Um eine allgemeinen Information über eine Nation oder eine
historische Persönlichkeit zu erhalten, schlägt man normalerweise in einer
Enzyklopädie nach. Diese Einträge sind meist kurz und allgemein gehalten. Die
erhaltene Information kann aufschlussreich sein, aber auch zu einer
Stereotypisierung einer Nation und seiner Bürger führen.
Zu Anfang des 20. Jahrhunderts war Thailand, damals Siam, der
Mehrheit der Menschen in der westlichen Welt unbekannt. Es wurde als exotisches
Land angesehen. Die folgenden Informationen, veröffentlicht in der Katholischen
Enzyklopädie im Jahre 1912 über Thailand, sind heutzutage sehr interessant zu
lesen.
Bezugnehmend auf eine kleine, aber erlesene Bibliographie,
die eine Arbeit aus dem Jahre 1904 mit dem Titel „Der König von Siam"
(Carter); „Siam" von Hesse Wartegg, 1899 veröffentlicht; und
französische Veröffentlichungen von 1853 bis 1894 beinhaltet, beginnt die
Katholische Enzyklopädie wie folgt: „Siam, ,das Land des weißen Elefanten‘
oder das Land Muang Thai (die Freien) liegt in der südöstlichen Ecke Asiens.
Es wird im Norden von Tong-king und den südlichen Staaten Burmas, im Osten von
Annam und Kambodscha, im Süden vom Siamesischen Golf und der malaiischen
Halbinsel und im Westen vom Indischen Ozean begrenzt, und ist daher ein
Pufferstaat zwischen den französischen und britischen Kolonien."
Die Bezugnahme auf „Tong-king" und „Annam" sind
technisch irreführend. Tong-king war der nördliche Staat Vietnams und wurde
von Frankreich im Jahre 1883 annektiert. Annam war der Zentralstaat Vietnams und
wurde von Frankreich ebenfalls im Jahre 1883 annektiert. Weder Annam noch
Tong-king teilten jemals eine Grenze mit Thailand. Ton-kings grenzte östlich an
Laos, Annam teilte seine östliche Grenze mit Laos und Kambodscha. Die
Enzyklopädie hätte bei den nördlichen und westlichen Grenzen Thailands
vermerken sollen, dass sie an Französisch Indochina verliefen.
Wie die südlichen Staaten Burmas es fertig brachten, ein
Teil der nördlichen Grenzen Thailands zu werden, widerspricht der
Erdanziehungskraft.
Die Enzyklopädie fährt fort: „Von Norden nach Süden hat
Siam eine Länge von 1.130 und eine Breite von 508 Meilen, insgesamt eine
Fläche von 242.580 Quadratmeilen... Siam ist in 41 Provinzen aufgeteilt. Die
Bevölkerungsanzahl beträgt zwischen sechs und neun Millionen Einwohner. Ein
Drittel davon sind Siamesen, ein Viertel Chinesen oder chinesischer Abstammung,
der Rest sind Burmesen, Kambodschaner, Laoten, Malaien, Pegus, Tamilen und
Europäern.
„Die Siamesen sind höfliche, gastfreundliche,
zuvorkommende, unbeschwerte, Vergnügen und Feste liebende Leute. Sie sind
tüchtige Gold- und Silberschmiede, besitzen einen hervorragenden Kunstgeschmack
und haben Fähigkeiten als Maler, Dekorateure, in der Holzschnitzkunst,
Bildhauerei, Gipsverarbeitung und Mosaiktechnik."
Eine interessante Stelle in diesem Artikel war: „Allerdings
sind sie nicht versessen auf Arbeit, und das ist für sie auch nicht notwendig,
denn sie haben geringe Ansprüche an Unterkunft, Verpflegung, Feuer und
Kleidung. Mutter Erde beschert ihnen immerwährenden Sommer, einen fruchtbaren
Boden, große Reis- und Pfefferernten. Die Berge sind voll Teak- und gelbem
Holz, Buchsbäumen, Ebenhölzern, Sapan- und Padubäumen. Der
Hauptwirtschaftszweig ist die Seide, welche auf dem Fluss Chao Phrya und seinen
unzähligen Nebenflüssen und Kanälen transportiert wird."
Eine moderne Enzyklopädie würde nicht so politisch
inkorrekt und dreist genug sein zu schreiben, die Thais seien „nicht versessen
auf Arbeit".