Ein stiller Wandel hat sich vollzogen
Franz Schmid
Die praktizierte Demokratie scheint in Thailand anzukommen. Ein kleines
Pflänzchen spießt vorsichtig aus dem Boden empor: Die Bürger machen
ihrem Unmut über korrupte Beamte, hochnäsige Verwaltungsangestellte und
Staatsdiener zweifelhaften Rufs Luft. Die Mauer des Schweigens scheint
zu bröckeln.
In der thailändischen Presse, aber auch im Pattaya Blatt, sind in
letzter Zeit Berichte zu finden, in denen Bürger unerschrocken das
anprangern, was seit Jahrzehnten lähmend wie ein Krebsgeschwür über der
thailändischen Gesellschaft gelegen hat: die allgegenwärtige Korruption
und die Unantastbarkeit „einflussreicher Personen“. Dies scheint ein
Zeichen zu sein, wie sich das Demokratieverständnis in weiten Teilen der
Bevölkerung gewandelt hat. Es wird einfach nicht mehr alles hingenommen,
nur weil es „von oben“ kommt.
Den Kampf gegen die Korruption hatten auch schon vor der Regierung
Thaksin andere Regierungen auf ihre Fahnen geschrieben. Viele werden
sich noch an die Geschichte des Chauffeurs des ehemaligen
Premierministers Chuan Lekpai erinnern. Der Chauffeur ging im Hause
seines Arbeitsgebers noch einer Nebenbeschäftigung nach: er kopierte
CDs, natürlich ohne Genehmigung. Als die Sache aufflog, nutzte ihm auch
sein hoch angesehener Chef nichts. Chuan hatte den Ruf eines
Saubermanns, den er sich nicht hat nehmen lassen wollen. Doch sein Kampf
gegen die Korruption war ein Kampf gegen Windmühlen.
Die Demonstrationen zum Rücktritt des jetzigen Premierministers haben
ihre Spuren an der Basis hinterlassen. Die Furcht vor den Mächtigen hat
abgenommen. Die Mächtigen oder diejenigen, die glauben, sie seien es,
bekommen es zu spüren. Da werden Namen korrupter Beamter genannt und
abgedruckt. Aus dem Schweigen ist Reden geworden.
Da die Obrigkeit ihr Versprechen nie einlösen konnte, die Korruption in
Thailand zu beseitigen, scheint nun der Kampf „von unten“ begonnen zu
haben. Einzelpersonen und nicht staatsgebundene Organisationen haben ihn
aufgenommen. Gute Beispiele sind die Aufdeckung von Machenschaften im
Handel mit wilden Tieren, der schon seit eh und je in Thailand in einer
Grauzone vonstatten ging.
Bürger beschweren sich öffentlich über korrupte Beamte, die zwar die
„Teegelder“ entgegennahmen, aber die versprochenen „Leistungen“ nicht
erbrachten. Wie weit man mit dem Kampf gegen Korruption populär werden
kann, zeigt die Karriere des ehemaligen Bordellbesitzers Chuwit
Kamolvisit, der den Kampf gegen die Korruption aufgenommen hat. Dies
hatte ihm einen Parlamentssitz eingebracht und ihn zu einer Art Ikone
der Antikorruptionsbewegung gemacht, ein thailändischer Robin Hood
sozusagen.
Nicht viele verfügen über die finanziellen Mittel, ihre Rechte vor
Gericht durchzusetzen. Den Gang zum Gericht scheuen daher viele. Vieles
kam nicht an die Öffentlichkeit, es wurde vertuscht. Es war eben nicht
angemessen, über hochrangige Personen in Zusammenhang mit Korruption zu
sprechen oder gar zu schreiben. Das hat sich augenscheinlich geändert.
Denn die schärfste Waffe, die der kleine Mann in diesem Falle hat, ist
die Wahrheit. Sie bleibt immer bestehen und duckt sich nicht vor
korrupten Beamten und den Mächtigen der Welt.
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