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Atomkraftwerke für alle?
Franz Schmid
Die globale Erwärmung und die in die Höhe schießenden Ölpreise machen in
letzter Zeit Atomstrom wieder salonfähig. Die Katastrophe von
Tschernobyl scheint vergessen zu sein und die „saubere“ Energie aus
Atomkraftwerken macht die einst dämonisierte Atomindustrie zu einem
Retter in der Not.
Selbst ein Industrieland wie Großbritannien, das eigentlich seine
Atommeiler bis zum Jahre 2023 schließen wollte, hegt Pläne, neue zu
bauen. Einige Länder der Dritten Welt mit mehr als zweifelhaften
Industriestandards wollen auf diesen Zug springen, und das gibt Anlass
zur Nachdenklichkeit. China zum Beispiel hat zurzeit 11 Nuklearanlagen
und will bis zum Jahre 2020 weitere 30 ans Netz gehen lassen. Das
Massachusetts Institute of Technology schätzt, dass bei fortwährendem
Wirtschaftswachstum bis zum Jahre 2050 weitere 200 Reaktoren in China
gebraucht werden.
Zurzeit werden weltweit mehr als 100 Atomkraftwerke gebaut, geplant oder
sind in Auftrag gegeben. Die Hälfte davon in Entwicklungsländern wie
China und Indien. Argentinien, Brasilien und Südafrika wollen ihre
Kapazitäten erweitern. Vietnam, Thailand, Ägypten und die Türkei gehören
zu den Ländern, die die Absicht haben, ihre ersten Reaktoren zu bauen.
Die Bedenken zum Betrieb und der Überwachung von Atomkraftwerken sind
jedoch nicht nur auf Entwicklungsländer beschränkt. Die japanische
Atomindustrie beispielsweise konnte seit den falschen Berichten über
Risse in Reaktoren vor fünf Jahren ihr Ansehen in der Öffentlichkeit
nicht wiederherstellen.
Die schwedischen Betreiber eines deutschen Reaktors kamen letzten Sommer
in die Schusslinie, als die Öffentlichkeit von einem Feuerausbruch erst
verspätet unterrichtet wurde. Eine Notabschaltung in einem bulgarischen
Reaktor wurde erst zwei Monate später von einem anonymen Informanten
publik gemacht.
Die Transparenz der Atomindustrie wird zweifelsohne noch größere
Probleme aufwerfen, wenn Atomkraftwerke in Ländern stehen, die nicht
gerade als auskunftsfreudig gelten. Dazu gehört in erster Linie China.
Wenn man sich an die Zurückweisung ausländischer Beobachter bei der
letzten Parlamentswahl in Thailand erinnert, taucht unwillkürlich die
Frage auf, ob auch Thailand überhaupt bereit ist, Beobachter der
Internationalen Atombehörde zuzulassen bzw. Störfälle zu melden.
Sind Schwellenländer wie Thailand in der Lage, die Verantwortung für
Atomkraftanlagen zu tragen? Einen Hinweis darauf könnte die
Unfallstatistik in der Arbeitswelt geben. Eine finnische Studie gibt die
Anzahl von Arbeitsunfällen in den asiatischen Ländern (ohne China und
Indien) mit 16.000 Unfällen pro 100.000 Arbeitnehmer an. In den USA sind
es 5,2 und in Frankreich 3 Unfälle pro 100.000 Arbeiter. Diese Zahlen
sprechen für sich. Weitere Fragen tun sich auf bei der Lagerung von
atomaren Abfällen, die über Generationen hinaus gesichert werden müssen.
Korruption und Nationalstolz spielen in vielen Ländern eine große Rolle.
Können Sicherheitsstandards gewährleistet werden und wer kann bei
Störfällen zur Rechenschaft gezogen werden? Viele unbeantwortete Fragen
verbleiben. Ist es wirklich nötig, dass alle Atomkraftwerke haben
müssen? Ich meine nein. Ein Land wie Thailand sollte sich mehr auf die
Produktion von erneuerbaren Energien wie Biogas oder Sonnenenergie
konzentrieren. Davon würde nicht eine einzelne Industrie profitieren,
sondern die große Masse der Bauern und Farmer.
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