Diese Frage stellten sich im letzten Monat die Teilnehmer
der „2. North Face River Kwai Trophy", als sie sich hierfür in der
Sai Yok Gegend bei Kanchanaburi, etwa 140 km nordwestlich von Bangkok
einfanden.
Eines der wesentlichen Merkmale eines Abenteuerrennens
ist für mich die Tatsache, dass man nie weiß, was einen um die nächste
Ecke erwartet. Bei der Streckenbesichtigung vor dem Rennstart hat man die
Möglichkeit, die Umgebung genau zu erkundigen und jede Information
aufzusaugen, die einem im späteren Rennverlauf eventuelle Vorteile
verschaffen kann. Trotz meiner geringen Wettkampferfahrung weiß ich, dass
es ein großes Plus ist, wenn man weiß, wie weit es noch bis zur Ziellinie
ist.
Khun
Jongsak und Khun Kriattisak finden zuerst den Weg aus dem Dschungel und sind
die gefeierten Sieger des Abenteuerrennens.
Auf dem Weg zum Frühstück fiel uns auf, dass sich die
Sonne hinter dicken Wolken versteckt hielt. Wenn dies so bleiben sollte,
würde das die Strapazen der Konkurrenten während des Rennens deutlich
erleichtern. Die meisten sind übrigens ganz erstaunt darüber, dass das
Teilnehmerfeld nicht nur aus muskelbepackten Adonissen mit eisernem Blick
besteht. Die Wettkämpfer sind in der Regel „Wochenend-Krieger" mit
unterschiedlichster körperlicher Verfassung, Größe und Talent. Man muss
für Rennen dieser Art kein ausgesprochener Modellathlet sein. Es bedarf
vielmehr einer optimistischen Einstellung und der Sehnsucht nach
Herausforderungen.
Renndirektor Serge hatte für den zusammen gewürfelten
Haufen zwei Kategorien organisiert: ein kürzeres „Adventure" für
Selbstbewusste und das längere „Extreme" für diejenigen, die unter
einem Testosteronüberschuss standen. Wir schrieben uns natürlich für „Extreme"
ein…
Ein
Abenteuerrennen setzt Talent und eine Menge Disziplin voraus.
Nachdem wir uns an der Startlinie aufgestellt hatten,
bekamen wir die erste Information: der Wettkampf sollte mit einem Wettrennen
beginnen. Für unser Team war das eine gute Nachricht, denn rennen können
wir. Nur leider sind wir in allen anderen Dingen miserabel! Die Flagge fiel,
und wir brachen auf – Distanz, Dauer und bevorstehende Aufgaben unbekannt.
Die erste Abschnitt war toll: eine kurvige
Querfeldeinstrecke über Straßen, Wege, eine alte wacklige Brücke und
sogar an einem merkwürdigen Tempel vorbei. Der Kurs war etwa alle 100 Meter
mit einem orangefarbenen Band markiert, und trotzdem brachten wir es fertig,
uns zu verlaufen. Als wir uns endlich durch das Dickicht gekämpft hatten,
huschte eine Gruppe schwitzender, keuchender Männer und Frauen an uns
vorbei. Wir waren vom ersten auf den sechsten Platz zurückgefallen – was
für ein Start! Nur langsam arbeiteten wir uns wieder nach vorne. Ein
Schmunzeln ob unserer Orientierungslosigkeit konnten sich die anderen nicht
verkneifen, nachdem sie uns beim Start noch wie aufgeschreckte Gazellen am
Horizont verschwinden sahen.
Nach etwa elf Kilometern nahm der Rennverlauf ein
abruptes Ende. Wir stießen an ein Ufer und sahen mehrere Kajaks. Ein
Rennleiter zeigte zunächst auf die Kajaks, dann auf den Fluss und nuschelte
irgendwas auf Thai. Sein Anliegen war dennoch verständlich, also hievten
wir eines dieser Plastikboote ins Wasser und setzten das Abenteuer fort.
Schnell stellten wir fest, dass diese so genannten „feel free" Kajaks
unkippbar und sogar relativ bequem sind. Eines sind sie jedoch auf keinen
Fall: schnell!
Für mich mit meinen dürren Armen und dem schwachen
Rücken hätte diese Disziplin nicht früh genug vorbei sein können. Nach
einer etwa fünf Kilometer langen Paddelei sahen wir das Ziel auf uns
zukommen. Wir ruderten wild durcheinander, um eine möglichst ideale
Position zum Andocken zu bekommen. Erleichtert entledigten wir uns des
Kajaks und stiegen an Land, nur um gesagt zu bekommen, dass unsere Reise im
Fluss weiter geht – ohne Kajak!
Ist irgendjemand schon mal mit einer Schwimmweste in
einem schnell fließenden Fluss geschwommen? Es ist ein Ding der
Unmöglichkeit! Ich versuchte es im Kraulstil und mit selbst kreierten
Rücken- und Brustschwimmvarianten, welche die Schwimmwelt noch nie gesehen
hat. Als auch diese Anstrengungen erfolglos blieben, ließ ich mich in
liegender Position zusammen mit den Teilnehmern der fünf anderen Gruppen
einfach flussabwärts treiben.
Kaum aus dem Wasser gestiegen, scheuchte man uns einen
Hügel hinauf, und wir waren wieder dort, wo wir das Rennen begonnen hatten.
Allerdings war es noch nicht vorbei. Die Mountainbikes standen bereit wie
frisch gestriegelte Ponys. Der Wettkampf war noch keine zwei Stunden alt,
und gemessen an meinen vorherigen Rennen bedeutete dies, dass uns noch
mindestens fünf weitere Stunden bevorstanden.
Die Radstrecke verlief höchst abwechslungsreich und fast
ausschließlich querfeldein. Wir überquerten Felder und Wege,
durchstreiften Wälder und den Fluss. Unser Orientierungssinn war diesmal
zum Glück nicht gefragt, denn die Strecke war gut gekennzeichnet. Dem
orangefarbenen Band folgen und so schnell wie möglich in die Treter
steigen, hieß die Devise! Für mich als Gelegenheitsmountainbiker war
dieser Abschnitt was vollkommen Neues. Meine Gedanken sprangen hin und her:
Einerseits hatte ich permanent Angst, als ich mich ohne feste Kontrolle
über den Fahrradlenker die steilen Abhänge hinunterstürzte. Ließen die
Adrenalinschübe nach, fiel mir andererseits immer wieder das atemberaubende
Landschaftsbild auf, das Thailand bietet.
50 Minuten später erreichten wir den Kontrollpunkt und
hüpften von unseren robusten Zweirädern, um uns die Instruktionen für die
nächste Disziplin anzuhören, die völlig unangebracht „Dschungellauf"
hieß. Nachdem wir diesen steilen sechsten Abschnitt rauf- und
runtergekraxelt waren, fielen mir zahlreiche besser passende Begriffe für
ihn ein, die aber geheim bleiben sollen. Endlich erreichten wir das Ende des
Waldes, wo ein nicht gerade einladend aussehender See auf uns wartete. Das
war mir in diesem Moment allerdings egal, denn niemals zuvor genoss ich es
derart, mich ins Wasser fallen zu lassen – was für eine Erlösung!
Nachdem wir den See durchschwommen hatten, trafen wir
wieder auf unsere Fahrräder. Irgendwann inmitten des Dschungels wurde mir
klar, dass es viel mehr ein Überlebenstraining war als ein Wettrennen.
Obwohl wir uns mit dem führenden Team auf Augenhöhe befanden, konnte von
Wettrennen keine Rede sein! Durch pure Angeberei überspielten wir die
Erschöpfung und blufften unseren Gegner mit permanenten Attacken, weshalb
die Führung hin- und herwechselte. Irgendwann wurde es der Mannschaft um
Khun Jongsak und Khun Kriattisak zu bunt, und sie zogen auf und davon und
verschwanden vor unseren Augen im Dickicht.
Nach einer weiteren Stunde war dann die Ziellinie in
Sicht! Um die jubelnden Zuschauer nicht zu enttäuschen, mobilisierten wir
unsere letzten Kräfte. 15 Meter vor dem Ziel dann die große Enttäuschung:
Wir wurden in eine Abstellzone für die Fahrräder umgeleitet, wo ein
weiterer Dschungellauf begann. Ich hatte meine Definition von „Abenteuer"
längst modifiziert! Dies war dann aber wirklich die letzte Disziplin, und
nach fünf Stunden und 48 Minuten überquerten wir vier Minuten nach den
Siegern die Ziellinie. Wir waren froh, überhaupt angekommen zu sein!
Das Ziel ist ein großartiger Ort, wenn man dort ist. Die
Wettkämpfer liegen herum wie zerschlagene Piñatas nach einem
Kindergeburtstag in Lateinamerika. Geschichten über Mühsal, Not und das
Erreichen persönlicher Ziele machen die Runde. Zwischen dem ersten und dem
letzten Team lagen vier Stunden. Alle Teilnehmer erlebten ein großartiges
Abenteuer und freuen sich schon auf das nächste!
Der
Abschnitt mit dem Kajak ist zwar landschaftlich toll, körperlich aber
überaus anstrengend.