Daniel Corrodi
Mittlerweile gehört auch mein Winterexil hier im „Lande des Lächelns“
bereits der Vergangenheit an. Über die Echos, die ich auf meinen letzten
Bericht erhalten hatte, freute ich mich sehr – nochmals herzlichen Dank!
Diese Echos brachten ein Lächeln auf meine Lippen – wie man es eben in
Thailand so gewöhnt ist.
Ja, gelächelt wird hier erfreulich viel. Aber was steckt dahinter? Jedes
Mal, wenn ich hier bin, muss ich dazu lernen. „Mai pen laii“ – „ macht
doch nichts“ – ist eine der häufigsten Redewendungen.
Ein Caddy auf dem Golfplatz erzählte mir, dass ihr Mann kürzlich bei einem
Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist. Mit einigen Anteil nehmenden Worten
wollte ich ihr mein Mitgefühl zeigen, doch die Antwort darauf war: „Mai
pen lai!“
Wenn man hier traurig ist, soll man das ja nicht zeigen, schon gar nicht
verbal kommunizieren. Man will Gelassenheit demonstrieren und deshalb nur
ein Lächeln zeigen – warum soll der Andere auch noch traurig sein, wenn
man selbst im Innersten schon traurig ist?
Wir im Westen haben gelernt, dass geteiltes Leid halbes Leid ist – über
die innersten Sorgen mit guten Freunden zu sprechen bringt Erleichterung –
das darf und durfte ich immer wieder erleben. Machen wir uns aber genügend
Gedanken darüber, dass bei einer echten Anteilnahme unser Gesprächspartner
auch belastet wird, oder gehen wir einfach davon aus, dass dies zur
christlichen Nächstenliebe gehört?
Ich fühle es so: Gute Freunde wollen mittragen und nehmen eine zusätzliche
Belastung gerne in Kauf, so ganz nach dem Lied, das wir im Militär
gesungen haben: „Drücken dich die Sorgen, lieber Kamerad, so leg’ sie auf
die Schulter mir, heute und auch morgen, trag’ ich sie mit dir“.
Verpassen die fernöstlichen Menschen etwas, wenn sie, selbst mit Freunden,
nicht über ihre Gefühlslage sprechen? Nach fernöstlichen Massstäben sicher
nicht – nach meinen Erfahrungen sehr viel.
Lernen möchte ich aber aus diesem Unterschied zwischen uns und Fernost,
dass ich mir mehr überlege, wem ich meine Sorgen anvertrauen will. Hat er
sonst schon genügend eigene Probleme „auf dem Buckel“, sollte ich dann,
aus echter Freundschaft, darauf verzichten, ihn zusätzlich mit meinen
Sorgen zu belasten?
Ich finde, dies ist ein Thema, das uns alle zum Nachdenken anregen sollte.