Weniger Tempo, mehr Genuss
Felici Curschellas
Großartig, wie schnell wir heute unsere Reisziele erreichen. Die
Flugstrecke Zürich-Bangkok, an die 11.000 km Luftlinie, überbrückt ein
Airbus A 340-300 mit uns an Bord in gut 11 Stunden. Den Erfindern und
Ingenieuren sei Dank! Dann geht es mit Tempo 120 und mehr über die
Autobahn, zum Danken besteht schon weniger Grund, eher zum Fürchten. In
Pattaya angelangt, stellt man als Fußgänger fest, dass hier Tempo nebst
der Verkehrsmenge auch in der Stadt immer mehr zum scheinbar unlösbaren
Problem eskaliert. Hier ist wahrlich alles in Fluss, nur wenig für die
Ewigkeit. Zu viele motorisierte Verkehrsteilnehmer suchen waghalsig die
kürzere Strecke von A nach B oder gleich um die Ecke, sich selbst ohne
Helm und andere als Fußgänger extrem gefährdend.
In Tat und Wahrheit, die „Siebenmeilenstiefel“ aus dem Märchen sind
längst eine technische Realität, von der auch ich gerne Gebrauch mache.
Dies besonders in den Ferien, um andere Kontinente und Destinationen zu
erreichen. Allein, im Alltag - und innerorts folge ich lieber der
Meinung von Otto Julius Bierbaum, der bereits 1902 auf seiner Reise von
Berlin nach Sorrent festgehalten hat: „Lerne zu reisen, ohne zu rasen.
Der Sinn des Automobils ist nicht, die Schnelligkeit der Eisenbahn zu
übertrumpfen, ist nicht Rekord, ist nicht Sport. Der Sinn des Autos ist
die Freiheit, Besonnenheit, Selbstzucht, Behagen.“
Wie ist im Vergleich zum Temporausch eine gemütliche Fahrt über Land
oder gar eine Wanderung ein Hochgenuss. Wie angenehm, in Pattaya mit
offenem Blick am Meer entlang zu spazieren, bei freier Sicht auf die
Insel der Glückseligen. Ich nehme mir Zeit, mich unter dem erfrischenden
Atem der Palmen zu kühlen, höre den einen und anderen Vogel nach einer
Braut pfeifen, sehe flinke Eidechsen, die sich auf Mauersteinen wärmen,
lege mich in den Sand und schaue den Wolkenschiffen zu, wie sie lautlos
ins Weite segeln.
Ich habe mich entschlossen, mir öfters diesen Luxus zu gönnen; den Luxus
mich mit Tempo 3 oder weniger durch die Zeit zu bringen. Bei dieser
Geschwindigkeit rieche ich die Welt, höre den Wind und sehe ich die
versteckten Kleinigkeiten, die mich ohne Luxus- oder Mehrwertsteuer
umgeben. Wie soll ich andere erfreuen, wenn ich mich meines Lebens nicht
erfreuen kann? - Ich bin kein Feind der Technik und kein abgehobener
Romantiker, bin vielmehr ein realistischer Optimist, der nach dem Nutzen
fragt. Meine nüchterne Bilanz: Wenn ich fahre, erfahre ich weniger. Wenn
ich gehe, geht es mir gut. „Der langsame ist der gute Same“, verrät eine
alte Bauernregel.
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