Der Bär ist tot, lang lebe der Bär!
Franz Schmidt
Ein „Volksheld“ ist tot. Der Braunbär „Bruno“, der wochenlang die
Öffentlichkeit in Atem hielt, ist von der Hand staatlicher Häscher
mittels eines gezielten Schusses ins Jenseits befördert worden. Bruno
war der Liebling der Presse, seine anarchistischen Eskapaden gaben
Anlass zu allerlei Rummel und Spott über die misslungenen Fangversuche.
Eine finnische Suchmannschaft mit Hunden musste unverrichteter Dinge
wieder abziehen, die Hunde waren zu erschöpft – Bruno hatte sie an der
Nase herumgeführt.
Die Publicity um den Bären nahm teilweise groteske Formen an. Bei den
Behörden avancierte er vom „Problembären aus einer Problemfamilie“ zum
„ausgesprochenen Risikobären“, T-Shirts mit der Aufschrift „Ihr kriegt
mich nie“ und sogar eine Internetseite mit einem ihm gewidmeten
Computerspiel entstand.
Doch damit ist nun Schluss. Der Landesumweltminister Werner Schnappauf
hatte den „Schießbefehl“ gegeben, da er den Bären als für Menschen
gefährlich ansah. Warum er den Bären für gefährlich hielt, wird wohl
sein Geheimnis bleiben. Außer dass der Bär ein paar Schafe und Hühner
gerissen hatte, konnte ihm keiner etwas Schlechtes nachsagen. Im
Gegenteil, einige Wanderer sind ihm begegnet, aber er zeigte sich
friedlich. Zuletzt wurde er vom Koch eines Ausfluglokals auf einer
Almwiese oberhalb des Spitzingsees im oberbayerischen Landkreis Miesbach
gesehen. Der Bär stand hungrig vor dem Küchenfenster, wie der Koch
sagte. Allerdings wurde er von dort weidenden Kühen verjagt. Der Bär
scheint also nicht der Tapferste gewesen zu sein.
In anderen Ländern mit einer Bärenpopulation ist das Erlegen von Bären
keine große Sache, wenn die Genehmigung vorliegt. Anders in Deutschland.
Sofort wurden Proteste, Rücktrittsforderungen und Morddrohungen laut.
Der Schlierseer Bürgermeister empörte sich zwar wortgewaltig über den
Abschuss, aber wenn der Bär einmal ausgestopft ist, will er ihn gerne im
Bauernhofmuseum ausstellen. Wenn schon mit einem lebenden Bären keine
Kasse zu machen ist, dann eben mit einem toten.
„Bruno“ war der erste Bär, der seit 170 Jahren in Deutschland in freier
Wildbahn beobachtet werden konnte. Wie viele andere Raubtiere mussten
die Bären den Siedlungsgebieten der Menschen weichen, sie wurden
unerbittlich verfolgt. Es wurde ihnen eine gewissen Mordlust
angedichtet, um ihre Ausrottung zu rechtfertigen. Ähnliches geschah auch
mit Wölfen. Jedoch zeigen Beispiele in anderen Ländern, dass Bären und
Menschen durchaus nebeneinander leben können. Brunos Tragik war, dass er
sich eben in den Augen der „Experten“ „daneben“ benommen hat. Es kommt
durchaus vor, dass Bären durch Ortschaften laufen und Nutztiere reißen,
aber das ist selten. Dort, wo Bären noch in freier Wildbahn leben, zeigt
es sich, dass Natur und Mensch sich gegenseitig tolerieren. Vielleicht
kommt dieser Zeitpunkt auch einmal in den bayerischen Alpen. Man muss ja
nicht gleich scharfe Geschütze auffahren, ein Betäubungsschuss hätte es
vielleicht auch getan.
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