Abgeschlagene Köpfe

Franz Schmid
Die Deutsche Oper Berlin hat die Mozart-Oper „Idomeneo“ in der umstrittenen Inszenierung von Hans Neuenfels vom Spielplan genommen. Die Intendantin der Oper, Kirsten Harms, begründete dies mit einem „Sicherheitsrisiko von unkalkulierbarem Ausgang im Falle der Aufführung“.
In der Inszenierung von Neuenfels präsentiert König Idomeneo die abgeschlagenen Köpfe von Poseidon, Jesus, Buddha und Mohammed und stellt sie auf vier Stühle. Schon bei der Premiere im Mai 2003 hatte es Buhrufe gegeben. Der Grad zwischen künstlerischer Freiheit und der Rücksicht auf religiöse Gefühle ist besonders in diesem Fall sehr schmal.
Die Entscheidung der Intendantin hat bei Politikern und Künstlern einen Sturm des Protestes hervorgerufen. Man sprach von einem „Kniefall vor Terroristen“ und „Selbstzensur“. Manche sehen sogar die Freiheit der Kunst in Deutschland auf dem Prüfstand. Doch letztendlich ist die Intendantin der Deutschen Oper für den Spielplan und die Sicherheit ihrer Mitarbeiter verantwortlich. Aus diesem Grunde heraus sollte man sie nicht verurteilen. Wie groß wäre die Aufregung, wenn es tatsächlich einen mehr oder minder schweren Störfall bei der Aufführung gäbe? Der Intendantin wäre Verantwortungslosigkeit und Nachlässigkeit vorgeworfen worden.
Doch die andere Frage stellt sich ebenso berechtigt: Wie groß ist noch der Freiraum von Künstlern, sich selbst zu artikulieren oder die Werke anderer zu interpretieren, wenn gleichsam „die Schere im Kopf“ aus Rücksicht auf Islamisten arbeitet und zensiert?
Niemand möchte gerne eine Wiederholung von brennenden Kirchen und die Verfolgung von Christen in islamischen Ländern, wie sie vom „Karikaturenstreit“ und der Vorlesung des Papstes in der Regensburger Universität ausgelöst wurden. Die Ursache dieser Ausschreitungen liegt nicht so sehr in den Anlässen als solchen, sondern vielmehr in dem Versuch islamistischer Kreise, das Verhältnis der Weltreligionen untereinander zu vergiften.
Ein Weg aus diesem Dilemma ist schwer zu finden. Gute Ansätze gibt es in Deutschland mit einem deutschsprachigen islamischen Unterricht an den Schulen. Eine weitere Reform der islamischen Gemeinden ist aber auch dahin gehend nötig, dass die Imame die Gottesdienste in Deutsch abhalten. Mehr Transparenz ist vonnöten, um gegenseitiges Vertrauen zu schaffen.
Der ungehinderte Besuch von Opern, Theatern und Kinos gehört in Deutschland zu normalen Leben. Doch das könnte sehr schnell vorbei sein, wenn es zu einem ersten Zwischenfall kommt. Polizisten vor Opernhäusern, Taschenkontrollen beim Betreten von Theatern und Vorzeigen des Ausweises beim Kinokartenkauf gehören in das Reich von Orwells „1984“, aber nicht zum alltäglichen Bild eines zivilisierten Landes.
Ob die Absetzung des Stückes in der deutschen Hauptstadt letztendlich mehr zur Sicherheit der Mitarbeiter und des Publikums beigetragen hat, bleibt abzuwarten. Der Umgang mit religiösen Themen ist in unserer Zeit sehr schwierig geworden. Man sollte sich aber trotzdem nicht von denen einschüchtern lassen, die am lautesten schreien. Das Theater gilt als moralische Anstalt eines aufgeklärten westlichen Geistes. Und so soll es auch bleiben.