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Bildung und Wohlstand
Franz Schmid
Das thailändische Erziehungsministerium hat kürzlich einen Schreib- und
Lesefähigkeitstest mit 630.000 Schülern im Alter von sechs und sieben
Jahren der zweiten Grundschulklasse durchgeführt. Das Ergebnis war
erschreckend: 12 Prozent der Schüler fielen dabei durch.
„Die meisten der Schüler, die den Test nicht bestanden, kamen aus armen
Familien, die den Schulunterricht oft versäumten, da sie arbeiten
mussten, oder weil ihre Eltern Wanderarbeiter sind, die von Ort zu Ort
ziehen“, hieß es aus dem Ministerium. Anlass zur Besorgnis gaben auch
die Ergebnisse an den thailändischen Grenzen; dort ist Thai oft nur die
Zweitsprache. Thailand ist in 175 Bildungszonen eingeteilt, davon haben
10 Zonen eine Analphabetenrate von mehr als 25 Prozent in dieser
Altersgruppe, fünf dieser Zonen liegen in der Nähe der malaiischen
Grenze, wo die Hauptsprache Malaiisch ist. Der hauptsächlich muslimische
Süden ist die ärmste Region Thailands. Die restlichen fünf Zonen liegen
in ländlichen Gebieten der Zentralebene und im Nordosten Thailands.
Erwartungsgemäß schnitten die Schüler in Bangkok am besten ab, nur ein
Prozent bestanden die Prüfung nicht.
Diese Zahlen belegen, dass im Bereich schulischer Bildung, gerade auf
dem Lande, viel Nachholbedarf besteht. Das heutige Schul- und
Bildungssystem (und seine Weiterentwicklung) für die Allgemeinheit ist
in Thailand nur etwas über 100 Jahre alt. König Chulalongkorn (Rama V.)
führte 1898 in seiner so genannten „Bildungs-Proklamation“ ein
zweigegliedertes System ein, welches in eine akademische und
Berufsausbildung nach dem britischen Schulsystem unterteilt war. Erst
1932 wurde ein erweiterter Bildungsplan in die Tat umgesetzt, der die
Schulpflicht für vier Grundschuljahre vorsah. Heute herrscht in Thailand
eine allgemeine Schulpflicht von neun Jahren, dabei ist der Besuch der
sechsjährigen Schulpflicht theoretisch verbindlich. Ursprünglich sollte
dieser Besuch kostenfrei sein, jedoch werden die Schüler (bzw. deren
Eltern) heute immer mehr zu den Kosten von Schuluniformen und
Lehrmaterialien herangezogen. Dies macht vor allem armen Familien zu
schaffen, die oftmals Eigentum verpfänden müssen, um ihren Kindern den
Schulbesuch zu ermöglichen. Selten entsprechen die Unterrichtsmethoden
westlichem Standard, die Förderung von eigenverantwortlichem Lernen oder
Eigeninitiative ist wenig verbreitet, stattdessen herrscht – vornehmlich
auf dem Lande – ein stark ausgeprägtes Autoritätsdenken.
Wie in vielen Bereichen der thailändischen Gesellschaft sind auch im
Schulsystem die im Laufe der Zeit entstandenen Strukturen verkrustet.
Sie aufzubrechen bedarf gewaltiger Anstrengungen. Es hat sich gezeigt,
dass Anläufe zu Reformen leider im Sande verlaufen. Zwar hat heute
Thailand offiziell nur eine Analphabetenrate von drei Prozent, dies sagt
aber noch nichts über den allgemeinen Bildungsstand aus. Erstrebenswert
sollte vor allem sein, dass allen Kinder, unabhängig von ihrem Wohnsitz
oder Familieneinkommen, ein qualitativer Grundschulbesuch ermöglicht
wird. Dieser ist die Grundlage für eine weiterführende Bildung. Nur wer
die Chance hat, eine gute Bildung zu genießen, ist auch in der Lage,
sich aus dem Teufelskreis der Armut zu befreien.
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