Ein verpasster Neuanfang

Franz Schmid
Der Weg zu den allgemeinen Wahlen am 2. April in Thailand war mühselig und schwer. Den Wahlen vorausgegangen waren monatelange Demonstrationen gegen den Regierungschef Thaksin Shinawatra und Gegendemonstrationen von Anhängern der Thai Rak Thai Partei. Vor allem in der Hauptstadt Bangkok wurde mit massiven Protesten zum Ausdruck gebracht, dass man der Regierung kein Vertrauen mehr entgegenbringt. Entzündet hatten sich die Proteste an dem steuerfreien Verkauf des milliardenschweren Unternehmens Shin Corporation, das der Familie Thaksin gehört, an die Finanzierungsgesellschaft Temasek in Singapur.
Abgesehen davon, dass viele Thailänder in dem Verkauf auch einen Verkauf nationaler Interessen sahen, war man vor allem über die Steuerfreiheit des Verkaufs empört. Für jede Umschreibung von Eigentum, seien es nun Immobilien oder schlicht nur ein Motorrad, müssen in Thailand Steuern bzw. Gebühren entrichtet werden. Dies blieb der Familie Shinawatra erspart.
Der Regierungschef trat unter dem Druck der Proteste die Flucht nach vorne an und setzte einen Termin für Neuwahlen fest. Er glaubte sich des Sieges sicher, denn noch vor 15 Monaten konnte er 19 Millionen Stimmen auf sich vereinigen. Die Thai Rak Thai stellte im Parlament 377 von 500 Abgeordneten. Mit dieser bequemen Mehrheit im Rücken schien das Ergebnis der Neuwahlen vorhersehbar.
Doch der Aufruf der Oppositionsparteien (Oppositionsbündnis Volksallianz für Demokratie) zum Wahlboykott zeigte Wirkung. Auch stellten die Oppositionsparteien keine Kandidaten auf. Sie bauten hierbei auf das thailändische Wahlgesetz, welches vorschreibt, dass ein Kandidat mindestens 20 Prozent der Stimmen in seinem Wahlbezirk erringen muss, damit seine Wahl gültig ist.
Schon die Aufstellung der Kandidaten brachte die Thaksin-Partei in Schwierigkeiten: In einem Wahlkreis von Bangkok wurde der einzige Thai Rak Thai-Mann aus formellen Gründen suspendiert; in 278 der 400 Wahlkreise trat jeweils nur ein Kandidat an.
Der Ausgang der Wahlen scheint nun in eine Verfassungskrise zu führen. Vor allem in den großen Städten und im moslemisch geprägten Süden erreichten viele Allein-Kandidaten dieses Ziel nicht. Im Süden ist nicht nur der Unmut über den angeblichen Machtmissbrauch des Regierungschefs zu spüren.
Die Rechnung der Opposition ging zum Teil auf. Dutzende der Parlamentssitze blieben leer. Das thailändische Wahlgesetz sagt aber aus, dass das Parlament nur dann eine neue Regierung wählen kann, wenn alle Parlamentssitze vergeben sind.
Der Ausgang der Wahlen mit einer nie gesehenen schwachen Wahlbeteiligung ließ den Premierminister reagieren. Er übergab seine Amtsgeschäfte an seinen Stellvertreter Chitchai Wannasathit.
Doch auch dieser Zug bringt keine Lösung der politischen Krise. Schon kurz nach dieser Entscheidung wurden in Bangkok die Protestdemonstrationen wieder aufgenommen. Ziel ist es, dass Thaksin sich total aus der Politik zurückzieht. Im Interesse der Einheit der Nation wären erneute Neuwahlen nur dann sinnvoll, wenn auch die Oppositionsparteien daran teilnehmen.