Treibjagd auf einen Literaten

Franz Schmid
Günter Grass ist zurzeit wieder einmal in aller Munde, da er nach 60 Jahren den Mund aufgemacht hat. Über seine so genannte „Nazi-Vergangenheit“.
Einst gepriesen als der größte lebende deutsche Dichter, wird er heute verdammt. Warum? Weil er endlich ehrlich ist.
Sein Verbrechen besteht darin, dass er als 15-jähriger bei der Hitlerjugend war und als 17-jähriger Mitglied bei der Waffen-SS war. Allerdings wurde er niemals zum SS-Mann ausgebildet. Obwohl Jugendlicher damals, wird der heute mittlerweile fast 80-jährige nach 60 Jahren deswegen verdammt. Die Frage ist nun, ist es eine Jugendsünde oder hat der damals junge Bursche gewusst, auf was er sich dabei einlässt. Die Frage stellt sich auch, ob und in welchem Maße ein junger Mann damals ein klares Nein sagen durfte. Schließlich werden Hitler und seine Konsorten als Diktatoren genannt – und welcher Jüngling oder auch Erwachsene würde es schon wagen, sich gegen Befehle aus der höchsten Spitze aufzulehnen?
Die Frage ist auch, ob dieses späte Bekenntnis von Grass seine Literaturwerke schmälert? Hat er nicht den Literaturnobelpreis für seine Werke bekommen und sind die jetzt, nachdem man erfahren hat, dass er der Waffen-SS angehörte, deswegen nicht mehr gut? Irgendwie bin ich dabei ein wenig verwirrt. Denn dies alles erinnert an die Methoden eben jener Nazis, die wertvolle Bücher öffentlich verdammten und verbrannten.
Man will Grass auch die Ehrenbürgerschaft von Danzig widerrufen, wie gefordert von Lech Walesa. Das könnte er wohl überleben. Allerdings etwas schwieriger wird es mit der Anschuldigung vom Literaturkritiker Hellmut Karasek, dass sich Grass den Nobelpreis „erschlichen“ habe. Wie bitte kann man das machen? CDU-Kulturpolitiker Wolfgang Börnsen forderte den Literaten sogar auf, den Nobelpreis zurückzugeben.
Alleine der Präsident der Schriftstellervereinigung P.E.N. in Deutschland, Johano Strasser, bezeichnete die Debatte über die SS-Mitgliedschaft von Grass als „fürchterlich hochgespielt. Viele seiner jetzigen Kritiker wollten ihm offenbar etwas heimzahlen“.
Der österreichische Schriftsteller Robert Schindel hält auch zu Grass: „Er sprach schon vor 20 Jahren zu mir über seine SS-Vergangenheit und hat es eigentlich niemals verheimlicht, nur viele wollten wahrscheinlich nicht hinhören“.
Ob Grass Karriere gemacht hätte, hätte er sich schon viele Jahre früher zu seiner Vergangenheit bekannt, ist fraglich. Denn wie kann ein „Nazi“ gute Literatur schreiben, oder?
Warum hat Grass nun öffentlich sein Schweigen gebrochen? Das Buch „Beim Häuten der Zwiebel“ sei angeblich seine letzte Chance dazu gewesen. Grass wollte in gewisser Weise „das Resümee seines Lebens ziehen“.
Die Frage ist nun aber auch: Werden die „Kriegsmacher“ in den USA, in England und wo man immer glaubt, dass gute Menschen am Werk sind, um die Welt vom Terror zu befreien, auch einmal so angeklagt werden? Es bleibt zu hoffen!