Das Leiden darf nicht vergessen werden

Franz Schmid

In der letzten Woche konnte Thailand hochrangigen Besuch aus dem Ausland begrüßen. Das schwedische Königspaar und die ehemaligen US-amerikanischen Präsidenten George H. W. Bush und Bill Clinton weilten in den vom Tsunami betroffenen Gebieten Südwestthailands, um sich über den Stand der Aufräum- und Identifizierungsarbeiten zu informieren. Die Flutwelle war die größte Naturkatastrophe zu unseren Lebzeiten.

Das schwedische Königspaar und die zwei ehemaligen Präsidenten kamen mit unterschiedlichen Anliegen. Königin Silvia und König Carl XVI. Gustaf wollten sich in erster Linie für die großartige Arbeit bedanken, die thailändische Hilfsorganisationen und die Armee für die Skandinavier leisteten, die Opfer der Tsunami-Tragödie wurden. Es war dem Königspaar anzumerken, wie sie das schreckliche Geschehen zutiefst berührte. Beim Niederlegen eines Kranzes nach einem Gedenkgottesdienst brach die Königin in Tränen aus. Nichts konnte das große Zusammengehörigkeitsgefühl der schwedischen Nation besser zeigen als dieser Gefühlsausbruch. Schweden hat mehr Staatsbürger als jede andere europäische Nation in der Flutwelle verloren.

Auch die beiden ehemaligen Präsidenten Bush und Clinton wurden vor Ort von den vergangenen Ereignissen innerlich überwältigt. Als George H. W. Bush ein kleines Mädchen vorgestellt wurde, dass im Tsunami seine Eltern verloren hatte, sagte er: „Ich muss meine Tränen zurückhalten, wenn ich dieses Mädchen ansehe. Die Politik muss dabei hintan stehen." So war es auch.

Die beiden ehemaligen Präsidenten wurden vom derzeitigen amerikanischen Präsidenten zu Verwaltern der amerikanischen Spenden für die Flutopfer ernannt. Es ist ein ungewöhnliches Paar. Die einzige Gemeinsamkeit der beiden war bisher, dass sie dem exklusivsten Klub der Welt angehören, nämlich dem Klub der ehemaligen amerikanischen Präsidenten. George H. W. Bush unterlag in seinem letzten Wahlkampf seinem demokratischen Gegenspieler Bill Clinton. Bill Clintons Nachfolger Al Gore unterlag dem Sohn des ehemaligen Präsidenten in einem bis heute umstrittenen Wahlgang.

Bill Clinton sieht in der Tragödie auch eine Chance. Die Flutwelle hat ohne Ansehen der Person, Religion, Nationalität und gesellschaftlichem Status Opfer gefordert. „Das ist die Gelegenheit zur Aussöhnung der Religionen", sagte Clinton in einem Radiointerview. „Die Tragödie wird die religiöse Einheit in Asien stärken und zu einer Verringerung des Terrorismus führen", ergänzte er.

Wie eine solche Katastrophe über Länder- und Religionsgrenzen hinweg wieder die wahren Werte des menschlichen Füreinander zu Tage fördert, ist neben den Spenden arabischer Regierungen an der großen Anzahl privater arabischer Spender für amerikanische Hilfsprojekte zu sehen.

Zu dem außergewöhnlich hohem und überwältigendem Spendenaufkommen aus aller Welt sagte Bush im selben Interview: „Man soll nicht nur über die Millionen Dollar von großen Firmen sprechen. Die herzergreifenden Geschichten kommen von kleinen Leuten, die von ihrem schmalen Einkommen fünf, zehn oder zwei Dollar spendeten."

Die Katastrophe hat ehemalige politische Gegner zusammengebracht, gemeinsam wollen sie helfen. Daran können sich viele ein Beispiel nehmen. Wenn die Flutkatastrophe wirklich zu dem führt, was Clinton sagte, nämlich zu einem besseren Verständnis untereinander und zu einer Reduzierung des Terrors, dann wäre dies die andere, die „gute" Seite des dämonischen Geschehens. Aber wichtig ist, dass niemand die Katastrophe vergisst und zur Tagesordnung übergeht. Wir dürfen das Leiden niemals vergessen!