Franz
Schmid
Der von der Kommission des früheren US-Notenbankchefs
Paul Volcker vorgelegte Abschlussbericht über das „Öl für
Lebensmittel"-Hilfsprogramm der UN brachte eigentlich nichts Neues,
interessant waren nur die Einzelheiten: Rund 2.200 Unternehmen haben im
Rahmen des Hilfsprogramms Schmiergelder und verbotene Zuschläge an die
damalige irakische Regierung von Saddam Hussein gezahlt.
Das „Öl für Lebensmittel"-Programm (von 1996 bis
2003) mit einem Gesamtwert von 64 Milliarden Dollar wurde von zahlreichen
Korruptionsfällen begleitet. Das Hilfsprogramm sollte es dem Regime von
Saddam Hussein ermöglichen, trotz der nach dem Golfkrieg 1991 verhängten
Sanktionen begrenzte Mengen Öl zu exportieren, um Medikamente und
Lebensmittel für die Bevölkerung zu erwerben.
Einzelpersonen und Unternehmen aus über fünf Dutzend
Ländern hätten Saddam Hussein Schmiergelder zukommen lassen, heißt es in
dem Bericht. Firmen und Personen aus 40 Ländern zahlten unzulässige
Aufpreise für Ölexporte. Ein besonders krasses Beispiel: Der frühere
französische UN-Botschafter Jean-Bernard Merrimee soll 166.000 Dollar
Kommission von Saddam Hussein eingestrichen haben.
„Während er als Sonderberater des UN-Generalsekretärs
fungierte, begann Merrimee, Öl aus dem Irak entgegenzunehmen", steht
in dem Bericht. Es habe sich insgesamt um sechs Millionen Barrel gehandelt.
Gegen den Ex-Diplomaten wird bereits von den französischen Behörden
ermittelt.
Insgesamt seien illegale Zuwendungen in Höhe von 1,8
Milliarden Dollar geflossen. Die Liste der Firmen, die sich an diesen
Schmiergeldtransaktionen beteiligten, führt praktisch alle Firmen auf, die
weltweit tätig sind und Rang und Namen haben. Große Autokonzerne,
Pharmafirmen und Banken finden sich ebenso wie internationale Broker und
Schifffahrtsgesellschaften. Die Gelder wurden teilweise dazu verwendet, um
Dutzende von Personen zu bestechen, damit diese gegen die verhängten
Sanktionen medienwirksam opponierten.
Die Korruption ist weltweit eine Plage. Nach Angaben der
Weltbank müssen alle Menschen rund 7 Prozent ihrer Wirtschaftsleistungen
für Korruption erarbeiten. Bei Untersuchungen unabhängiger Experten über
Korruption kommen auch in Deutschland die Firmen schlecht weg. Britta
Bannenberg, Bielefelder Kriminologie-Professorin über Korruption, kommt zu
dem Schluss: „Bei neun von zehn Unternehmen werden Sie fündig, in mehr
oder weniger großem Umfang".
Korruption gibt es in allen Gesellschaftsbereichen: bei
Gerichten, in Regierungen, in den gesetzgebenden Körperschaften
(Ämterkauf), bei Wählern (Stimmenkauf), in der Privatwirtschaft, in
Gewerkschaften und Verbänden sowie in Kirchen und Vereinen.
Eine geringe Beachtung findet leider die so genannte „legale
Korruption". Hier haftet der Korruption ein durchaus gesetzmäßiges
Vorgehen an. Aufgrund der politischen Position wird die persönliche
Bereicherung durch Gesetze oder Verordnungen legalisiert. Einfachstes
Beispiel dafür sind die häufig als ungerechtfertigt angesehenen
überhöhten Bezüge von Spitzenmanagern oder Politikern. Natürlich können
diese nicht durch die Begünstigten festgesetzt werden, sondern nur durch
Beschlüsse dazu autorisierter Gremien (Parlamente, Parteivorstände,
Aufsichtsräte usw.), die sich aber stets aus einem Personenkreis
zusammensetzen, der zumindest die Hoffnung hegt, selbst auch einmal in den
Genuss der beschlossenen Regelungen zu kommen, oder selbst daran unmittelbar
teilnimmt.
Die Korruption hat viele Gesichter. Sie geschieht in
aktiver Form oder in passiver Form (Vorteilsannahme, Bestechlichkeit).
Allerdings fordert der „Vorteilsnehmer" meist auch einen Vorteil ein;
wird also von sich aus aktiv. Das kann bis zur Erpressung gehen. Potentielle
Auftragnehmer werden vor die Alternative gestellt: Ohne Bakschisch kein
Auftrag! So wohl auch in dem vorgelegten Bericht Paul Volckers. Die
Korruption auszurotten, ist zwar ein ehrenwertes Ziel, doch von Erfolg wird
das nicht gekrönt sein. Der spanische Dichter José Ortega y Gasset bemerkt
dazu schelmisch: „Ich zweifle nicht, dass wir an einer reichlichen Dosis
Korruption leiden; aber ich zweifle ebenso wenig, dass ein Volk, dem sonst
nichts fehlt, weiterleben und sogar recht gut gedeihen kann."