Franz
Schmid
Die sieben führenden Industriestaaten sowie Russland
(G-8) haben sich auf einen Schuldenerlass für die ärmsten Länder der Welt
geeinigt. Dieser Schuldenerlass wird als „historisch" deklariert.
Von diesem Beschluss profitieren unter anderem die
afrikanischen Länder Äthiopien, Benin, Burkina Faso, Ghana und Mali, sowie
die lateinamerikanischen Staaten Bolivien und Guyana. Weitere 20 Länder
könnten in das Programm der „Heavily Indebted Poor Countries
Initiative" (HIPC-Initiative) einbezogen werden, wenn sie die
Korruption bekämpfen und gute Regierungsarbeit leisten. Die begünstigten
Länder müssten allerdings das gesparte Geld in Bildung,
Gesundheitsversorgung und den Ausbau der Infrastruktur investieren.
Die Not des afrikanischen Kontinents ist größer als die
jeder anderen Weltregion. Wird die Entscheidung im allgemeinen von der
Weltöffentlichkeit begrüßt, verbleiben doch Zweifel an der Wirksamkeit,
denn Schuldenerlasse sind nicht neu.
Zum Beispiel hat Deutschland Äthiopien vor sechs Monaten
bereits Schulden erlassen. Das Land leistet sich jedoch eine der teuersten
Armeen des Kontinents. Die Regierung Äthiopiens stellt Oppositionspolitiker
unter Hausarrest und schließt unliebsame Radiosender. An der Haltung der
Regierenden änderte sich dadurch nichts.
Deutschland fror Anfang des Jahres fünf Millionen Euro
Entwicklungshilfe für Kenia ein, da sich die neue Reformregierung als
genauso korrupt wie das alte Regime erwies. Dies ließ die Regierung
unbeeindruckt.
In anderen afrikanischen Staaten lassen sich die
Potentaten, ungerührt vom hungernden Volk und steigender Anzahl an
AIDS-Toten, in Rolls Royce-, Maybach oder Mercedes-Limousinen durch die
Gegend kutschieren.
Internationale Hilfsorganisationen geben zu bedenken,
dass die Beschränkung auf ausgewählte Staaten Probleme mit sich bringt.
Mindestens 62 Länder bräuchten einen vollständigen Schuldenerlass, um -
wie von den Vereinten Nationen angestrebt - bis zum Jahr 2015 Krankheiten,
Armut und Hunger zu halbieren.
Korruption, Geldmissbrauch und Chaos sind in Afrika
täglich allgegenwärtig. Vor einiger Zeit traten Pflegepersonal und Ärzte
in einem Krankenhaus in Kenia aufgrund der hohen Inflationsrate für eine
600-prozentige Lohnerhöhung in den Streik, eine schwangere Frau ist
daraufhin auf dem Krankenhausflur verblutet. Dagegen kann es sich die
Tochter des ugandischen Staatschefs leisten, sich im Präsidenten-Jet in
eine Privatklinik nach England zur Entbindung fliegen zu lassen.
Die Ziele des Beschlusses der G-8 sind sicher ehrenwert:
Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Freiheit und Menschenrechte sollen belohnt
werden. Doch die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass diese Ziele genauso
scheitern wie die entwicklungspolitischen Konzepte in der Vergangenheit. Es
hat den Anschein, dass mit uralten Rezepten und neuen Therapie dem
Pflegefall Afrika geholfen werden soll. Die Losung „Afrikanische Lösungen
für afrikanische Probleme" des Weltwirtschaftsgipfels in Genua ist das
Papier nicht wert, auf dem es geschrieben steht. Die Zusammenarbeit in der
Entwicklungshilfe der letzten 40 Jahre bleibt eine Geschichte des Versagens
und Scheiterns. Wo die Not am größten war oder ist, guckt die
Staatengemeinschaft weg. Sei es beim Völkermord in Ruanda oder beim
Massensterben im Sudan. Auch Ruanda ist ein Schwerpunkt deutscher
Entwicklungshilfe. Das Land plündert seit Jahren sein Nachbarland, die
Demokratische Republik Kongo, mit Hilfe brutaler Stammesmilizen aus. Man hat
es vor allem auf Diamanten, Gold und andere Rohstoffe abgesehen.
Ist es tatsächlich ein realistisches Angebot, die
Schulden zu erlassen, wenn daran die Bedingung von Reformen und
Korruptionsbekämpfung geknüpft ist? Jahrelang wurden korrupte Regime
geduldet und unterstützt. Die Geberländer werden nun die Geister, die sie
riefen, nicht los. Es gibt zwar kleinere Erfolge im Kampf gegen
Unterernährung und Hunger, aber insgesamt gesehen hat sich die Lage gerade
in Afrika weiter verschlechtert. In Asien gibt es heute weniger als extrem
arm geltende Menschen als noch vor zehn Jahren. Nach UN-Kriterien gelten
Menschen als extrem arm, wenn sie pro Tag nicht mehr als einen Dollar zur
Verfügung haben. In Asien spielt bei der Beseitigung der Not der
Wirtschaftsaufschwung verschiedener Länder eine große Rolle.
Politiker verweisen darauf, dass bisherige Erfahrungen
mit der Entschuldung von Entwicklungsländern verheerend gewesen seien. Als
eklatantes Beispiel wird vor allem immer wieder Bolivien genannt, das nun
noch höher verschuldet ist als vor der vor Jahren vorgenommenen
Entschuldung.
Länder wie China und Indien bekommen immer noch
Entwicklungs- bzw. Wirtschaftshilfe, obwohl sie in einigen
Technologiebereichen, etwa dem Nuklearsektor bereits zur Weltspitze zählen.
Es wäre wirklich ein Wunder, wenn das gesparte Geld
wirklich bei der notleidenden Bevölkerung der betreffenden Staaten ankommt.
Wahrscheinlicher ist aber, dass der Beschluss der G-8 eine Fensterrede
bleibt, wie alle anderen Beschlüsse und Konzepte in der Vergangenheit auch.