Warum immer die Kleinen?

Franz Schmid

Zwei Vorfälle in den letzten Wochen haben wieder einmal das Ansehen Pattayas angekratzt. In dem einen Fall war die Polizei in einem großen Kaufhaus auf der Suche nach Fälschungen geschützter Markenwaren. Sie wurde fündig. Im Erdgeschoß verkauften nach Polizeiangaben 50 Läden solche Produkte. Doch von einem großen Aufräumen unter diesen Händlern kann bei weitem nicht die Rede sein. Gerade mal fünf Personen, alles Frauen, gingen der Polizei ins Netz, die anderen sind anscheinend vorgewarnt worden und waren beim Eintreffen der Beamten verschwunden bzw. hatten ihre Stände erst gar nicht geöffnet.
Die Waren selbst sind über Mittelsmänner in Bangkok aus China eingeführt worden. Das Kopieren von Markenartikeln in China ist seit langem ein Ärgernis, der wirtschaftliche Schaden ist immens. Den Profit machen in jedem Falle Dunkelmänner, die in großem Stil schmuggeln und in Thailand die Waren weiterverkaufen. Doch in diesem Fall und in ähnlichen Fällen muss man doch den Tatbestand etwas näher beleuchten. Es ist sicher rechtens, wenn diese fünf verhafteten Damen zur Rechenschaft gezogen werden. Hat aber nicht die Geschäftsleitung des Kaufhauses ihre Aufsichtspflicht verletzt, wenn sie in ihren Räumlichkeiten gegen Mietzahlung offensichtliche Straftaten zulässt und nichts dagegen unternimmt? Die Verhältnismäßigkeit bleibt da auf der Strecke.
Ähnlich verhält es sich in dem zweiten Fall. Auch hier blieben die Verantwortlichen ungeschoren. Wiederum waren es fünf Frauen, diesmal russische Models, die den Unwillen der Öffentlichkeit und der Polizei erregten. Was war geschehen? Ein betuchter Automobil-Club aus Bangkok veranstaltete eine Sternfahrt mit Luxusschlitten vom World Trade Center in Bangkok nach Pattaya. Ziellinie war offensichtlich vor dem Rathaus. Dort standen die jungen Damen, wie vom Veranstalter angeordnet, in knappen Bikinis, schwenkten Flaggen und ließen sich fotografieren. Ihr Pech war, dass im Hintergrund ein Bildnis des Königs und das Denkmal König Taksins standen. Empörte Bürger beschwerten sich und die Stadtverwaltung ließ die Models durch die Polizei entfernen.
Es ist nicht anzunehmen, dass die Models mit den Gepflogenheiten der thailändischen Gesellschaft vertraut waren, aber die Organisatoren der Sternfahrt sind es mit Sicherheit. Was eigentlich für einen guten Zweck anlässlich der Feierlichkeiten zum 80. Geburtstag des Königs gedacht war, endete daher recht kläglich. Das Ende der Veranstaltung musste vor ein Hotel verlegt werden. Im Blickpunkt des polizeilichen Interesses standen ausschließlich die fünf Russinnen, über die Organisatoren wurde kein Wort verloren.
In beiden Fällen wurde mit doppelter Moral vorgegangen. Die Kleinen werden gehängt, die Großen kommen ungeschoren davon. Dem Ansehen der Stadt wäre es aber zuträglicher gewesen, hier einmal ein Exempel zu statuieren und die wirklich Verantwortlichen zu bestrafen.