Kurt Krieger
(Teil 2) Auf der „Veranda“ von Pats Elternhaus und bei einem Spaziergang
durchs Dorf kommt mir der Gedanke, dass sich so manches Provinznest in
Deutschland an der Ordentlichkeit dieses Karen-Dorfes ein Beispiel nehmen
könnte.
Die
Menschen dieser Gegend bewerkstelligen ihr Leben mit den einfachsten
Mitteln.
Wir kommen an einer Krankenstation vorbei, in der eine ausgebildete
Krankenschwester arbeitet. Daneben liegt die Schule, in der 200 Kinder den
Unterricht besuchen. Viele wohnen in den Wäldern der Gegend und müssen
täglich fünf bis acht Kilometer zur Schule laufen.
Stolz erzählt uns die Lehrerin, dass die Königin vor zwei Jahren zu Besuch
kam. Ein Ereignis, von dem die Kinder noch ihren Enkeln erzählen werden.
Pat erzählt, dass das Wasser aus den Bergen kommt. Ihr Bruder ist der
Bürgermeister. Er hat oberhalb des Dorfes ein Reservoir angelegt, damit alle
Häuser eine zentrale Wasserversorgung haben. Dann zeigt sie mir das
wunderschöne Teak-Haus, das ihr Bruder nach der Hochzeit gebaut hat. Aber
erst wurde der Bruder krank, dann auch seine junge Frau und die Kinder, weil
das Haus voller böser Geister ist. Ich habe mich nicht getraut, ihr zu
sagen, dass wahrscheinlich nicht die bösen Geister, sondern die
Formaldehyd-Anstriche die Ursache der Krankheiten gewesen sein könnten.
Die
ganze Familie freut sich, dass Pat wieder einmal in ihrem Heimatdorf zu
Besuch ist.
Es gibt keine Bank im Dorf – oder doch, eine Reis-Bank. Jeder Farmer legt
pro Jahr und pro Rai Reisanbau, ein gewisses Kontingent Reis auf die Bank.
Hat ein Farmer einmal eine schlechte Ernte, erhält er zinslos soviel Reis,
wie er benötigt, und kann diesen irgendwann, wenn er wieder Überschuss hat,
zurückgeben.
Pat erzählt uns, dass junge Mädchen nur ein weißes Gewand anlegen, während
die verheirateten Männer und Frauen farbenfrohe, selbst gewebte und
bestickte Trachten tragen.
Zweit-Ehen werden im Dorf nicht geduldet. Wenn ein Partner stirbt oder man
sich von ihm trennt, der Überlebende oder verlassene Partner wieder heiraten
will, muss er das Dorf verlassen.
In der Nacht werde ich durch Schnarchen munter und denke mir, dass der
Herbert ein Problem hat. Aber es ist nur das Schweinchen vor der Haustüre,
das bei seiner Morgen-Toilette grunzt. Da stehen auch wir auf, denn heute
ist Pats Geburtstag und wir müssen uns vorbereiten.
Insgeheim plagt mich die Vorstellung, was ich nun einen ganzen Tag in dieser
Abgeschiedenheit unternehme. Ich kann nicht kommunizieren - nicht einmal
Herbert, der ja hinlänglich gut Thai spricht, da die Leute hier Kariang -
die Sprache der Karen sprechen.
Reisterrassen
sind das typische Landschaftsbild in Pats Heimat.
Zu Ehren von Pats Besuch und ihrem Geburtstag wird nun ein christlicher
Gottesdienst im Haus der Eltern abgehalten. Etwa 40 Leute aus dem Dorf
nehmen in ihren schönen Sonntags-Trachten teil. Es gibt keinen Pfarrer. Aber
die Mutter dankt Gott, dass ihre Tochter gesund ist und die Bindung zur
Familie pflegt. Dann dankt der Vater Gott, dass seine Tochter eine große
Sportlerin ist. Zuletzt dokumentiert Pat, dass ihre Heimat immer bei ihrer
Familie in den Bergen bleiben wird.
Dann danken alle Gemeindemitglieder zusammen Gott, dass es ihnen gut geht.
Ein Chor singt so eindrucksvoll, dass mir die Tränen kommen. Diese Menschen
haben nichts wie ihre Familie - und Gott. Sie leben für ihre Tiere und ihre
Felder, ihr Partner ist die Natur und sie richten sich nach deren Gesetzen,
die sie seit Menschengedenken kennen und achten. Und sie leben nach den
Prinzipien der Tradition ihrer Väter.
Dieser Ausflug hat mir wieder näher gebracht, was ich in meinem Inneren
empfinde. Diese Tage waren nicht nur herrliches Abenteuer, sie brachten mir
gleichzeitig auch eine innere Erkenntnis.