Eine bedauerliche Entwicklung
Franz Schmid
In der letzten Woche gab Dr. Prat Boonyawongvirot,
Staatssekretär im Gesundheitsministerium, erschreckende Zahlen über die
steigende Gewaltbereitschaft in Thailand bekannt. Demnach starben im
letzten Jahr 3.086 Personen eines gewaltsamen Todes und 216.037 Personen
wurden durch Gewalteinwirkung verletzt. Verglichen mit den verfügbaren
Zahlen aus dem Jahre 2002 ist dies ein Anstieg von 20 bzw. 30 Prozent.
Dabei sind Männer in der Altersgruppe von 15 bis 44 Jahren die
häufigsten Opfer von Gewaltanwendung, die Rate liegt hier bis zu sieben
Mal höher als bei Frauen. Pro Jahr werden zwischen fünf und sieben
Kleinkinder schwer verletzt, davon sterben ein bis zwei aufgrund der
Verletzungen.
Die meisten körperlichen Angriffe finden in häuslicher Umgebung statt,
nämlich 35 Prozent, und 29 Prozent auf offener Straße. Ehemänner oder
andere Familienmitglieder sind in der Mehrzahl die Angreifer, wobei
diese überwiegend unter Alkohol- oder Drogeneinfluss standen. Die
volkswirtschaftlichen Verluste dieser erschreckenden Entwicklung werden
pro Jahr auf knapp 37 Milliarden Baht geschätzt.
Die thailändische Polizei richtet seit langem ihre Aufmerksamkeit vor
allem auf Gewalt gegen Frauen und Kinder. Hier ist die Dunkelziffer
besonders hoch, da sich die Vorgänge vor allem im familiären Bereich
abspielen und nur ein geringer Teil der Fälle bei der Polizei angezeigt
wird. Gewalt ist zu einem Teil der thailändischen Gesellschaft geworden.
Wie niedrig inzwischen bei manchen Jugendlichen die Hemmschwelle
geworden ist, zeigen die Morde an den beiden Russinnen in Pattaya im
Februar dieses Jahres.
Richtig ist, dass die zunehmende Gewaltbereitschaft unter anderem auf
steigenden Drogenkonsum zurückzuführen ist. Beschaffungskriminalität
spielt dabei eine große Rolle. Gleichzeitig verstärkt sich das Problem
der sexuellen Gewalt und ungewünschter Schwangerschaften unter der
Jugend Thailands.
Man kann vielerlei Gründe hinter der zunehmenden Gewaltbereitschaft
vermuten. Sicher ist, dass von staatlicher Seite nicht genug getan wird,
um dem Einhalt zu gebieten. Gerade in einem buddhistischen Land wie
Thailand ist diese Entwicklung besorgniserregend. Es gibt zwar Projekte
und Programme, um gerade Jugendliche vom Drogenkonsum und den damit
verbundenen Problemen fernzuhalten, aber dies scheint nicht genug zu
sein.
Alle gesellschaftlichen Kräfte sind dazu aufgerufen den Ursachen der
zunehmenden Gewaltbereitschaft auf den Grund zu gehen. Der Anblick von
blutverschmierten Leichen in der thailändischen Boulevardpresse ist zu
etwas Alltäglichem geworden. Der Respekt vor dem Tod ist verloren
gegangen, wie soll ihn ein Heranwachsender erlernen? Bilder und Filme
mit Grausamkeit und Gewalt im Fernsehen überfluten die Wohnzimmer.
Zigaretten- und Alkoholwerbung sind aus den Medien verbannt worden.
Angeblich soll so der Konsum gedrosselt werden. Empfehlenswert wäre
daher auch ein Verbot der öffentlichen Zurschaustellung von grausamen
Photos. Wir leben zwar in einer gewalttätigen Welt, aber es liegt an
uns, sie zu einer friedlicheren zu machen.
|