Auszüge aus der Antritts-Ansprache des Papstes vom 24. April 2005

„Während der letzten Wochen hörten wir dreimal die Litanei der Heiligen: Beim Begräbnis unseres Heiligen Vater Johannes Paul II, als die Kardinäle zur Konklave schritten und heute wieder, als ich zum Nachfolger vom Heiligen Petrus eingesetzt wurde. Jedes Mal fand ich großen Trost darin.

Nun, in diesem Moment, in dem ich schwacher Diener des Herrn diese schwere Bürde, die alle menschliche Kapazität überschreitet, übernehmen muss, frage ich mich, wie ich dies alles schaffen werde. Aber ich weiß, dass ich nicht alleine bin. Ich brauche nicht al-
leine zu tragen, was in Wahrheit ich alleine nicht schaffen würde. Mit Hilfe aller Heiligen, die mich beschützen und geleiten, mit Hilfe ihrer Gebete, meine Freunde, ihrer Geduld, ihrer Liebe und mit ihrem Glauben und ihrer Hoffnung, die mich begleiten werden, werde ich es schaffen.

Wir alle gehören der Gemeinschaft der Heiligen an, denn auch wir wurden im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft und erhalten Stärke aus dem Blut und Leib Christus, was uns wandelt und uns ihm gleich macht.

Unsere Kirche lebt! Während der Krankheit und Trauerfeierlichkeiten von Papst Johannes Paul II. wurde es auf wunderbare Weise bewiesen. Unsere Kirche ist jung! Sie beinhaltet in ihr selbst die Zukunft der Welt und zeigt uns den Weg in diese Zukunft. Unsere Kirche lebt! Wir sehen und erleben die Freude über die Auferstehung Christus, die er seinen Jüngern versprochen hat. Die Kirche lebt, denn Christus lebt, er ist wahrhaft auferstanden. Im Leiden, das wir im Gesicht unseres verstorbenen Heiligen Vaters sahen, erkannten wir das Geheimnis der Christus-Passion und wir berührten dadurch seine Wunden.

Dadurch wurde es uns möglich gemacht, gleichzeitig den Auferstandenen zu berührten. Es wurde uns möglich gemacht, nach einer kurzen Periode der Dunkelheit, die Früchte der Auferstehung zu genießen. Die Kirche lebt durch diese Worte und ich grüße freudig alle, die sich hier versammelt haben, meine Brüder Kardinäle und Bischöfe, meine lieben Priester, die Kirchenarbeiter, Katechisten.

Ich grüße euch, ihr gläubigen Männer und Frauen, die Ihr Zeugen seid der Gegenwart Gottes. Ich grüße euch, ihr Gläubigen, die ihr die große Verantwortung habt, das Königreich Gottes zu bauen und es in der Welt zu verbreiten. Ich grüße auch alle jene, die im Sakrament der Taufe wiedergeboren sind, aber noch nicht komplett Eins sind mit uns. Ich grüße meine jüdischen Brüder und Schwestern, mit denen wir vereint sind im großen spirituellen Erbe. Endlich, wie eine gewaltige Woge, gehen meine Gedanken auch an all die Männer und Frauen, Gläubige und Nichtgläubige gleichermaßen.

Mein wirkliches Programm besteht darin, nicht meinen eigenen Willen zu verkünden, sondern mit der ganzen Kirche den Worten und dem Willen des Herrn zuzuhören, durch ihn geleitet zu werden, damit er selbst die Kirche in dieser historischen Stunde leiten wird.

Die Geschichte des verlorenen Schafes, das der gute Hirte in der Wüste sucht, ist das Image von Christus und der Kirche. Jeder Mensch ist wie das verlorene Schaf in der Wüste, das seinen Weg nach Hause nicht mehr findet.

Aber Gottes Sohn wird dies nicht zulassen. Er lässt die Menschheit nicht im Stich in so einer schwierigen Lage. Er verlässt die Glorie des Himmels, um sich auf die Suche nach dem verlorenen Schaf zu machen, er geht den Weg bis zum Kreuz. Er trägt das verlorene Schaf auf seiner Schulter und trägt so unsere Menschlichkeit. Er trägt alles für uns, er ist der gute Hirte, der sein Leben für seine Schafe gibt.

Das Palladium zeigt uns, dass wir alle von Christus getragen werden, aber es lädt uns auch ein, uns gegenseitig zu stützen und zu tragen.

Es gibt so viele verschiedene Arten der Wüste im Leben. Da ist die Wüste der Armut, der Einsamkeit, der zerstörten Liebe, des Hungers, der Verlassenheit. Es gibt die Wüste der Gottesfinsternis, die Einsamkeit der Herzen, die nicht länger wissen, was ihr Lebensziel oder Ehre sind. Die äußeren Wüsten vermehren sich, da die inneren Wüsten überhand genommen haben. Die weltlichen Werte dienen nicht mehr Gottes Garten, damit alle darin leben können, sondern werden eingesetzt, um der Macht der Ausnutzung, der Ausbeutung und der Zerstörung zu dienen.

Die Kirche als Ganzheit und alle ihre Priester müssen die Menschen aus diesen Wüsten führen, zu den Plätzen des Lebens, zur Freundschaft mit dem Sohn Gottes, zu dem Einen, der uns das Leben und das Leben in Überfülle schenkte."