Dr. Ioan Voicu
Die Entwicklung einer Nation mit wirklich erhaltbaren Mitteln und Wegen ist
nicht möglich, wenn die treibenden Kräfte der eigenen Kultur nicht anerkannt
werden, meint Ioan Voicu, Gastdozent an der Assumption-Universität in Bangkok,
der Verfasser dieses Artikels.
Regierungen und internationale Firmen tragen zur Kreation einer globalen Kultur
bei, die auf weltweiten, kommerziellen Märkten basiert. Daraus resultiert eine
kolossale Herausforderung für die kulturelle Vielfalt im Hinblick auf bestehende
Missverhältnisse zwischen armen und reichen Ländern.
Während des momentanen, irreversiblen Prozesses der Globalisation werden
Kulturen mehr und mehr von kommerziellen Interessen in einem vormals nicht
vorstellbaren Ausmaß geformt. Kulturen entziehen sich nationalen Grenzen.
Menschen aus der ganzen Welt haben regelmäßigen Kontakt zu ausländischen,
kulturellen Exporten, wie z. B. technologische Produkte, Filme, Musik und Essen,
hergestellt in der Massenproduktion.
Bei diesem Kontext wird die starke Befürchtung hervorgerufen, dass die mächtigen
Länder dieser Welt die Kulturen der weniger machtvollen Nationen zu stark
beeinflussen und dies zu einer kulturellen Hegemonie führen kann. Viele
Staatsmänner und -frauen widersetzen sich öffentlich den Versuchen, kleinere
Gesellschaften rein westliche Kulturen adoptieren zu lassen. Ihre Motivation ist
überzeugend. Mahatma Gandhi sagte: „Keine Kultur kann leben, wenn sie versucht,
exklusiv zu sein.“
„Kultur ist die Summe aller Formen der Kunst, der Liebe und der Gedanken, die es
den Menschen im Laufe der Jahrhunderte ermöglicht haben, weniger versklavt zu
sein“, beteuerte der französische Schriftsteller Andre Malraux. Die Kultur ist
in der Tat ein zentraler Faktor und oft maßgebend für unser Denken und Handeln.
Sie repräsentiert unser spirituelles Umfeld und die Wege unserer Anpassung an
dieses. Es ist das Universum, das wir selbst geschaffen haben und es ist unsere
Art, dieses zu erleben.
Dieses Universum liefert die Gründe, die uns zur Änderung desselben bewegen. Es
ist das, was wir unter Wechselseitigkeit verstehen. Es bestimmt sogar unser Netz
der persönlichen Beziehungen. Auf der kollektiven Ebene beinhaltet es das
gesamte Aufgebot an Eindrücken und Überzeugungen, die den Menschen ein
friedliches Zusammenleben erlauben. Dies hat kraftvolle internationale
Auswirkungen.
Die wissenschaftliche und kulturelle Abteilung der Vereinten Nationen, die
Unesco, verabschiedete am 20. Oktober 2005 die Konvention zum Schutz und zur
Förderung der Vielfalt des kulturellen Ausdrucks. Es ist das erste
internationale gesetzliche Instrument, das Richtlinien zur kulturellen Vielfalt
auf der globalen Ebene beinhaltet. Es definiert das Konzept der kulturellen
Vielfalt als Hinweis auf die vielen Wege, in welchen die Kulturen der Gruppen
und Gesellschaft ihren Ausdruck finden, der dann wiederum in und unter den
Gruppen und Gesellschaften weitergegeben wird. Die Definition legt fest, dass
die kulturelle Vielfalt nicht nur durch die verschiedenen Wege offenkundig
gemacht wird, in denen sich das kulturelle Erbe mit der Vielfalt des kulturellen
Ausdrucks ausdrückt, vergrößert und überträgt, sondern auch durch verschiedene
Arten künstlerischer Kreationen, Produktionen, Verbreitungen, Distributionen und
Vergnügungen, unabhängig davon, welche Mittel und Technologien dafür gebraucht
werden.
Ein strategisches Element
Die grundlegende Philosophie der Konvention ist auf überzeugende Art
in ihrem Vorwort erklärt, die damit beginnt, zu versichern, dass die kulturelle
Vielfalt eine definierende Charakteristik der Menschheit ist, ein gemeinsames
Erbe, welches zum Nutzen aller geschätzt und erhalten werden sollte. Die Gründe
für diese Ansicht sind gut ausgeführt.
Die kulturelle Vielfalt kreiert eine reiche und vielseitige Welt und erhöht
damit die Wahlmöglichkeiten und fördert menschliche Kapazitäten und Werte und
ist somit eine der Hauptquellen für anhaltende Entwicklung für Kommunen und
Nationen. Sie ist unabdingbar für Frieden und Sicherheit auf lokalen, nationalen
und internationalen Ebenen.
Die Kultur ist ein strategisches Element in der nationalen und internationalen
Entwicklungspolitik und Kooperation.
Ihre Vielfalt ist in der Einzigartigkeit und Vielzahl der Identitäten und
kulturellen Ausdrücke der Völker und Gesellschaften verkörpert. Diese Vielfalt
ist ein wichtiger Faktor, der sowohl Individuen als auch Völkern erlaubt, Ideen
und Werte auszudrücken und mit anderen zu teilen. Die sprachliche Vielfalt ist
eine fundamental wichtige Komponente der kulturellen Vielfalt. Die Bildung
spielt eine fundamental wichtige Rolle in ihrem Schutz und ihrer Förderung.
Bei den angegebenen Zielen der Konvention verdienen manche besondere Betonung,
wie z. B. diejenigen, die der Förderung des Interkulturalismusses dienen, zum
Bau von Brücken zwischen den Völkern und zur Festigung internationaler
Zusammenarbeit und Solidarität, zur Verbesserung der Kapazitäten sich
entwickelnder Länder zum Schutz und zur Bewerbung der Vielfalt des kulturellen
Ausdrucks.
Wenn die kulturelle Vielfalt als großer Pluspunkt sowohl für Individuen als auch
Gesellschaften anerkannt wird, sind ihr Schutz, ihre Förderung und Erhaltung
essentielle Voraussetzungen für anhaltende Entwicklung. In diesem Sinne handelt
ein eindeutiger Absatz von der Kooperation der aufrechterhaltbaren Entwicklung
und der Armutsreduktion in Entwicklungsländern, um so Entstehung eines
dynamischen kulturellen Sektors zu fördern.
Unter den anzuwendenden Mitteln sollte das Folgende nicht ungenannt bleiben: die
Kreation und Stärkung kultureller Produktion und der Verbreitungskapazitäten; wo
immer möglich, die Aufnahme von angemessenen Maßnahmen in entwickelten Ländern,
die Inanspruchnahme ihrer Hoheitsgebiete für die kulturellen Aktivitäten, Güter
und Dienstleistungen der Entwicklungsländer zu erleichtern; die Förderung
angemessener Zusammenarbeit zwischen entwickelten und entwickelnden Ländern in
den Gebieten Musik und Film.
Echte Entwicklung aufrecht zu erhalten ist nicht möglich, wenn die treibenden
Kräfte einer Kultur nicht anerkannt werden oder die Lebensarten, nationalen
Werte, Traditionen, der Glauben, das Wissen oder die Fähigkeiten der Völker
unterschätzt werden.
Im Ganzen gesehen repräsentiert die Konvention eine neue Plattform für die
Unterstützung der Kultur im weiteren und natürlichen Kontext der
aufrechterhaltbaren Entwicklung. In seinen 35 Artikeln füllt dieses Instrument
ein gesetzliches Vakuum durch die Schaffung von Rechten und Pflichten auf dem
nationalen und dem internationalen Level mit dem Ziel des Schutzes und der
Bewerbung kultureller Vielfalt.
Die nächste praktische Stufe ist, die Konvention in gutem Glauben anzuwenden.
Die Europäische Union, die große Beiträge zum Prozess der Verhandlungen,
Abschließung und Adoption dieses gesetzlichen Instruments hatte, wird wohl unter
den ersten Ratifizierern sein.