (Englisch), 077-813401-3, 077-823257
Satun Hilfszentrum:
198 (Thai), 199 (Englisch), 074-722121-2, 074-722296
Trang Hilfszentrum:
198 (Thai), 199 (Englisch), 075-214382
Suk Samran Bezirkskrankenhaus:
077-844143
Kapoe Bezirkskrankenhaus:
077-897016
Phuket Wachira Krankenhaus:
076-211114


Checkliste für Tote und Verletzte:

http://ems.narenthorn.or.th, Benutzer: user, Passwort: password oder www.disaster.go.th, www. phuketcity.com
Für schnelle Einwanderungsangelegenheiten:
076-273213, 076-213079
Reisedokumente für Katastrophenopfer:
076-211195, 076-327230


Spendensammlungspunkte:

Büro des Premierministers: Government Savings Bank, Government House Branch
Account name: OPM Disaster Relief Fund, Account no. 00-0025-20-014972-3
Disaster Prevention and Mitigation Department:
Government Savings Bank, Interior Ministry Branch, Account name/number: Flood Relief Fund/00-0006-20-014496-3
Krung Thai Bank Headquarters,
Kontonummer: 000-0-01049-9
Siam Commercial Bank
Headquarters, Kontonummer: 111-3-05400-9
Siam Commercial Bank,
Thailändisches Rotes Kreuz, Kontonummer: Thai Red Cross/045-2-88000-6
Siam Commercial Bank,
Public Health Ministry Branch, Kontonummer: Public Health Ministry Relief Fund / 340-2-11600-7
Thai Military Bank
, Sanam Pao Branch, Kontonummer: TV Channal 5 for southern relief/021-2-55113-9
Krung Thai Bank,
Khao San Road Branch, Kontonummer: Capital help southern victims / 027-1-44329-4
Spendensammlung der Königlich Thailändischen Armee,
Tel. 02-2802532, 02-2802363, 02-2802359,02-2823255, 02-2823257, 02-2802369
Thai Military Bank,
Royal Thai Army;s Office of the Commander Branch. Kontonummer: Royal Thai Army Fund for the Victims/077-2-04002-8
Bangkok Stadtverwaltung,
Tel. 02-2212146-69


Stellen zum Blutspenden

Thailändisches Rotes Kreuz, 24 Stunden, Tel. 02-2517853-6, App. 1102, 02-2524106-9

Bangkok General Hospital, Wachera Hospital, Charoen Krung Pracharak Hospital, Luang Phor Thaweesak Hospital, Nong Chok Hospital, Lat Krabang Hospital, Ratchapipat Hospital, Sirindhorn Hospital und Taksin Hospital.


Weitere Kontaktdressen

Deutsche Botschaft Bangkok
9 South Sathorn Road
Bangkok 10120
Tel: (0066-2) 287 9000
Fax: (0066-2) 287 1776 oder 285 6232

Österreichische Botschaft Bangkok
P.O.Box 1155 Suan Plu, Bangkok 10121
Postadresse: 14 Soi Nandha off Sathorn Tai Road, Soi 1 Bangkok 10121, Thailand
Telefon: (+66-2) 303-6057-9
Fax: (+66-2) 287-3925
Webseite: http://www.bmaa.gv.at
Email: [email protected]

Schweizer Botschaft
Die Botschaft bittet alle Schweizer, die in der betroffenen Region ihre Ferien verbracht oder da ihren Wohnsitz haben, ihre Angehörigen in der Schweiz über ihr Wohlbefinden zu orientieren. Sie können auch die Hotline Nr. +41 31 325 33 33 (031 325 33 33 aus der Schweiz) in Bern kontaktieren oder sich an die Schweizer Botschaft in Bangkok, Telefon Nr. 02 253 01 56 (+66 2 253 01 56 aus dem Ausland) wenden, sofern Sie denken, dass es möglich ist, dass Sie als vermisst gelten können oder jemand sich bei uns über Sie erkundigt hat.

Deutsches Auswärtiges Amt
Angehörige von Urlaubern aus Südasien können unter der Telefonnummer 030-5000 1000 bei Auswärtigen Amt anrufen. Es wird ausdrücklich darum gebeten, dass nur Angehörige anrufen, um eine Überlastung der Leitungen zu vermeiden.

Evangelische Gemeinde deutscher Sprache in Thailand:
Spenden bitte unter Stichwort Flutwelle:
Deutsche Bank Hamburg, Konto 1158021, BLZ 200 700 24 oder Deutsche Bank Bangkok, Account. No: 0003384001.
343/1 Sukhumvit Road Soi 31, Bangkok 10110, Thailand, Tel: 0066-(0)-2258 0680, Fax: 0066-(0)-2261 1746, Email: [email protected], Homepage: www.die-bruecke.net

Hotlines der Reiseveranstalter

TUI 0511 / 567 80 00
Thomas Cook 0800 / 999 2424
Rewe-Pauschaltouristik(ITS, Tjaereborg, Jahnreisen, LTUplus) 02203 / 42 800 oder02203 / 42 850
Öger Tours 01805 / 2866 und01805 / 351035
LTU 0211 / 94 18 888
FTI Touristik 01805 / 38 43 00 oder089 / 24 44-73234
ID Reisewelt & Suntravel 03491 / 40 73 74
Dertour & Meier’s Weltreisen 069 / 9588-5999 und069 / 9588-2770
Tischler Reisen 08821 / 9317-44 und08821 / 9317-10
Hotline Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes
Deutsches Rotes Kreuz 089 / 680 77 30

Geberkonferenz Fluthilfe in Jakarta:

Armutsbekämpfung und Naturschutz müssen Hand in Hand gehen

WWF fordert Neuorientierung bei internationaler Entwicklungszusammenarbeit

Frankfurt, 6.1.05 – Heute beginnen die Beratungen der Geberländer über die Koordination der Hilfsmaßnahmen nach der Flutkatastrophe in Asien. Der WWF sieht in der überwältigenden Hilfsbereitschaft vieler Länder ein ermutigendes Zeichen und erwartet von der Konferenz langfristige Impulse für die internationale Zusammenarbeit. Neben der Erhöhung der internationalen Entwicklungshilfe sei es nötig, die Koordination zwischen den verschiedenen Organisationen und Ressorts zu verbessern.

„Soviel spontane Hilfe hat es bisher noch nie gegeben und macht wirklich Mut. Jetzt kommt es darauf an, den betroffenen Regionen langfristig zu helfen und die Entwicklungshilfe weltweit zu stärken", betont Dr. Peter Prokosch, Geschäftsführer des WWF Deutschland. Von dem Ziel der Vereinten Nationen, 0,75 Prozent des Bruttosozialprodukts in die Entwicklungshilfe fließen zu lassen, sei man nach wie vor weit entfernt. Der Beitrag Deutschland liege derzeit unter 0,3 Prozent.

Der WWF lobt das Krisenmanagement der Bundesregierung und sieht positive Ansätze für die Zukunft. Die Abstimmung zwischen den Ressorts, insbesondere dem Umwelt- und Entwicklungshilfeministerium, aber auch weiterer, müsse optimiert werden, fordert Prokosch: „Es ist gut, dass das Außenministerium jetzt eine koordinierende Rolle übernommen hat. Das könnte ein Modell für die Zukunft sein." Um die finanziellen Mittel möglichst effektiv einzusetzen, brauche man längerfristige Pläne – etwa nach dem Beispiel der Niederlande – in denen Schwerpunktregionen und Aktivitäten ressortübergreifend abgestimmt werden. Naturschutz und Armutsbekämpfung seien oft zwei Seiten einer Medaille. Das gelte insbesondere in Südostasien. „Die Naturschätze sind das wichtigste Kapital der Region. Wenn man jetzt anfängt, noch die letzten Regenwälder abzuholzen, würde die Hilfe verpuffen", so der WWF. Deshalb sei es entscheidend, nach den unmittelbaren Nothilfemaßnahmen auf einen nachhaltigen Wiederaufbau im Einklang mit der Natur zu setzen.
Weitere Informationen:
Dr. Peter Prokosch, Geschäftsführer WWF Deutschland, Kontakt über die WWF Pressestelle, Tel.: 069-79144-153, [email protected]


1,5 Millionen Kinder von Flutkatastrophe betroffen

(AP) Rund 1,5 Millionen Kinder sind nach UNICEF-Schätzungen von der Flutkatastrophe in Südasien betroffen. Viele warteten noch immer auf medizinische Versorgung, Trinkwasser und Nahrung, berichtete das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen in Köln. Die Organisation rief daher vor der am Donnerstag beginnenden Geberkonferenz dazu auf, die Not- und Wiederaufbauhilfe für die Kinder in den Mittelpunkt aller Anstrengungen der Weltgemeinschaft zu stellen.

Besorgnis erregend sei auch die seelische Situation der Jungen und Mädchen, erklärte UNICEF. Sie litten unter einem fürchterlichen Schock. Viele warteten nach wie vor auf ihre Eltern und begriffen einfach nicht, was geschehen sei. Sie brauchten dringend Schutz und Zuwendung.


Angst vor Kinderhandel nach Flut in Asien

Schleuserbanden könnten Katastrophe ausnutzen – Indonesien verhängt Reisestopp für Minderjährige

AP-Korrespondentin Beth Gardiner

Jakarta/Berlin (AP) Sie haben den Tsunami überlebt, jetzt droht ihnen Gefahr von Menschenhändlern: Zehntausende Kinder, die in der Flut in Indonesien ihre Eltern verloren haben, könnten in die Fänge von Schleuserbanden geraten und als Arbeits- oder Sexsklaven verkauft oder zur Adoption aus dem Land geschmuggelt werden. Auch in Thailand haben die Menschenfänger offenbar bereits Fallen aufgespannt.

Außenminister Joschka Fischer berichtete am Mittwoch in Berlin von dem Fall einer verdächtigen Kindesabholung aus einem Krankenhaus in Thailand. Die thailändischen Behörden hätten die Ermittlungen aufgenommen, sagte der Grünen-Politiker. Bundeskanzler Gerhard Schröder berichtete, dass das Thema Kinderverschleppung am Vormittag im Kabinett zur Sprache gekommen sei. Noch habe die Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse über solche Vorgänge. Aber wenn es so etwas gebe, müssten die örtlichen Behörden in jeder Weise in der Abwehr unterstützt werden, sagte Schröder.

Die UN-Organisationen sind in ihren Erkenntnissen offenbar schon weiter: „Ich bin sicher, dass es passiert", sagt Birgithe Lund-Henriksen, Kinderschutzbeauftragte von UNICEF in Jakarta. „Für diese Banden ist die Flutkatastrophe die perfekte Gelegenheit."

Laut UNICEF-Sprecher John Budd gibt es schon zwei versuchte Fälle von Kindsentführungen in der indonesischen Provinz Aceh, die von der Flut am schlimmsten getroffen wurde. Nähere Angaben machte Budd zunächst nicht.

Verdächtige SMS-Aktionen

Die Regierung in Jakarta ist längst alarmiert. Alle Kinder unter 16 Jahren dürfen die Provinz nicht verlassen, bis der Registrierungsprozess abgeschlossen ist. Dies könnte noch Monate dauern. Die Polizisten wurden aufgerufen, besonders wachsam zu sein. Für mehrere Auffanglager in Aceh wurden zudem eigens Beamte abgestellt. Sie sollen die Menschen dort auf mögliche Menschenschmuggler aufmerksam machen, die sich als Angehörige von Waisenkindern oder als Mitglieder von Wohltätigkeitsorganisationen ausgeben.

Sollten sich die Befürchtungen bewahrheiten, dann würde das große Leid der Kinder noch weiter steigen. Die Regierung in Indonesien geht davon aus, dass 35.000 Kinder in Aceh mindestens einen Elternteil verloren haben. Die Sorge um ihr Schicksal wird durch zahlreiche SMS-Nachrichten geschürt, in denen Menschen eingeladen werden, Waisen aus Sumatra zu adoptieren. Die Polizei geht den Handy-Anzeigen nach. Bislang ist unklar, ob es sich um üble Scherze oder um tatsächliche Angebote handelt. Kinderschutzexperten sehen darin ein Zeichen, dass schon Kinder aus Aceh verschleppt werden.

Notorische Umschlagplätze

Die Katastrophe auf Sumatra hat für Menschenhändler ideale Bedingungen geschaffen: Hunderttausende haben ihre Häuser verloren, Kinder wurden von ihren Familien getrennt, beim Tod der Eltern sind die Kleinen den Erwachsenen oft hilflos ausgeliefert, was auch immer diese im Schilde führen. Zudem ist die betroffene Region um Banda Aceh nicht weit von der Hafenstadt Medan entfernt, auch die Insel Batam liegt nahe. Beide Orte sind als Umschlagplatz für Kinder aus Indonesien berüchtigt.

„Es ist unsere große Sorge, dass diese Kinder zu Arbeitssklaven gemacht oder anders ausgenutzt und missbraucht werden", sagt UNICEF-Generaldirektorin Carol Bellamy. Das UN-Kinderhilfswerk richtet derzeit in zwanzig Auffanglagern in Aceh spezielle Zentren für Kinder ein. Die Bedrohung durch Menschenschmuggler sei in Indonesien größer als in anderen betroffenen Ländern der Region, sagt Bellamy. Einerseits sei die Verwüstung dort besonders verheerend. Zum anderen seien die Ortschaften auf Sumatra extrem abgelegen.


Schwedischer Junge in Thailand möglicherweise entführt

Zwölfjähriger soll zusammen mit einem Deutschen ein Krankenhaus aufgesucht haben

Stockholm (AP) Polizeibehörden fahnden international nach einem zwölfjährigen Jungen aus Schweden, der nach der Flutkatastrophe in einem Krankenhaus in Thailand war und seither verschwunden ist. Der Vater Dan Walker sagte am Dienstag der Nachrichtenagentur AP in Stockholm, er fürchte, dass sein Sohn Kristian Pädophilen oder Kinderhändlern in die Hände gefallen sein könne. Ein Junge, auf den die Personenbeschreibung zutraf, war gesehen worden, als er in Begleitung eines unbekannten Deutschen das Taimuang-Krankenhaus bei Khao Lak in der Provinz Phang Nga verließ.

Der Vater schloss nicht aus, dass der Zwölfjährige bereits aus Thailand weggebracht worden sein könnte. Der Junge steht seit Dienstag auf einer internationalen Suchliste.

Nach der Flutkatastrophe vom 26. Dezember gab es wiederholt unbestätigte Berichte, dass Dutzende von Kindern, die ihre Eltern verloren hatten, in die Gewalt unbekannter Personen geraten seien. Bei manchen davon, so hieß es, könne es sich um Kinderhändler handeln.

Der amerikanische Großvater und der Vater des Jungen hatten sich nach der Flutkatastrophe auf die Urlauberinsel Phuket begeben, wo sich die drei Kinder von Dan Walkers mit ihrer Mutter aufhielten. Die vom Vater getrennt lebende Frau ist vermisst, die beiden anderen Kinder sind inzwischen wieder mit dem Vater in Schweden. Der Großvater betreibt in Thailand die Suche nach dem Vermissten.

Der ärztliche Leiter des Taimuang-Hospitals teilte mit, ein Deutscher sei am 27. Dezember gegen 1.00 Uhr früh zusammen mit zwei Jungen, von denen der eine möglicherweise Kristian gewesen sei, in das Krankenhaus gekommen. Die drei hätten die Klinik am Vormittag wieder verlassen.


Deutscher vom Verdacht der Entführung entlastet

AP-Korrespondent Sutin Wannabovorn
Bangkok (AP)
Berichte über die Entführung eines zwölfjährigen Flutopfers in Thailand durch einen Deutschen haben sich als Missverständnis entpuppt. Der Verdächtige habe in Wahrheit geholfen, das Kind wieder mit seiner Mutter zusammenzubringen, teilte die Polizei am Mittwoch mit. Der falsche Verdacht kam dadurch auf, dass Ärzte des Taimuang-Krankenhauses in Khao Lak den bereits am Montag vergangener Woche entlassenen Jungen mit einem noch immer gesuchten Schweden im gleichen Alter verwechselt hatten.

(AP Photo/David Longstreath)

Der Amerikaner Dan Walker hatte dem Krankenhauspersonal Fotos von seinem schwedischen Enkel Kristian Walker vorgelegt. Als die Ärzte daraufhin erklärten, ein ähnlich aussehender Junge habe bereits am 27. Dezember in Begleitung eines unbekannten Deutschen das Krankenhaus verlassen, befürchtete der Großvater eine Entführung und alarmierte die Polizei.

Als der Deutsche Stephan K. davon hörte, meldete er sich freiwillig den Behörden und klärte das Missverständnis auf, wie die Polizei erläuterte. Eine Überprüfung der Angaben von Stephan K. habe bestätigt, dass dieser nicht nur einen Schweden, sondern auch zwei deutsche Jungen wieder mit ihren Eltern vereint habe, sagte Polizeisprecher Vichai. Chefermittler Preecha Klaewthalong ergänzte, der Mann lebe nicht weit vom Krankenhaus entfernt und habe sich nach der Flutkatastrophe bemüht, zu helfen.

Das Gesundheitsministerium in Bangkok teilte unterdessen mit, eine Überprüfung sämtlicher Krankenhäuser habe ergeben, dass der gesuchte Kristian Walker nie in einer thailändischen Klinik behandelt worden sei. Damit schwanden die Hoffnungen, dass der Zwölfjährige und seine ebenfalls verschwundene Mutter Madeleine den Tsunami überlebt haben könnten. Großvater Dan Walker erklärte, er gebe die Hoffnung trotzdem noch nicht auf. Kristians jüngere Geschwister David und Anna waren nach der Katastrophe gefunden und zu ihrem Vater nach Schweden gebracht worden.

Nach der Flutkatastrophe vom 26. Dezember gab es wiederholt unbestätigte Berichte, dass Dutzende von Kindern, die ihre Eltern verloren hatten, in die Gewalt unbekannter Personen geraten seien. Bei manchen davon, so hieß es, könne es sich um Kinderhändler handeln.


Trauerfeier auf der Insel Phuket für Opfer der Flutkatastrophe

Phuket (AP) Auf der thailändischen Urlauberinsel Phuket hat am Mittwoch, dem 5. Januar eine erste offizielle Trauerfeier für die Opfer der Flutkatastrophe vom 26. Dezember stattgefunden. Tausende Menschen in traditioneller weißer Trauerkleidung nahmen an der von buddhistischen Mönchen geleiteten Zeremonie auf einem Sportplatz teil. Viele waren aus der Hauptstadt Bangkok gekommen.

Es handelte sich um eine traditionelle buddhistische Feier, bei der um Frieden für die Seelen der Toten gebetet wird, jedoch waren auch Christen und Muslime zugegen. Die Feier begann in der Abenddämmerung. Als die Dunkelheit hereinbrach, wurden Kerzen – jeweils eine an der anderen – angezündet, so dass sich allmählich Lichterreihen im Stadion bildeten. Dann wurden Papierballons, von Laternen mit Heißluft für den Auftrieb versorgt, aufgelassen, was das Aufsteigen der Seelen der Verstorbenen in den Himmel symbolisiert.


Die Erde dreht sich nach Beben schneller

AP. Das Seebeben in Südostasien hat nach Angaben eines NASA-Wissenschaftlers die Erdumdrehung auf Dauer beschleunigt und damit die Tage um drei Mikrosekunden verkürzt. Das sagte der Geophysiker Richard Gross vom Jet Propulsion Laboratory der US- Weltraumbehörde im kalifornischen Pasadena. Die Veränderung sei aber wahrscheinlich zu klein, um sie zu messen. Erst Veränderungen ab 20 Mikrosekunden (millionstel Sekunden) seien zu erfassen.

Aber auch die Erdachse neigte sich

Er habe außerdem berechnet, dass sich die Erdachse wegen des Seebebens um 2,5 Zentimeter geneigt habe, sagte Gross. Andere NASA Forscher allerdings gaben eine Zahl von acht Zentimetern an. Die Erde sei kompakter und schneller geworden, als sich die Kontinentalplatten übereinander geschoben hätten. Die Auswirkungen auf die Verschiebung der Erdachse seien aber nicht so groß, weil das Seebeben nahe des Äquators aufgetreten sei. Die Folgen wären größer gewesen, wenn sich die Kontinentalplatten etwa auf der Höhe des 45. Breitengrades verlagert hätten.


Kaum noch Hoffnung für Tsunami-Vermisste

Phuket (AP) Eine Woche nach der Seebeben-Katastrophe in Südasien gibt es für die Tausenden Vermissten kaum noch Hoffnung. Angesichts der konstant hohen Vermisstenzahlen scheinen sich Befürchtungen zu bewahrheiten, dass die Flutwelle deutlich mehr als 165.000 Menschen den Tod gebracht haben könnte. Allein Indonesiens Regierung rechnet mit 100.000 Toten, offiziell bestätigt sind bisher knapp 94.000 Opfer. In Sri Lanka wurden 28.475 Tote gemeldet, Helfer befürchten dort mehr als 42.000 Opfer. Die beiden Länder sind am schwersten betroffen. Indien meldete 9451 Tote, befürchtet werden über 13.000. In Thailand lag die bestätigte Totenzahl bei 4985, darunter viele Touristen. Helfer rechnen dort mit 10.000 Toten.

Die Zahl der identifizierten deutschen Todesopfer stieg am Sonntag auf 60, wie der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Klaus Scharioth, berichtete. Auch die Zahl der deutschen Vermissten steige weiter. „Wir liegen jetzt sehr deutlich über 1.000", fügte er hinzu. Die Schweizer Behörden befürchten mindestens 111 Schweizer Opfer. Die Zahl der Vermissten, für die das Schlimmste befürchtet werden muss, erhöhte sich von 85 auf 95. Insgesamt hatte der Krisenstab eine Woche nach der Katastrophe von rund 500 Schweizer Staatsangehörigen noch keine Nachricht, verglichen mit 550 einen Tag zuvor.

490 Österreicher gelten offiziell als vermisst. Eine Woche nach der Flutkatastrophe gelten nach neuen Informationen des Generalsekretärs für Öffentliche Sicherheit, Erik Buxbaum, 490 Österreicher offiziell als vermisst, zu 655 gebe es noch keinen Kontakt. In den vergangenen Tagen konnten 1659 Österreicher sicher nach Hause gebracht werden. Die 490 Vermissten hatten sich zum Zeitpunkt der Katastrophe in den am stärkten betroffenen Gegenden aufgehalten. Es gebe weiterhin sechs bestätigte Todesfälle.

Die Gefahr einer Hungersnot ist nach UN-Angaben gebannt. Allerdings steigt das Seuchenrisiko besonders auf Sri Lanka, wo es am Wochenende heftig regnete.

Auf Sumatra sagte ein Einsatzleiter, dass der Such- und Rettungseinsatz kurz vor dem Ende steht. „Nach so vielen Tagen ist die Chance, Überlebende zu finden, nur noch sehr gering." Auch für die in Thailand vermissten Deutschen gibt es kaum noch Hoffnung. Detlef Dodenhoff vom Arbeiter Samariter Bund (ASB) sagte am Sonntag im Fernsehsender N24: „Nach den mir vorliegenden Tatsachen dürfte es so sein, dass die Vermissten alle tot sind. Wenn sich die Zahl der Vermissten auf mehr als 1.000 belaufen sollte, kann man davon ausgehen, dass es mehr als 1.000 Tote sind." Noch stärker als die Deutschen sind in Europa die Schweden betroffen: Das Land vermisst noch mehr als 2.900 Landsleute.

An der Identifizierung der Toten beteiligten sich Gerichtsmediziner aus Deutschland, der Schweiz und weiteren Ländern. Sie nehmen DNA-Proben aus Knochen von Thailand-Urlaubern und prüfen zahnmedizinische Befunde. Ein Airbus der Bundeswehr mit medizinischer Sonderausstattung brachte am Sonntag 30 verletzte Touristen nach Köln.

Bei der schwierigen Suche nach Toten und Vermissten in den Flutgebieten setzt Thailand nun auch Elefanten ein. Sechs der Dickhäuter wurden inzwischen aus einem Elefanten-Camp in Zentral-Thailand in die besonders schwer getroffene Provinz Phang Nga gebracht, wie thailändische Medien am Sonntag meldeten. Besitzer Sompas Meepien sagte, die Tiere kämen selbst in schlammigem Gelände voran, in dem Fahrzeuge wahrscheinlich stecken blieben. „Meine Elefanten haben zudem Erfahrungen, Verletzten im Dschungel zu helfen."

An einigen Stränden auf Phuket kehrte unterdessen wieder der touristische Alltag ein. Ausländische Urlauber sonnten sich am Strand oder vergnügten sich beim Wasserski. Regierungschef Thaksin Shinawatra traf am Sonntag auf Phuket mit Touristen zusammen und sagte ihnen: „Genießen Sie ihren Aufenthalt!" Seine Regierung werde alles tun, um dies möglich zu machen.

Übersicht zu den vorläufigen Todesopfern der Flutkatastrophe

Die amtlich veröffentlichten Zahlen von Todesopfern (Stand: 7.01.) nach Ländern: Indonesien: 101.318; Sri Lanka: 30.680; Indien: 10.001; Thailand: 5.291; Somalia: 298; Burma: 90; Malediven: 82; Malaysia: 68; Tansania: 10; Bangladesch: 2; Kenia: 1

Übersicht über bestätigte ausländische Todesopfer

Die bis zum Morgen des 6. Januar von den jeweiligen Außenministerien bestätigten Todesopfer nach Ländern: Deutschland: 60; Schweden: 52, Großbritannien: 41, USA: 36, Schweiz: 23, - Japan: 23, Frankreich: 22, Italien: 20, Finnland: 15, Australien: 15, Norwegen: 12, Südkorea: 11, Österreich: 10, Russland: 10, Südafrika: 9, Singapur: 9, Dänemark: 7, Niederlande: 7, Belgien: 6, Kanada: 5, Philippinen: 5, Israel: 4, China: 3, Taiwan: 3, Neuseeland: 2, Argentinien: 2, Brasilien: 2, Mexiko: 2, Irland: 1, Tschechien: 1, Türkei: 1, Kolumbien: 1, Chile: 1.

Liste der Geberländer für die Flutopfer in Asien

Bislang mehr als 2,3 Milliarden Euro an Spenden

Berlin (AP) Zahlreiche Regierungen und internationale Organisationen haben Geldspenden an die von der Flutwelle betroffenen Staaten zugesagt. Die Gesamtsumme beläuft sich inzwischen auf mehr als 2,3 Milliarden Euro.

Deutschland: 500 Millionen Euro; Japan: 370 Millionen Euro; Australien: 290 Millionen Euro, zusätzlich Kredite in gleicher Höhe; USA: 257 Millionen Euro; Weltbank: 183,5 Millionen Euro; Norwegen: 135 Millionen Euro; Frankreich: 78 Millionen Euro; Großbritannien: 69,8 Millionen Euro; Dänemark: 56 Millionen Euro; Schweden: 55,4 Millionen Euro; Spanien: 50 Millionen Euro; Kanada: 49,1 Millionen Euro; China: 44 Millionen Euro; Südkorea: 37,2 Millionen Euro; Taiwan: 37,2 Millionen Euro; Australien: 34,3 Millionen Euro; EU-Kommission: 33 Millionen Euro; Niederlande: 27 Millionen Euro; Schweiz: 17,3 Millionen Euro; Österreich: 16 Millionen Euro; Finnland: 14,5 Millionen Euro); Portugal: 8,1 Millionen Euro; Katar: 7,3 Millionen Euro; Saudi-Arabien: 7,3 Millionen Euro; Kuwait: 7,3 Millionen Euro; Luxemburg: 5 Millionen Euro; Singapur: 2,6 Millionen Euro; Neuseeland: 2,6 Millionen Euro; Vereinigte Arabische Emirate: 1,5 Millionen Euro; Irland: 1 Million Euro; Italien: 950.000 Euro; Türkei: 920.000 Euro; Ungarn: 890.000 Euro; Tschechien: 550.600 Euro; Iran: 463.200 Euro; Griechenland: 291.460 Euro; Monaco: 97.640 Euro; Mexiko: 73.400 Euro; Nepal: 73.400 Euro; Estland: 30.830 Euro.


Besser zu zweit als allein

Die große Tragödie ausgelöst durch die Flutwelle

Pfarrer Burkhard Bartel

Petra berührt mit beiden Händen den goldfarbenen Sarg, der auf den Holzscheiten aufgebahrt liegt. In wenigen Augenblicken wird das Feuer hell lodern, mit dem sie ihrem Lebenspartner und drei weiteren Freunden die letzte Ruhe geben will, auf thailändischem Boden vor dem großen Tempel an der Küste von Khao Lak. Sie sind von der Tsunami-Welle überrascht und von der Gewalt des Wassers auseinandergerissen worden. Ihren Partner fand sie tot bei den vielen Leichen, die zum Tempel gebracht wurden. „Er war der beste Mensch für mich." Nach ihrem stillen Abschied wird das Feuer gebracht. Sie dreht sich um und geht zu Menschen, die mit ihr weinen und trauern. Sie möchte nicht allein sein.

Meine Frau Isolde und ich kommen gerade aus Khao Lak zurück. Wir waren seit Montag am Ort des Schreckens nach der großen Welle, die auch Thailand getroffen hat. Am 26. Dezember machten wir uns nach den Weihnachtsgottesdiensten auf den Weg nach Süden in den Urlaub. Gleich bei der Ankunft in einem Gästehaus an der Ostküste sahen wir die ersten Fernsehbilder einer Katastrophe, die wir nicht so recht einordnen konnten. Wir hörten das Stichwort Erdbeben, sahen aber große Verwüstungen durch Wasser. Erst das Wort Tsunami klärte uns auf. An Urlaub war nicht mehr zu denken, am nächsten Tag fuhren wir an die Küste von Khao Lak.

Der erste Schock lässt mich verstummen

Die Straße ist schon freigeräumt von schwerem Gerät. Wir sollen zum Magic Lagoon Hotel kommen, wo sich Mitarbeiter der Deutschen Botschaft und andere Helfer treffen. Wir realisieren erst nach und nach, was geschehen ist. Weite Flächen rechts und links der Straße sind wie leergefegt. Die Bäume und Beton-Telefonmasten sind wie Streichhölzer umgelegt. Wie viele Menschen haben hier gelebt, gearbeitet oder Ferien gemacht? Es ist Hauptsaison, die Hotels sind ausgebucht. Wir haben deshalb erst gar nicht versucht noch ein Zimmer in Strandnähe zu mieten. Ich warte auf Schreie und Hilferufe. Aber es ist merkwürdig still. Das Unglück geschah ja schon vor 30 Stunden. Die Verletzten sind geborgen worden, die Toten sind noch nicht gefunden. Jemand spricht von Nachbeben und möglichen weiteren Wellen. Wir haben Angst.

Wir finden kein Zimmer mehr und schlafen wenige Stunden im Auto. Am nächsten Morgen fahren wir zu einigen zerstörten Hotels und Gästehäusern. Weite Abschnitte der Küste sind leergefegt, die Bungalows bis aufs Fundament weggespült. Wo sind die Menschen, die Gäste und die Hotelangestellten? An den Außenwänden der großen Gebäude, die noch stehen, sieht man, wie hoch das Wasser gestiegen ist und wie es gewütet hat. Es war noch früh, als das Wasser kam. Einige wurden im Schlaf überrascht. Auf vielen Türschildern ist noch zu lesen: „Do not disturb."

Die Aufräumarbeiten haben noch nicht begonnen. Türen und Fenster im Erdgeschoss sind vom Wasser eingedrückt worden, die Möbel völlig zerstört. Nichts mehr steht an seinem Ort. Leichengeruch. An eine Mauer gedrückt liegen Holz, Blech und Ziegeln. Dazwischen ein abgetrenntes Bein. Am Pool liegt ein toter Mann, neben ihm im Schlamm ein Handy, seine rechte Hand hält noch den Gürtel, an dem Auto- und Zimmerschlüssel hängen. Das Hotel hatte über 350 Gäste, die meisten davon aus Deutschland, und über 200 Angestellte. Ich höre leise die Wellen des Meeres, sonst nichts. Hierher muss zur Bergung mehr schweres Gerät gebracht werden. Und Spezialisten, die Tote finden und identifizieren können.

Die Krankenhäuser der Region sind überfordert

Wir fahren hoch zur Straße und zum nächstgelegenen Krankenhaus. Viele Krankentransportfahrzeuge mit Blaulicht blockieren sich gegenseitig am Eingang. Schon vor dem Krankenhaus auf der Wiese sind überall Ärzte und Helfer mit Notversorgungen zu Gange. Alle Betten sind belegt, überall auf den Gängen liegen Verletzte und Schwerverletzte. Überall sind freiwillige Helfer, die Verbände wechseln, neue Tücher bringen. Andere schleppen Kisten mit Trinkflaschen oder laden Essensrationen ab. Eine Ärztin operiert eine große Wunde am Bein ohne Betäubung, zwei Helferinnen halten den Kopf der Patientin und reden ihr Mut zu. Gleich wird es vorbei sein.

Im vierten Stock kann sich ein Mann aus Berlin nicht an seinen Familiennamen erinnern. Ein Hubschrauber landet und nimmt zwei Schwerstverletzte mit nach Bangkok. Der Fußboden ist überall blutverschmiert. „Haben Sie meine Frau gesehen? Wir haben gerade gefrühstückt und hörten plötzlich einen fürchterlichen Lärm. Dann war das Wasser schon da." Viele erzählen mir von den Sekunden, bis das Wasser sie erfasste und sie realisierten, dass es zum Flüchten zu spät ist.

Ein Mann sucht nach seinen beiden Kindern Fabian und Sarah. Auch seine Frau wurde von ihm weggerissen. Er weiß aber, dass sie in einem anderen Krankenhaus liegt. Es wird gesagt, dass viele Kinder unter den Opfern sind. Suchlisten werden in der Eingangshalle ausgehängt. Bilder von vermissten Angehörigen hängen neben Fotografien von Toten. Sie sollen erkannt und dann identifiziert werden. In allen Krankenhäusern der Region sieht es genauso aus. In einem kurzen Fernsehbeitrag sah ich einen Mann zwischen zwei Bäumen, der die „schöne Welle" filmte, bis ihm das Wasser in die Badeschuhe lief. Bis zuletzt erkannte er die Gefahr nicht. Er wurde von der Welle mitgerissen.

Erst am dritten Tag normalisiert sich die Situation etwas. Schwerkranke werden in Hospitäler nach Phuket oder Bangkok gefahren oder mit Hubschraubern ausgeflogen. Überall werden Telefone aufgestellt, die kostenlos benutzt werden können. Aber die Netze sind hoffnungslos überlastet. Die öffentliche Stromversorgung ist zusammengebrochen, Handyverbindungen sind kaum möglich. „Ist mein Freund jetzt im Himmel?" fragt mich unvermittelt ein schwerverletztes Mädchen aus München. Obwohl sie Pfarrerstochter ist, hätte sie sich nur noch wenig mit Religion beschäftigt. Ihr Freund wäre kein Christ gewesen. Ich sage, dass Jesus den Ausdruck „Reich Gottes" als Wort für „Himmel" gebraucht hätte, und dass dies kein konkreter Ort sei. „Wo Liebe ist und Güte und menschliche Menschen, da ist Gottes Geist gegenwärtig, da ist der Himmel auf Erden." Das verstünde sie gut, denn sie waren ja wie im siebten Himmel. Und sie fügte hinzu: „Ich werde darüber nachdenken. So hat mir das noch niemand gesagt."

Auf dem Vorplatz des Tempels herrscht die Hölle

Am Nachmittag fahren wir zum ersten Mal in einen der buddhistischen Tempel, in welchen die geborgenen Leichen gebracht und in langen Reihen nebeneinander abgelegt werden. Ihre Haut ist fast schwarz. Es ist kaum noch zu erkennen, ob es Thailänder oder Europäer sind. Wir erstarren vor Schreck: Der ganze Platz ist bereits voller Leichen, und ständig werden weitere in Fahrzeugen und Lastwagen hergefahren. Mehrere hundert Särge sind am Rande bereitgestellt. Menschen kommen hierher auf der Suche nach vermissten Familienangehörigen oder Freunden. Diesen Weg sollte niemand allein gehen müssen. Ein Mann mittleren Alters öffnet einige Tücher und Plastikplanen, in denen Leichen eingewickelt sind. Er merkt, wie aussichtslos das ist. Selbst wenn er vor seiner Freundin stünde, würde er sie kaum erkennen können. Das Thermometer zeigt 34 Grad an, die Körper sind aufgequollen und der Geruch ist unerträglich.

Inzwischen zähle ich über 700 Leichen. Mehr als 1000 Särge sind bereitgestellt. Erschreckend viele werden in den nächsten Tagen hinzukommen. Forensische Teams aus Thailand und anderen Ländern arbeiten unermüdlich, um Gewebeproben und Haare zu entnehmen, damit die Toten identifiziert werden können. Aus Angst vor Seuchen werden Vorkehrungen getroffen. Jeder der noch auf den Platz will, muss Gummistiefel tragen und wird anschließend desinfiziert.

Ich spreche Menschen an, die zu den Toten gehen wollen und frage, ob sie die Kraft haben, das zu ertragen. Es kommen die ersten Angehörigen aus Deutschland, um sich selbständig auf die Suche nach ihren Vermissten zu machen. Ich wünschte mir, man könnte an jeden Eingang der Tempel Psychologen und Seelsorger stellen, die diese Hilfesuchenden begleiten. Durch dieses Tal des Todes sollte niemand allein gehen.

Operiert wird bis kurz vor Abflug

Am Donnerstag sind wir auf dem Flughafen in Phuket. Eine Abfertigungshalle wurde als Lazarett eingerichtet und gleichzeitig zum Zentrum der Krisenstäbe umfunktioniert. Die Organisation der Botschaft und der einzelnen Vertretungen untereinander wird immer besser. Es wird schnell und unbürokratisch geholfen. Kurz vor dem Abflug wird ein Junge noch operiert, andere erhalten einen neuen Verband. Vor der Halle wird Wasser in Tonnen angeliefert. Essensportionen stehen bereit, ebenso Obst und auch Medikamente und Verbandsmaterial. Es kann kostenlos in alle Welt telefoniert werden und sogar ein Internet-Platz steht zur Verfügung.

Im Flugzeug sind meine Frau und ich zusammen mit Mitarbeitern der Botschaft, um die aufgenommenen Patienten und Schwerverletzten bis kurz vor Abflug zu begleiten. Eine Konfirmandin aus der Nähe von Hamburg erzählt mir ihre Geschichte des Überlebens. Dann auch von ihrem Konfirmandenunterricht. Sie wären eine große Gruppe, aber der Unterricht wäre nicht so spannend. „Ich würde lieber mehr Filme sehen und nicht so viele Blätter ausfüllen. Aber jetzt wird sowieso alles ganz anders. Was ich hier erlebt habe – also, ich werde noch viel mehr nach Gott fragen." Als ich wieder an ihrer Liege vorbeikomme, schläft sie fest. Kurz nach drei hebt die Maschine ab. Wir wünschen den Patienten und dem Pflegepersonal Gottes Begleitung auf dem Weg.

Eine Welle der Hilfsbereitschaft

Nach der lebensvernichtenden Flutwelle kam eine Welle der Hilfsbereitschaft und der Menschenfreundlichkeit. So hätten wir das nicht erwartet und sind beschämt. Busse über Busse mit Hilfskräften aus dem ganzen Land kommen an. Schweres Räumgerät auf Großtransportern bilden auf der Straße nach Süden lange Staus. Dazwischen Krankentransporte mit Blaulicht. In und vor den Tempeln und Krankenhäusern haben sich Studenten kleine Zettel angeheftet, die sie als Übersetzer ausweisen. Ich selbst werde mehrmals gefragt, ob ich Hilfe bräuchte. Zum einen ermutigen und motivieren uns die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft von so vielen Menschen. Das gibt uns Kraft und Hoffnung für das jetzt Notwendige und auch für zukünftige Aufgaben.

Genau vor einem Jahr, am 26. Dezember 2003, saßen meine Frau und ich im Flugzeug nach Bangkok, um unseren Dienst zu beginnen. Nach der Ankunft hörten wir von dem schweren Erdbeben in der iranischen Stadt Bam, bei dem über 30.000 Menschen getötet wurden. Letzte Nacht erhielt ich den Anruf meines deutschen Pfarrerkollegen aus Teheran, dessen Gemeinde uns hier in Thailand unterstützen möchte. Sie hätten in den Gottesdiensten am Jahreswechsel eine große Kollekte gesammelt, die sie zur Linderung der größten Not zur Verfügung stellen wollen. Mir wurde klar: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch" (Hölderlin).

Unsere Gemeinde hilft Menschen in dem zerstörten Gebiet direkt und unbürokratisch.

Wer die Evangelische Gemeinde deutscher Sprache in Thailand darin finanziell unterstützen möchte, kann unter dem Stichwort Flutwelle eine Spende überweisen: Deutsche Bank Hamburg, Konto 1158021, BLZ 200 700 24 oder Deutsche Bank Bangkok, Account. No: 0003384001

343/1 Sukhumvit Road Soi 31, Bangkok 10110, Thailand, Tel: 0066-(0)-2258 0680
Fax: 0066-(0)-2261 1746, Mobile: 0066-(0)-1815 9140, Email: [email protected] Homepage: www.die-bruecke.net

(AP) – Eine Woche nach dem Seebeben ist ein von der Flutwelle erfasster Fischer wie durch ein Wunder lebend aufgefunden worden. Der 24-jährige Indonesier wurde am Sonntag an einem Strand der Insel Sumatra unter seinem Boot entdeckt. Der junge Mann habe eine Woche lang unter dem Wrack festgesessen und weder Wasser noch Nahrung zu sich nehmen können. Nach Angaben der Ärzte war er bei seiner Rettung extrem geschwächt und geistig verwirrt.

Hund rettet Siebenjährigen

In Chinnakalapet/Indien rettete ein Hund einen siebenjährigen Jungen vor der Flut. Der Junge hatte in der Hütte seiner Familie in Strandnähe Schutz gesucht, während die Mutter mit den beiden jüngeren Kindern im Arm vor der Welle flüchtete. Sie hoffte, dass ihr Ältester ihr folgen würde. In Sicherheit merkte sie, dass Dhinakaram fehlte. Doch der Familienhund „Selvakumar" sorgte dafür, dass der Junge überlebte. Er folgte ihm in die Hütte und schubste und drängte ihn mit all seiner Kraft einen nahe gelegenen Hügel hinauf. „Der Hund hat mich beim Kragen gepackt und mich herausgezogen", sagte Dhinakaram.

Mädchen warnt Hotelgäste

Eine Schülerin rettete 100 Hotelgästen das Leben, weil sie die Anzeichen für einen bevorstehenden Tsunami richtig deutete. Die zehnjährige Tilly Smith habe die Gefahr erkannt, als sich das Wasser plötzlich zurückzog, und ihre Mutter und die anderen Gäste gewarnt. Sie habe die Wirkung von Flutwellen nach Seebeben erst zwei Wochen zuvor in ihrer Schule in Oxshott südlich von London durchgenommen, berichtete das Mädchen. Ihre Eltern, Penny und Colin Smith, warnten andere Urlauber und Beschäftigte ihres Hotels auf der Insel Phuket. Das Hotel habe den Maikhao-Strand daraufhin umgehend evakuiert, wenige Minuten vor dem Eintreffen der Flutwelle. Dieser Strand ist einer von ganz wenigen auf Phuket, an dem niemand getötet oder schwer verletzt wurde.

Glückliches Ende

Eine Mutter musste sich für eines ihrer Kinder entscheiden, aber das Drama ging glücklich aus. Als die Flut auf Phuket die Australierin Jillian Searle und ihre beiden Söhne mitriss, musste sich die Mutter innerhalb von Sekunden für eines der Kinder entscheiden, denn sie wusste, dass sie nicht beide retten konnte. Sie hielt den jüngeren Sohn fest und entzog sich dem Griff des älteren Jungen, der ihre Hand umklammert hielt. „Ich habe gefühlt, wie er mich drückte", sagt Searle. „Und er sagte zu mir, ’lass mich nicht los, Mami’". Sie bat eine Frau, die sich an einen Pfosten klammerte, ihren Jungen festzuhalten, aber plötzlich war er verschwunden. Sie glaubte, ihn nie wiederzusehen, denn er kann noch nicht schwimmen.

Searles Ehemann Bradley verfolgte das Drama von einem Balkon im ersten Stock. Er versuchte, seiner Familie zu Hilfe zu kommen, doch das steigende Wasser versperrte ihm den Weg. „Das Wasser stand so hoch, dass man die Türen nicht öffnen konnte", berichtet er dem Sender. „Dann fand ich eine Stange und versuchte, die Tür damit aufzuhebeln." Als er das Erdgeschoss erreichte, donnerte eine zweite riesige Welle über den Strand, und er kletterte auf eine Theke, um sich vor den Wassermassen in Sicherheit zu bringen.

Vater, Mutter und der jüngste Sohn fanden nach dem Rückgang der Fluten schnell wieder zusammen. Zwei Stunden lang suchten die Searles. Schließlich fanden sie Lachie in der Obhut eines thailändischen Polizisten. Der Junge hatte überlebt, indem er sich an eine Hoteltür klammerte. „Ich habe lange nach Mami gerufen, und dann war ich still", berichtete Lachie später seinem Vater. Seine ersten Worte waren: „Meine Hände sind ganz schmutzig, und ich muss meine Kleider waschen."

Ein kleines Wunder

Ein anderes kleines Wunder im Katastrophengebiet geschah dem österreichischen Ehepaar Radaelli. Zwar hat der Rentner Heinz Prellungen und Schnittwunden am ganzen Körper, aber er und seine Frau Marianne haben überlebt. Nach drei Tagen fanden sie zueinander. „Ich habe nie geglaubt, dass sie tot ist", sagt der 59-Jährige am Samstag im Samitivej-Krankenhaus in Bangkok. Seine Frau liegt in derselben Klinik auf der Intensivstation. Die Radaellis bauten sich vor zehneinhalb Jahren ein Haus mit großem Garten in Khao Lak nördlich der Insel Phuket. Dort wurden sie vor einer Woche von der Flutwelle überrascht. Er reparierte gerade eines seiner Fahrräder, sie goss den Garten. Als sie die Wasserwand auf sich zukommen sahen, rannten sie in Richtung eines Hügels hinter dem Haus. „Dann hat uns die Welle eingeholt", berichtet Radaelli. „Ich hielt die Hand meiner Frau, aber die Welle hat sie weggerissen. Ich habe wie verrückt gekämpft, und ich habe ihr zugerufen, dass sie weiterkämpfen soll." Marianne Radaelli war von der Flut 200 Meter weit mitgerissen worden und bewusstlos. Von unbekannten Rettern wurde sie zu einer Straße getragen, wo sie zwei Stunden lang lag. Nach abgeschlossener Genesung wolle er nach Thailand zurückkehren, sagt Radaelli, allerdings sei das Haus völlig zerstört, begraben unter eineinhalb Metern Schlamm.

Überall herrscht Panik

Das Künstlerehepaar Hermann aus Graz lebt seit Jahren auf Sri Lanka. Die beiden nahmen gerade an einer Hindu-Feier teil, als sich die Katastrophe ereignete: „Unser Haus liegt am Strand und ist von einer 12 Meter hohen Mauer geschützt. Das Wasser hat dort ein riesiges Loch hineingerissen und das Erdgeschoss völlig überschwemmt. Wir wohnen jetzt im Obergeschoss und haben auch Leute bei uns aufgenommen. Es gibt kein Wasser, keinen Strom und kein Telefon. Überall herrscht Panik und Angst vor weiteren Wellen."

Die 24-jährige Michaela Priewasser aus Oberösterreich und ihr Freund weilten gerade auf den Malediven, als die Flutwelle über sie hereinbrach: „Meterhohe Wellen überrollten den Strand. Das Wasser in unserem Hotel stieg immer weiter, wir konnten uns nur mit Badeanzug, Decke und Handy aufs Dach retten", erzählte die Buchhalterin ihrem Vater per Handy. „Unsere Dokumente sind weg, aber wir leben und sind in Sicherheit. Irgendwie kommen wir schon heim!"

Unglück kommt ohne Vorwarnung

Die 44-jährige Wirtin Verena Schwendemann aus Mödling erzählt: „Wir sitzen auf Sri Lanka fest und sind seit Stunden ohne Strom und ohne Informationen. Das Unglück kam ohne Vorwarnung, die zweite Welle riss alles mit. Die Wassermassen zertrümmerten in Sekunden die gesamte Hotelanlage. Man kann hier nur warten, bis das Chaos vorbei ist."

Der Österreicher Kurt Jost saß gerade im frisch renovierten „Friendship Beach Resort" an der Ostküste Phukets, rund 20 Meter vom Strand entfernt beim Frühstück, als die Flut völlig unvermittelt über das Freizeitparadies hereinbrach. „In Sekunden trieben wir bis zum Hals im Wasser. Wir hatten weder eine Welle gehört noch gesehen. Überall waren schreiende Menschen. Stühle, Tische, Eimer, jede Menge Plastik, Kisten, Flaschen schwammen vorbei in Richtung Meer. Alles wurde in diesem kurzen Moment vollkommen verdreckt und mit Holzstücken und Müll zugedeckt", so Jost.

„Das Wasser in Male ist abgelaufen, und Hunderte von Menschen sind damit beschäftigt, die Ufer mit Sandsäcken zu verbarrikadieren, weil in einigen Stunden mit einer Rückwelle gerechnet wird", sagte der österreichische Pilot Dieter Malina, der bei der Überführung eines Flugzeugs nach Jakarta einen Zwischenstopp zum Tanken einlegen wollte. „Tanken konnte ich noch, aber dann kam die große Flutwelle und überschwemmte alles. Ich konnte mich auf das Dach meines Flugzeugs retten", erzählte Malina.

„Ich habe mich mit meinen Kindern gerade zum Frühstück in den ersten Stock des Hotels gesetzt, als unser Bungalow wie Spielzeug von den Wassermassen weggerissen wurde", schildert der Unternehmer Sascha Z.

„Lauf, lauf"

„Ich lebe, habe aber alles verloren", rief die Studentin Maria Magdalena Huber (21) aus Geboldskirchen (OÖ) ins Telefon. Dann brach das Gespräch ab. Es hatte nur 15 Sekunden gedauert. Den Eltern, Christine und Josef Huber, fiel ein Stein vom Herzen. Dienstag erkannten sie auf einem Foto in der „Kronenzeitung" ihre Tochter, wie sie von ihrem Freund, dem Studenten Lukas Sattelberger (21), auf den Schultern getragen wird.

Jürgen Steinbrecher (45) und seine Lebensgefährtin Nina Kapun (33) waren gerade im Hotel in Khao Lak, dem „Sofitel Magic Lagoon Resort" angekommen. „Für uns und andere Urlauber hat es einen Welcome-Drink von der Reiseleiterin gegeben. Nach fünf Minuten, es war gegen 10.30 Uhr, sah ich plötzlich eine große Welle. Ich habe meiner Freundin zugerufen ,lauf, lauf!‘ Dann sind wir auf das Dach der Lobby geklettert. Die insgesamt 15 Meter hohe Flutwelle hat alle Menschen am Strand mitgerissen. Ich selbst habe noch jemanden aus dem Wasser ziehen können. Es war eine Schweizer Urlauberin, wir haben sie die eineinhalb Kilometer bis ins Spital getragen. Nach cirka eineinhalb Stunden ist das Wasser zurückgegangen und wir haben uns auf die Suche nach unserem Zimmer gemacht. Es war nichts mehr da, es ist alles weg, wir haben unser ganzes Hab und Gut verloren."

Vor den Augen des Freundes von der Flut mitgerissen

Schockierend ist auch das Schicksal der 26-jährigen Studentin Doris Ellinger aus Linz! Sie hatte ihren Freund seit August nicht mehr gesehen - das Paar hatte sich vor wenigen Tagen in Hongkong getroffen und war dann nach Khao Lak weitergereist. Dort wurden die beiden von der Flut überrascht. „Doris ist vor den Augen ihres Freundes von der Flut mitgerissen worden. Seither fehlt von ihr jede Spur", sagen die Eltern der Vermissten. Ihr Freund liegt mit schweren Verletzungen im Krankenhaus.

Auf einer Insel auf den Malediven ist die Riesenwelle über die Wienerin Helene Moc hereingebrochen. Sie hatte gegen 7 Uhr Früh ein leichtes Beben gespürt, sich aber nichts dabei gedacht. „Zwei Stunden später kam dann die Flut. Wir sind nur noch gerannt, ein Einheimischer hat mich auf eine Palme gehoben", schildert die Besitzerin eines Wellness-Studios.

Ebenfalls in Khao Lak verschollen sind Otto Liesbauer und seine Frau Fritzi aus Wiener Neustadt (NÖ). „Ich lebe, es gibt aber keine Spur von meinen Eltern", schluchzt deren 22-jährige Tochter Gitti. Auch die drei Niederösterreicher hatten sich im Flutinferno aus den Augen verloren. Besonders tragisch auch das Schicksal der 45-jährigen Maria Tacke aus Mistelbach - sie war mit ihrem Mann Dieter in die Flitterwochen nach Khao Lak aufgebrochen. Doch das Glück zerbrach in der Höllenflut. (AP)

Jasmin, Muk und ich – wir leben

Ich weiß nicht wie ich anfangen soll, meine Hände zittern noch, dass ich kaum die Tasten drücken kann. Aber das wichtigste ist, wir leben noch. Ich habe zwar alles verloren, kein Ressort mehr, kein richtiges zuhause mehr, im Moment sind wir noch obdachlos und leben draußen in der Nähe eines Wasserfalls. Das thailändische Rote Kreuz versorgt uns aber gut, so das wir wenigstens frisches Wasser und etwas zu essen haben. Was wir bis jetzt erlebt haben, übertrifft bei weitem jede menschliche Vorstellungskraft. Folgendes spielte sich am Morgen den 26.12.04 ab: Morgens ca. 10 Uhr war ich mit meiner Tochter Jasmin im Ressort am arbeiten. Ein Gast von meinen Bungalow kam zu mir und fragte, ob ich nichts davon im Radio gehört habe, dass sich das Meer extrem zurückbilde. Ich verneinte. Da ich nur 80 Meter von der Beach bin, schaute ich Richtung Meer hinaus und bekam einen Schock. Ich sah nur noch ein großes Korallenriff, das sich ungefähr 1.500 Meter von der Beach weg befindet. Und das Meer war WEG – einfach weg. Kein Tropfen Wasser mehr da. Wenn ich das nicht selber erlebt hätte, würde ich jedem sagen, er lüge, wenn er so was behaupten würde. Ich schnappte meine Tochter und fuhr mit meinem Motorrad so schnell ich konnte weg. Nach ca. 200 Meter kam ich in die Straße, die hinauf zur Hauptstrasse führte. Bei der Einfahrt in die Straße kamen schon weit über hundert Menschen, die um ihr Leben rannten. Ich blickte nochmals Richtung Meer und sah eine riesengroße Wasserwand, die auf das Land zurollte. Jetzt ging der Wettlauf mit dem Tod für mich und meiner Tochter Jasmin los. Bis zur Hauptstrasse sind es 1.300 Meter. Ich fuhr um mein Leben, was das Motorrad hergab. Meine Tochter schlug mich immer auf den Rücken und schrie weinend: „Papi, Papi, schneller, schneller, das Wasser kommt. Ich sah in den Rückspiegel und sah die Flut kommen. Wir schafften es bis zur Hauptstraße. Da ich ortskundig war, wusste ich, dass es nur eine Straße gab, die in das Landesinnere führte, und zwar beim Tempel vorbei. Aber bis zu dieser Straße musste ich cirka 300 Meter fahren, und zwar paralell zum Strand. Ich erreichte die Einfahrt in den Tempel noch und fuhr Richtung Anhöhe, dann kam das Wasser und riss uns weg. Da die Flutwelle da aber keine große Kraft mehr hatte und bis zu diesem Zeitpunkt schon 30 Hotels mitgerissen hatte, haben wir es mehr oder weniger nur mit leichten Verletzungen überlebt. Meine Tochter erlitt einen Schock. Vor allem musste sie dieses Bild der Verwüstung ansehen und überall die toten Menschen. Es war ganz grauenhaft. Leider haben es die Schwägerin und meine Nichte, die beide in meinem Ressort gearbeitet haben, nicht mehr geschafft und sind beide tot. In der Familie meiner Frau haben wir insgesamt vier Menschen verloren, dazu unzählige Verwandte und Bekannte. Die Zahl überschreitet 100! Drei Tage später fasste ich mir Mut und ging in mein ehemaliges Ressort. Das Problem war nur, ich fand es nicht mehr. Weil alle Hotels völlig vom Erdboden verschwunden sind. Ich hatte überhaupt keine Orientirung mehr, wo mein Ressort gestanden hatte. Nach längerem Suchen durch fast undurchdringlichen Schutt habe ich dann den Platz von meinem Ressort gefunden. Es war grauenhaft. Ich fand in meiner Anlage noch acht Leichen, konnte aber nicht feststellen, um welche Personen es sich handelt, da die Leichen schon sehr verwest waren und grauenhaft ausgesehen haben. Zum ganzen Übel kam noch hinzu, dass die gesamten Einkommen von den letzten drei Wochen in meinem Tresor lagen. Nun ist auch dieses Geld weg, das wir sicher gut gebraucht hätten, um die Familie in der nächsten Zukunft zu ernähren. Ich habe nun mit der Schweizer Botschaft in Bangkok Verbindung aufgenommen und sie hat uns sofortige Hilfe zugesagt. Sie organisiert meine Heimreise in die Schweiz. Ich werde in zwei Wochen wieder in die Schweiz gehen und vorläufig bei meiner Mutter wohnen. Da ich ja auch in der Schweiz nichts mehr habe, muss ich mir ein neues Leben aufbauen. Vor allem zusehen, dass ich meine Familie und Angehörigen in Thailand unterstützen kann. Nach neuesten Meldungen sind im Gebiet Khao Lak mindestens 5.000 Tote zu beklagen und nochmals so viele Vermisste.

Meine Adresse in der Schweiz: Paul Ruegg /co. Irma Rueegg, Kirchrainstr. 27, 8632 Tann Rueti


Neues Leben inmitten der Todesflut

Port Blair/Indien (AP) „Tsunami" hat Namita Roy ihren Sohn genannt, obwohl das japanische Wort für indische Ohren eher weiblich klingt. Der Name soll an das Wunder seiner Geburt erinnern. Daran, dass Roy und das Neugeborene überlebten, obwohl der kleine Tsunami just am Tag der gleichnamigen Katastrophe ans Licht der Welt drängte.

„Es ist alles Gottes Gnade", sagt Vater Lakshimi Narayan Roy sechs Tage später. Der 34-Jährige hatte gerade Tee für seine hochschwangere Frau zubereitet, als ihr Haus auf der Andamanen-Insel Hut Bay von einem Beben erschüttert wurde. Der Rikscha-Fahrer Roy raste mit Namita und seinem sechsjährigen Sohn Saurabh vor die Tür, packte beide in sein Fahrzeug und zog es bergauf. Minuten später waren von ihrem Haus nur noch Trümmer übrig.

Stunden später erreichte die Familie gemeinsam mit mehreren hundert weiteren Flüchtlingen den höchsten Punkt der Insel. Dort, mitten im Wald und gut drei Wochen vor dem errechneten Termin, setzten bei Namita die Wehen ein. Ihre Schmerzen wurden durch die Angst und die Nachbeben verschärft, die immer wieder die Insel erschütterten. Zum Glück fand sich in der Menge eine Krankenschwester. Hinter von anderen Flüchtlingen aufgespannten Saris brachte Namita um 4 Uhr morgens ihren Sohn zur Welt. Doch die junge Frau hatte viel Blut verloren. Ihr Mann musste sie wieder in seine Rikscha laden, und zusammen mit dem neuen Familienmitglied ging es zurück zu einem Gesundheitszentrum an der Küste. Dort wurde ein Schiff benachrichtigt, um Namita Roy abzuholen. Anlegen konnte es allerdings nicht, denn die mächtige Flutwelle hatte den Steg zertrümmert. Also hoben Lakshimi Roy und einige Helfer die junge Mutter über ihre Köpfe und trugen sie gemeinsam durch das hüfttiefe Wasser, ein weiterer folgte mit dem Baby. Das Schiff brachte die Familie in ein Krankenhaus in Port Blair, der Hauptstadt der Andamanen-Inseln. Ein Arzt dort war es, der das Baby zum ersten Mal Tsunami nannte. Die Eltern griffen die Anregung auf: „Ich werde diesen Tag nie vergessen", sagt Lakshimi Roy, „auch wenn ich sicher bin, dass er später mit mir streiten wird, weil ich ihm einen weiblichen Namen gegeben habe."

Auf einem Visatrip durch die Hölle

Gestern habe ich Burma besucht, weil meine Aufenthaltserlaubnis für Thailand ablief. Dazu musste ich die Küste hochfahren und kam dabei durch eines der am stärksten von der Flutkatastrophe betroffenen Gebiete, den Ferienort Khao Lak.

Khao Lak wurde vor ungefähr zehn Jahren von Rucksacktouristen "entdeckt". Jedoch wie viele der von Rucksacktouristen entdeckten Gebiete hat sich auch Khao Lak von einem verschlafenen Nest mit wenigen Hütten und weißen Sandstränden nahe dem tropischen Regenwald zu einem lebendigen Touristenort mit Einkaufspassagen, Geldautomaten, Tauchschulen, Bars, Restaurants, Motorradwerkstätten, Schneidergeschäften, Banken und vielen Hotels und Resorts entwickelt. Hinter dem touristischen Gebiet gab es leichte Industrie, billige Wohnungen für die im Gastgewerbe arbeitenden Thais, günstige Küchen, die eine Palette von Curry’s und Meeresfrüchten anboten, und verschiedenerlei Geschäfte. Geschmackvoll drumherum verteilt waren Palmen, Bananenstauden und grünes Buschwerk.

Auf dem Weg nach Khao Lak, noch ein paar Kilometer davon entfernt, wurde mir der Gestank bewusst. Er schien das Auto zu durchdringen, obwohl ich die Fenster geschlossen hatte und die Klimaanlage mit einem Geruchsfilter versehen ist. Der Geruch war irgendwie düster, feucht und modrig, wie verdreckte Toiletten. Er hatte aber auch etwas sonderbar süßliches an sich, wie Eiter. Es war ein sehr durchdringender Gestank, der alle anderen Gerüche verdrängte. Es war der Gestank des Todes - einzigartig und unvergesslich.

Als ich nach Khao Lak hineinkam, konnte ich die Bilder der Verwüstung nur anstarren. Schlamm, Dreck, entwurzelte Bäume und das Geröll der Zivilisation waren kreuz und quer durcheinandergewirbelt und haben Khao Lak als Touristenort vernichtet. Inmitten des Schlamms, der Zweige und Wurzeln und des Laubs schaute ein Zeichen der Zivilisation hervor - die Tür eines Kühlschranks, ein halb begrabenes Auto, der Deckel eines Wassertanks aus Plastik, schmierige graue Sachen, die vielleicht mal jemandes säuberlich gefaltete, trockene Kleider waren, Plastikleisten, die von Fenster- oder Türrahmen stammen könnten, Zementblöcke, eine Autostoßstange, Plastikflaschen überall, ein Teil einer Hauswand, noch mehr Schlamm und Baumäste, halb im Sand vergrabene Plastikplanen.

Ich weiß, es klingt unzusammenhängend, aber auf dem Weg wurde mir bewusst, in welchem Maße Plastik in unsere Zivilisation Einzug gehalten hat. Es war überall; es scheint, wir sind abhängig davon geworden. Das andere, was unsere Zivilisation infiltriert hat - Möbel aus Spanplatten -, waren nirgends zu sehen. Ich denke, sie wurden mit dem zurückfließenden Seewasser ins Meer getrieben. Wären nicht überall die Bergungshelfer und ihre Fahrzeuge präsent, könnte man auf den Gedanken kommen, so könnte die Landschaft am Grunde des Meeres aussehen - eine Unterwasserlandschaft am Rande einer großen Stadt.

Die Bergungsarbeiter waren überall inmitten dieser Unterwasserlandschaft verteilt. Die meisten trugen weiße Atemschutzmasken, blaue Overalls und Plastikhelme. Hier und da standen Rettungsfahrzeuge mit Blaulicht, Kranwagen hoben Bentonmasten, Polizeiautos und Polizisten in ihren braunen Uniformen, auch diese mit Atemschutzmasken.

Plötzlich hob eine ältere Frau inmitten einer kleinen Gruppe von Leuten am Straßenrand die Hand, um mir ein Zeichen zu geben, ich solle anhalten. Ich tat es. Eine junge Frau, etwa 23 oder 24, wurde nach vorne geschoben - sie hatte einen weißen Verband um ihren Hals. Die ältere Frau fragte mich auf Thai, ob ich "Noi" in das Krankenhaus in der nächsten Stadt bringen könne. Ich sagte sofort zu, und Noi stieg in den Wagen.

Es stellte sich heraus, dass sich Noi während der Suche nach Opfern am Hals verletzt hatte - sie sprach ein wenig Englisch. Gewöhnlich arbeitet sie in einer Außenstation der Polizei. Ich fragte sie: "Wie viele sind tot?" und sie antwortete: "Bis jetzt haben wir etwa 800 Leichen gefunden - aber wir finden ständig weitere."

Wir passierten einen großen Betonsockel, es könnte wohl das Fundament eines Hauses gewesen sein. Der Rest war nicht mehr da. Auf dem Sockel lagen etwa 20 Leichen, sorgfältig in weiße Leinentücher gehüllt. Ich erinnere mich, dass ich dachte, wie groß ihre Köpfe aussehen, wenn sie in weiße Tücher gehüllt sind. Ich fuhr langsamer; die Straße kamen drei Bergungshelfer herauf, die ein weiteres weißes Bündel trugen, dieses kleiner, es wird wohl ein Kind oder ein kleiner Thai gewesen sein. Ich fragte Noi: "Wie viele waren Farangs (Ausländer)?". "Etwa 70 Prozent", antwortete sie.

Die Situation verleitet dazu, die Gedanken wandern zu lassen und sich verschiedene Szenarien vorzustellen, wie der Moment direkt vor der Katastrophe ausgesehen haben mag. Der Ehemann, gerade unter der Dusche, seine Frau liegt noch im Bett und genießt die kühle Luft aus der Klimaanlage. Sie könnten bis ein Uhr morgens irgendwo in einer Bar gesessen haben, Freunde kennengelernt und einige Wörter Thai gesprochen. In den frühen Morgenstunden sind sie zu ihrem Strandbungalow zurückgeschlendert. Gerade hat der Mann herausgefunden, wie die thailändischen Wasserhähne funktionieren und dem Duschkopf einen Wasserstrahl entlockt, hört er ein Klopfen an der Tür, seine zwölfjährige Tochter. "Papa, Papa, die Wellen haben aufgehört!" Was ist jetzt, denkt er - gerade habe ich diese verdammte Dusche zum Laufen gekriegt. "Okay, Kleines - ich bring das gleich in Ordnung", ruft er zurück, grinst und seift sich ein - Kinder!!!

In diesem Moment bricht die Wand der Dusche mit einem lauten Krachen ein und er ist gefangen zwischen Mauerresten, Seewasser und in den nächsten zwei Minuten sind er und seine Familie tot. Wieder einige Stunden später ist die Familie abgepackt in Leintücher und auf diesem Sockel bizarr drapiert.

Man denkt an Milliarden Gallonen Wasser, die nun langsam wieder von der Beach abfließen, nicht mehr an das sanfte Murmeln der Wellen, das diese Gegend für Tausende von Jahren ausgezeichnet hat. Man denkt an die fürchterliche Stille vor dem Unglück, dem niemand Bedeutung zumaß und die abgelöst wurde vom Schreien der Opfer. Mir kommt es vor, als würde ich es immer noch hören können.

Noi erklärt mir die Gegend, während wir fahren. "Das war ein 5-Sterne Hotel", deutet sie auf eine Ruine. "Und das war ein sehr bekanntes Beach-Resort". Davon war nun gar nichts mehr zu sehen. "Hier gab es eine Bäckerei und dort war eine Apotheke, ach ja und hier war ein Tauchladen", fährt sie in ihrer Aufzählung fort. Ihre Erinnerung an Bauten, die es mal gab, scheint kein Ende zu nehmen.

Ich war erstaunt über die vielen Autowracks, die flach zerquetscht oder stark beschädigt überall herumlagen. Viele davon einige Kilometer vom Strand entfernt. Sie sahen wie Schokosplitter aus, während die Lastautos, von denen viele auf dem Dach lagen, wie riesige Kuchen mit Schlammverzierung aussahen.

Wir passierten zwei Lieferwagen, die zum Rettungsdienst gehören. Auf jedem von ihnen lagen mindestens sieben in weiße Tücher eingehüllte Leichen. Ich überschlug schnell im Kopf, wie viele Tote wohl pro Tag ausgescharrt werden könnten. Ich fragte Noi, ob sie wisse, wie viele Menschen vermisst werden. Sie konnte mir darauf keine Antwort geben. Es kann sein, dass es niemals wirklich herauskommt, denn wenn ganze Hotels verschwinden, sind auch die Gästeverzeichnisse weg. Außerdem waren Weihnachtsfeiertage. Viele Menschen besuchten Verwandte, Freunde, andere suchten Arbeit und viele fuhren bloß durch.

Viele Mensachen wurden ins Meer abgetrieben, hinausgesogen in die unendliche Weite. Viele liegen noch immer im Schlamm begraben, der durch die Sonnenbestrahlung hart wird und es wird fast unmöglich, sie herauszuholen. Ich glaube nicht, dass es falsch ist zu denken, dass an diesem Strand alleine mindestens halb so viele Menschen ums Leben kamen, wie im World Trade Center.

Ich setzte Noi beim Krankenhaus ab. Sie dankte mir und gab mir eine Birne aus ihrer Tasche. Sie lächelte und winkte mir zu – ich hätte sie dafür küssen mögen. Dann fuhr ich weiter nach Ranong.

John Edmonds,
Phuket


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