Franz
Schmid
Heute ist der 1. Mai in vielen Ländern der ganzen Welt
als Tag der Arbeit gesetzlich festgelegt und das Recht der Arbeiterschaft,
sich an diesem Tag zu artikulieren ist in den meisten Demokratien
unumstritten.
Dass dieser Tag sich als offizieller Feiertag
durchsetzen konnte, hat eine lange Geschichte, die bis zu den Anfängen
der Zivilisation in Europa zurück reicht. Der Mai wird auf der
nördlichen Halbkugel als erster Monat des Frühlings betrachtet. Schon
die alten Römer feierten im Mai die „Floralien" zu Ehren der
Blumengöttin Flora. Dieser Feiertag hatte Volksfestcharakter und
vielerorts haben sich Traditionen erhalten können. So zum Beispiel in der
näheren Umgebung des Harz, wo nach einem alten Volksglauben Hexen auf
ihren Besen durch die Lüfte reiten, um auf dem Brocken an den Hexenfeiern
zur Walpurgisnacht teilzunehmen. In fast allen Gemeinden des mittleren und
südlichen deutschsprachigen Raums wird zum 1. Mai ein möglichst bunt
geschmückter Maibaum aufgestellt, um die warme Jahreszeit anzukündigen.
Der 1. Mai als Tag der Arbeit hat jedoch einen weniger
folkloristischen Ursprung. Vor 120 Jahren rief die nordamerikanische
Arbeiterbewegung am 1. Mai zur Durchsetzung des Achtstundentags zum
Generalstreik auf. Bei den folgenden Demonstrationen und Massenstreiks
kamen in Chicago vier Arbeiter bei Auseinandersetzungen mit der
Staatsgewalt ums Leben. Am 4. Mai 1886 eskalierte die Gewalt bei einer
Protestkundgebung, als von einem Unbekannten eine Bombe in das
Polizeiaufgebot geworfen wurde, die acht Polizisten tötete und mehrere
Dutzend verletzte. Bei dem in die Geschichte als „Haymarket Riot"
eingegangenen anschließenden Aufruhr wurden mehr als 200 Arbeiter
verletzt, die Anzahl der Toten wurde niemals offiziell bekannt gegeben.
Drei Jahre später wurde beim Gründungskongress der Zweiten
Internationalen Arbeiterbewegung, der 1. Mai als „Kampftag der
Arbeiterbewegung" zum Gedenken der Opfer des „Haymarket Riot"
ausgerufen. 1890 wurde dieser Tag mit Massendemonstrationen und Streiks
zum ersten Mal begangen.
Es dauerte lange bis der 1. Mai zum gesetzlichen
Feiertag erklärt wurde. In Deutschland geschah dies erst durch die
Weimarer Nationalversammlung, allerdings nur auf den 1. Mai 1919
beschränkt. Die Nationalsozialisten führten ihn 1933 wieder ein und
benannten ihn „Tag der nationalen Arbeit". Die USA selber wollten
den „Krawallmachern" kein Denkmal setzen und verlegten den „Labour
Day" in den September. Die katholische Kirche beanspruchte diesen Tag
auch für sich. Papst Pius XII. erklärte den 1. Mai als Gedenktag an den
heiligen Joseph, den Ziehvater von Jesus.
Auch heute hat der 1. Mai nichts von seiner Bedeutung
für die Werktätigen in aller Welt verloren. An diesem Tag wird für
Freiheit, Gerechtigkeit und die Würde der arbeitenden Menschen
demonstriert. In einer Erklärung des Deutschen Gewerkschaftsbundes heißt
es: „Vieles von dem, was mühsam erkämpft wurde, ist heute wieder in
Gefahr. Mit dem Hinweis auf die Globalisierung und die Konkurrenz von
Billiglohnländern werden Arbeitszeiten verlängert, Löhne gedrückt und
Arbeitnehmerrechte beseitigt. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit scheint es
einfach, Menschen zu erpressen und gegeneinander auszuspielen." Der
1. Mai ist daher kein alter Zopf aus Zeiten des Klassenkampfes, er ist
aktueller als je zuvor.