Menschliches Versagen

Franz Schmid
In der letzten Woche berichteten wir über den tragischen Unfall einer deutschen Familie. Dabei kamen drei Familienmitglieder und der Fahrer des Mietwagens ums Leben. Der Fahrer des Taxis war augenscheinlich übermüdet, vermutet die Polizei.
Bei Unfällen dieser Art werden sofort Rufe nach besseren Maßnahmen und Gesetzen zur Sicherheit im Straßenverkehr laut.
Manch einer mag es nicht glauben, aber es gibt in Thailand tatsächlich Verkehrsregeln. Diese Regeln entsprechen dem internationalen Abkommen der Wiener Konvention über den Straßenverkehr von 1968. Dieses Abkommen hat auch Thailand unterzeichnet. Doch wie bei anderen Gesetzen und Vorschriften auch, gibt es niemanden, der diese durchsetzt. Zum Beispiel gelten landesweit Vorschriften zur Höchstgeschwindigkeit. Die beträgt für Pkws und Motorräder 90 km/h, für Pickups, Busse, Lkw ohne Anhänger 80 km/h und für Lkw mit Anhänger 60 km/h.
Doch wie man sich täglich auf den Straßen überzeugen kann, werden diese Vorschriften kaum beachtet. Dies resultiert in einer ungewöhnlich hohen Zahl von Verkehrsunfällen und Verkehrstoten. Thailand gehört zu den Spitzenländern bei einer traurigen Statistik. Pro 100.000 Einwohner gab es im letzten Jahr in Thailand 28 Verkehrstote. Großbritannien hat eine vergleichbare Einwohnerzahl, dort gab es nur sechs Tote pro 100.000 Einwohner.
Die Verkehrsdisziplin lässt zu wünschen übrig. Andere Faktoren kommen hinzu. Viele Fahrer haben überhaupt keinen Führerschein. Bei einer Verkehrskontrolle wird dieser durch einen 500-Baht-Schein ersetzt. Die Erteilung eines Führerscheins setzt eigentlich eine theoretische Prüfung voraus, aber gegen einen kleinen Unkostenbeitrag für die Kaffeekasse findet sich auf jedem Straßenverkehrsamt jemand, der beim Ausfüllen des Fragebogens behilflich ist. Da sind die richtigen Antworten schnell gefunden. Je nach Ort der Abnahme der praktischen Prüfung reicht diese von einer Acht auf dem Parkplatz fahren bis zum Einparken in einer mit Bambusstangen markierten Parklücke. Im täglichen Straßenverkehr wird die Existenz der anderen Verkehrsteilnehmer nur als lästige Tatsache wahrgenommen, die ärgerlich und störend ist.
Doch bei dem oben erwähnten Unfall war menschliches Versagen die Ursache. Der Fahrer war am Steuer eingeschlafen. Gegen Übermüdung kann es keine gesetzlichen Regeln geben. Die Fahrer stehen unter Leistungsdruck. Die Mehrzahl der Fahrer von Taxen oder Minibussen sind bei Mietauto-Unternehmen beschäftigt; die wenigsten sind selbständig.
Die Firmen teilen dann die Fahrer oftmals zu 12-Stunden-Schichten oder mehr ein. Das Auto muss fahren, es muss sich amortisieren. Auf die Gesundheit oder das Leistungsvermögen der Fahrer wird keine Rücksicht genommen. Leider enden viel zu viele Fahrten aus diesem Grund mit einem tödlichem Ausgang. Im Falle der deutschen Familie ging die Meldung durch die internationale und einheimische Presse. Das ist jedoch bei weitem nicht der Fall, wenn es sich bei den Toten um thailändische Staatsbürger handelt.
Der Staat ist hier gefordert. Es gibt in Thailand auch Vorschriften über Arbeitszeiten. Dabei ist die Höchstarbeitszeit auf 8 Stunden pro Tag und 48 Stunden in der Woche festgelegt. Umgesetzt wird diese Regelung jedoch meist nur in großen Firmen. Ein unselbständiger Fahrer wird dieses niemals vor einem Arbeitsgericht einklagen. Er wäre mit Sicherheit seinen Arbeitsplatz los.
Auch nach diesem tragischen Unfall wird sich auf den Straßen nichts ändern. Die Teilnahme am Straßenverkehr bleibt ein Glücksspiel, bei dem es jedermann gestattet ist, die Regeln nach Gutdünken auszulegen.