Geschichtliche Streiflichter

Die Thailändische Nationalbibliothek

Duncan Stearn

Die Nationalbibliothek Thailands hat die älteste, größte und umfassendste Sammlung von Schriftstücken im Land und wurde am 12. Oktober 1905 von König Chulalongkorn (Rama V.) gegründet. Ursprünglich auf dem Gelände des königlichen Palastes in Bangkok untergebracht, wurde sie aus drei Bibliotheken zusammengelegt und von einem vom König ernannten Komitee verwaltet. 1915 wurde sie vom königlichen Palast in das Thavaravathu Gebäude verlegt. Der Direktor war der ehemalige Innenminister Prinz Damrong Rajanubhab. König Prajadhipok (Rama VII.) übergab 1925 der Nationalbibliothek die Manuskripte und Bücher aus der Privatsammlung König Vajiravudhs (Rama VI.; 1910-1925). Dieser Teil der Bibliothek, wird Vajiravudh Bibliothek genannt. Unter dem Namen „Ho Phra Samut Samrap Phra Nakhon" wurde sie im Juni 1932 Nationalbibliothek.

Unter den Schätzen und Artefakten der Nationalbibliothek sind steinerne Inschriften aus dem 6. Jahrhundert, thailändische Werke wie Gebetbücher und religiöse Schriften. Es gibt historische Aufzeichnungen, Literatur-, Gesetz- und medizinische Schriftstücke in Thai und Pali auf Palmblättern. Ferner sind alte westliche und thailändische Papiermanuskripte sowie prachtvolle Lack- und vergoldete Bücherschränke vorhanden. Die Sammlung umfasst Bücher und Zeitschriften, die in Thailand seit 1836 veröffentlicht wurden.

Im Jahre 1947 wurde die Damrong Rajanubhab Gedenkbibliothek eröffnet, die eine Privatsammlung von Büchern und persönlichen Gegenständen Prinz Damrong Rajanubhabs beherbergt. Im Mai 1966 wurde die Bibliothek vom Thavaravathu Gebäude in ein neues Gebäude an der Samsen Road verlegt. Die 1975 eröffnete Vajiranana Bibliothek umfasst vergoldete Bücherschränke, während das Naradhip Forschungszentrum für Sozialwissenschaften die Privatsammlung von Prinz Wan Waithayakon besitzt. Die Bibliothek wurde im Jahre 1979 ihrem Zweck übergeben.

Die Nationalbibliothek sammelt ausländische Veröffentlichungen, ist ein Verwahrungsort für Publikationen der Vereinten Nationen und besitzt audiovisuelles Material wie Dias, Filme, Videos, Musik, Partituren, Tonbandkassetten, Mikrofilme, Landkarten und Plakate. Bis 1999 hatte die Bibliothek über 92.000 seltene Bücher sowie 125.000 Manuskripte neben Zeitschriften und Zeitungen gesammelt.

Filialen der Nationalbibliothek gibt es in Singburi, Lumphun, Nakhon Si Thammarat, drei Bibliotheken in Songkhla, Chonburi, Buriram, Nakhon Ratchasima, Chiang Mai, Phuket, Nakhon Phanom, Kanchanaburi und Suphan Buri.

Die Bibliothek ist nicht nur Sammel- und Aufbewahrungsstätte, sie bereitet auch Mittel auf Verweise vor, stellt auf Anfrage Verzeichnisse und Biografien zusammen, liest und entziffert alte orientalische Schriften und ist aktiv an Programmen zur Ausweitung der Leserschaft in Thailand beteiligt.

Die Nationalbibliothek unterstützte die thailändische Bibliothekenvereinigung 1978 und 1993 in der Organisation der Kongresse südostasiatischer Bibliothekare in Bangkok. Zur Zeit wird die Nationalbibliothek von der Behörde der feinen Künste verwaltet, einer Abteilung des Erziehungsministeriums.