Straßenkinder-Poolparty –
eine Freude für alle Beteiligten
K. G. Weigelt
Fah (der Himmel), ein kleines, schmächtiges Mädchen von 12 Jahren, kommt auf
Egbert Scherer zu, schmiegt sich ohne Scheu an ihn und untersucht seine
Hemdtasche nach Süßigkeiten.
Fah
durchsucht ihren „Vater“ nach Süßigkeiten.
Als Father Ray vor sieben Jahren ein vorläufiges Resümee seiner Lebensarbeit
zog, wurde ihm bewußt, dass eine Gruppe der Gesellschaft zu den Vergessenen
gehörte – die Straßenkinder. Er hatte vor vielen Jahren einem Bauern ein
Grundstück abgekauft und baute darauf das Straßenkinderheim. Gebäude und
Einrichtungen wurden durch Rotarier, den PILC, den Jesters und andere
Organisationen gesponsert. Nun fokussierte er seine Arbeit auch auf jene
Kinder, die noch keinen Fürsprecher gefunden hatten. Entweder Waisenkinder
oder aber Kinder, die körperlicher und seelischer Misshandlungen entkommen
sind. Sie lagen auf den Straßen, kampierten am Strand, unter Büschen,
erbettelten und stahlen Wasser und Essen.
„Hallo,
kommt doch auch ins Wasser!“
Als Fah im letzten Jahr in Chonburi aufgegriffen und in ein Krankenhaus in
Sriracha eingeliefert wurde, war sie körperlich am Ende, halbverhungert,
apathisch, aber noch lebenshungrig genug, um weder Herkunftsort noch
Familiennamen zu nennen. Die Angst vor der einstigen kindlichen Hölle, die
Furcht vor Rückführung, ließen die Elfjährige ihre Identität verleugnen. Im
März vergangenen Jahres wurde sie, körperlich genesen, ins Straßenkinderheim
aufgenommen.
„Im
nächsten Jahr sehen wir uns wieder!“
Egbert Scherer und seine Frau Birgitt sind Mitglieder der IPA (International
Police Association) und kümmern sich seit Jahren um diese vergessenen Kinder
unter dem Wohlfahrtsdach der FRF. War die Gruppe vor sieben Jahren noch 30
Kinder stark, so sind es heute bereits über 220 Kinder, denen das Augenmerk
der Scherers gilt.
Als Fah in das Heim kam, wurde festgestellt, dass sie beidseitig schielte.
Ein befreundeter Arzt der Scherers klärte den Augenschaden kostenlos im
Pattaya-Bangkok-Hospital ab und diagnostizierte eine Bänderschwäche, die von
harten Schlägen auf den Kopf zurückging.
Die Scherers begannen ihre Goodwill-Tour zuhause in Deutschland bei Freunden
und Bekannten, setzten sie in Pattaya bei deutschsprachigen Expats fort, um
Fah und einem weiteren Mädchen des Straßenkinderheims eine Operation zu
ermöglichen. Ein Freund, ebenfalls Mitglied der IPA, trieb parallel dazu
Geld in den USA auf.
In der Zwischenzeit haben die Scherers die Identität von Fah klären können.
Sie stammt aus Udon Thani und kommt aus einer Familie mit schon klassischer
Konfliktkonstellation. Ihr Vater starb, als sie zwei Jahre alt war. Die
Mutter heiratete erneut und bekam zwei weitere Kinder, dem Stiefvater war
Fah immer ein Dorn im Auge. Fah entkam der jahrelangen Familienhölle durch
Flucht von Udon nach Chonburi. Sie, die mit elf Jahren erstmals eine Schule
besuchte, saugt lernbegierig eine neue, bessere Realität auf. Eine Rückkehr
zur Familie würde für sie die Höchststrafe bedeuten, dass der Schulbesuch
vorbei wäre, aber die körperlichen Züchtigungen wieder beginnen würden.
Am jährlichen Partytag der Scherers sieht man viele lachende Kinder.
Natürlich können die Scherers bei der großen Anzahl es nicht mehr allein
finanzieren. Das Rim Haat Jomtien Beach Condominium Management ist seit
Jahren Gastgeber der Kinder für diesen besonderen Tag. Es stellt das
Bedienungs- und einen Teil des Betreuungspersonals, liefert Getränke und Eis
kostenlos. 300 Hähnchenschenkel liefert die Boat-Bakery, die Scherers
finanzieren gebratenen Reis mit Meeresfrüchten, Huhn oder Schweinefleisch.
So wird der Tag am Pool zu einem Höhepunkt für diese einst dem Vergessen
anheim gegebenen Kinder. Plantschen, Spielen, Schwimmen, Tauchen und Duschen
sind angesagt.
Egbert Scherer sinniert oft über die Zukunft. Alle, auch Rentner mit
geringem Einkommen, könnten diesen Kindern helfen. Er macht sich auch Sorgen
über die ärztliche Versorgung der Kinder. Er denkt, dass Organisationen
einen Fond bei einem Krankenhaus auflegen sollten, in den regelmäßig Geld
für Behandlungskosten fließe. Durch den Fondcharakter werde Transparenz und
Kontrolle der Mittelverwendung garantiert. Noch ist es nur eine Idee, aber
Egbert Scherer möchte dies recht bald umsetzen.
Fah nennt die Scherers jetzt Vater und Mutter. Sie erinnert mit ihren
lebhaften Augen an ein Wortspiel von Jean Paul: „Kinder und Uhren dürfen
nicht beständig aufgezogen werden. Man muß sie auch gehen lassen.“ Bei der
Poolpartys der Scherers haben diese Kinder eine solche seltene Möglichkeit.
Auch für die Begleitpersonen
der Kinder ist es ein schöner Tag, um einmal auszuspannen.
Den ganzen Tag gibt es Spaß
und Spiel im kühlen Nass.
Die Poolparty im Rim Haat
Jomtien Beach Condominium ist für die Kinder ein ganz besonderer Tag.
Das Osterhasengeheimnis
Heidrun Gemähling
Es gab in einem großen tiefen dunklen Wald eine Osterhasenschule. Alle
kleinen Häschen besuchten sie jeden Tag und lernten Ostereier zu bemalen. Es
gab in dieser Schule viele kleine Tische, auf denen die Eier in einer
Halterung standen, damit sie nicht umgestoßen werden konnten, denn
zwischendurch tobten die Häschen wild umher. Nur eines nicht, das saß ganz
in der Ecke auf einer Kiste und schaute nur Tag für Tag dem ganzen Treiben
zu. Niemand wurde gezwungen ein Osterhase zu werden, denn das war eine Regel
der Osterhasenschule. Dieses kleine zuschauende Hasenkind spitzte die Ohren
nach allen Seiten, um irgendwie zu erfahren, woher denn die immer neuen Eier
kämen. Manchmal rief es quer durch den Raum: „Hallo Freunde, kann mir mal
einer sagen, wo täglich die Eier herkommen?“ Dann wieder zupfte es jeden
Einzelnen am Fell und fragte mit schriller Stimme: „Wann hast du dieses Ei
gelegt und wo?“
Dem
Osterhasenoberlehrer war das nicht recht, und er schlich sichtlich nervös
durch Reihen und Bänke, in der Hoffnung, dass das kleine fragende Häschen
bald verstummen möge. Jedes Mal wenn es wieder Fragen stellte, taten alle
sehr beschäftigt, tauchten große und kleine Pinsel in bunte Farbentöpfe,
drehten die Eier hin und her, konzentrierten sich einfach nur auf das
Anmalen.
„Warum malst du nicht mit?“, fragte eines Morgens ein neuer Hasenlehrer den
in der Ecke sitzenden kleinen Hasen, der wie immer seine Ohren spitzte, um
doch noch irgendwie auf das „Geheimnis“ der Osterhasen zu kommen. Von seinen
Eltern erfuhr er stets, dass Hasen keine Eier legen können, sondern ganz,
ganz niedliche winzige klitzekleine Häschen bekämen. Daher wurde seine
Neugierde immer größer und er dachte Tag und Nacht darüber nach, wie er dem
Geheimnis auf die Spur kommen könnte. Eines Tages hatte er eine Idee.
Es hatte bemerkt, dass alle zur gleichen Nachmittagszeit nach Hause gehen
mussten und auch niemals zurückkommen durften, falls sie etwas vergessen
hatten. Als das neugierige Häschen mal fragte: „Warum müssen wir denn so
pünktlich gehen und dürfen nicht noch ein wenig bleiben oder zurückkommen?“,
fasste der neue Hasenlehrer es bei den Ohren, hob es hoch und schwang es
durch die Lüfte hin und her. „So ergeht es jedem von euch, der unnötige
Fragen stellt, denn Osterhasen legen seit vielen Jahrhunderten Eier und
damit basta!“ Ängstlich und erschrocken hoppelten die gehorsamen Hasen
schnell nach Hause.
Nur das neugierige Häschen nicht, es versteckte sich heimlich still und
leise in der Kiste in der Ecke, auf der es immer saß und nachdachte. Es war
bereits finster geworden, als knarrend die Tür aufging und ein alter Hase
mit einer Kiepe auf dem Rücken in den Raum trat. Er stellte den Korb auf den
Fußboden und packte vorsichtig die schönen bunten Eier in die Kiepe,
schnallte sich alles auf den Rücken und machte sich schnaufend davon. Was
das neugierige Häschen da zu sehen bekam, war so beeindruckend, dass es sich
aus der Tür schlich und dem alten Osterhasen leise und unbemerkt
nachhoppelte.
Lange
schlichen sie so durch den dunklen Wald bis hin zu einer Lichtung. In der
Nähe stand ein altes Bauernhaus mit einem angrenzenden Hühnerstall, in den
der schwer schleppende Hase verschwand. Vorsichtig schloss er die morsche
Tür auf und stieg einige Stufen die Hühnerleiter hinauf. Von großer
Neugierde geplagt stellte sich das Häschen draußen hoch auf die Hinterbeine
und schaute durch eine geöffnete Luke. Was es da sah, konnte es kaum fassen.
Seine sonst gespitzten Ohren klappten vor Schreck nach unten und seine
Hinterbeine fingen an zu zittern. Es sah die friedlich schlafenden Hühner,
die von weißen Eiern umgeben waren und wie der alte Hase diese Eier mit
seinen mitgebrachten bunten Ostereiern vertauschte. „Also das ist das
besagte, ewige Osterhasengeheimnis“, dachte das kleine Häschen und stellte
sich hinter einen dicken Holzbalken, um vom alten Osterhasen nicht gesehen
zu werden. „Ich hab’s wieder geschafft“, hörte es den Alten murmeln, der
wieder mit der neuen weißen Eierlast im dunklen Wald verschwand.
Da
das neugierige Häschen nun aber noch nicht wusste, was mit den bunten Eiern
geschah, blieb es bis zum Morgen in seinem Versteck. Eine gekrümmte alte
Frau kam schlurfend auf den Hühnerstall zu, öffnete die Tür und holte
freudestrahlend die buntbemalten Eier aus den Nestern. „Welch eine Freude
für die vielen Kinder in unserem Land!“ rief sie laut.
Das ist nun das „Osterhasengeheimnis“. Wie immer ging das neugierige Häschen
in die Osterhasenschule und saß diesmal wissend und gelassen auf der
gewohnten Kiste in der Ecke. Es lächelte still schmunzelnd vor sich hin und
sang ein selbstgedichtetes Hasenlied.
„Ich bin ein schlauer Hase und gebe keine Ruh’, denn Hasen legen nicht Eier
vor Ostern immerzu. Oho, aha, ihi – ich bin ein schlauer Hase!“
Dieses wiederholte es oft und gerne, bis der Oberhasenlehrer, der das schon
draußen hören konnte, ihm erneut die Ohren lang zog und ihm das Lied ein für
allemal verbot. Beschämt aber nicht traurig setzte es sich still in seine
Ecke. All seine Hasenfreunde fingen auch an, ihm das Singen zu verbieten,
denn sie wollten gute Osterhasen werden und mussten daher viel lernen.
Eines
Morgens stellte sich das neugierige Häschen auf die Kiste und sagte mit
fester Stimme: „Seit ich das Geheimnis der Osterhasen kenne, hält mich
nichts mehr in dieser Osterhasenschule. Ich will kein Osterhase mehr werden,
denn ich suche mir lieber eine Hasenfrau, und die legt mir klitzekleine süße
Hasenkinder ins Nest. Ich gehe jetzt und komme auch nie mehr zurück!“
Erstaunt schauten die übrigen Hasen und der Oberhasenlehrer dem davon
hüpfenden Häschen hinterher, das nie wiederkam. Mit ihm verschwand auch das
Osterhasengeheimnis. Und weil alle anderen Osterhasen es nie erfahren
konnten, verbreitete sich dieses Märchen vom „Eierlegenden Osterhasen“ über
die ganze Erde.
„Aber warum gibt es denn dieses Osterhasenmärchen?“, werdet ihr nun fragen.
„Warum? Nun, weil die kleinen Menschenkinder gerne Märchen hören und die
Erwachsenen sie gerne erzählen.“ (www.lyrik-kriegundleben.de)
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