Breite Zustimmung für eine Schnapsidee
Franz Schmid
Alle Jahre wieder erinnert sich die Stadtverwaltung an einen wunden
Punkt, der Pattayas Ruf als Lieblingsziel für Sextouristen aus aller
Welt gefestigt hat. Die Rede ist vom Benehmen der so genannten
Barmädchen in der Öffentlichkeit. Das Auftreten dieser „Ladys“ vor und
in den Bars gibt so mancherlei Grund zur Beanstandung.
Das Verhalten der Barmädchen war dann auch wieder einmal ein
Diskussionsstoff für diejenigen, die auf den Einhalt von Sitte und
Anstand von Amts wegen zu achten haben. Das Thema landete als
Tagesordnungspunkt auf einer Versammlung von Barbetreibern und
Vertretern der Behörden (Pattaya Blatt berichtete in der letzten
Ausgabe).
Man war sich schnell darüber im Klaren, dass dieses Ärgernis in
irgendeiner Form aus der Welt geschafft werden müsse, zu viele
Beschwerden von Touristen waren eingegangen. Man nannte auch Ross und
Reiter: Einige Barmädchen aus der Gegend um Naklua und in der Soi 6
(Beach Road) sollen sich äußerst unsittlich verhalten haben. Manche
sollen sich sogar äußerst ordinär und unpassend gekleidet haben.
Aber ebenso schnell war man sich wohl auch im Klaren darüber, dass
Pattaya nun mal nicht der Vatikan ist und mit den Barbetreibern wollte
man es sich auch nicht verderben. Also wurde eine Lösung gefunden, die
künftig das Ansehen Pattayas in strahlendem Licht erscheinen lassen
soll. Es soll ein Wettbewerb ausgeschrieben werden, der die beste
Bierbar ermitteln soll. Der Vorschlag fand breite Zustimmung unter den
Versammelten. Die Preisfrage ist nun: Welche Bar hat die nettesten und
sittsamsten Barmädchen?
Dieser Wettbewerb wird sicherlich von allen Bierbars Pattayas angenommen
werden. Denn welche Bar will schon auf das Prädikat „Wir haben die
nettesten und anständigsten Mädchen“ verzichten? Schließlich haben Sitte
und Anstand in und vor den Bars höchste Priorität, wie man unschwer
erkennen kann, wenn man durch die einschlägigen Viertel schlendert.
Um auf eine solche Idee zu kommen, muss man schon sehr naiv sein oder
sie bei ein paar Schnäpsen in einer Bar ausgebrütet haben. Man sieht die
neuen Umgangsformen schon plastisch vor sich. Barmädchen in
hochgeschlossenen Blusen und Röcken, die bis zu den Fußknöcheln reichen,
begrüßen die Gäste oder Passanten auf der Straße mit einem demütigen
Wai, die Augen natürlich niedergeschlagen. Ob solcher Tugendhaftigkeit
werden es die Preisrichter schwer haben, eine Entscheidung zu treffen.
Aber ist diese einmal gefallen, werden alle Barmädchen in die
preisgekrönte Bar pilgern und dort Anstandsunterricht nehmen.
Das Problem bekommt mit einem derartigen Wettbewerb, sollte er je
stattfinden, nur kosmetische Korrekturen. Es ist nicht aus der Welt. Wer
legt übrigens fest, wie sich die Mädchen zu benehmen haben? Würde es
eine solche Definition geben, wäre das Thema schnell erledigt. Der
Straftatbestand würde „Erregen öffentlichen Ärgernisses“ lauten. Es wird
wohl niemand ernsthaft glauben, dass die Polizei auf Dauer gegen die
„Sittenlosigkeit“ vorgeht. Vielleicht werden ein paar geringfügige
Geldstrafen verhängt. Das war’s dann.
Die Mädchen gehören, man mag es oder nicht, zum Stadtbild von Pattaya.
Bisher sind alle Versuche von Tugendwächtern gescheitert, dies zu
ändern. In einer Stadt wie Pattaya ist Toleranz angebracht, und zwar von
allen Seiten. Vielleicht trägt der Wettbewerb etwas zum gegenseitigen
Verständnis bei.
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