Neues Denken ist gefragt

Franz Schmid

Die neue thailändische Regierung nimmt zurzeit einen Anlauf, endlich das zu tun, was vorherige Regierungen nicht geschafft haben: einen Dialog mit dem von Aufruhr und blutigen Szenen geplagten Süden aufzunehmen. Die Öffentlichkeit hat sich anscheinend an die seit vier Jahren anhaltenden Unruhen gewöhnt. Die Medien nehmen von explodierenden Bomben und der Ermordung von Lehrern nur noch am Rande Notiz. In diesen Jahren sind über 2.900 Menschen durch Schießereien von vorbeifahrenden Motorrädern, Bombenattentate und feige Morde in den drei südlichen Provinzen Pattani, Yala und Narathiwat ums Leben gekommen. Im ansonsten vom Buddhismus geprägten Königreich stellen in diesen Provinzen Muslims die Mehrheit der Bevölkerung.
Umso erstaunlicher ist es, dass die neue Regierung, der der Ruf der Rechtslastigkeit anhängt, sich dieses Themas als erste ihrer Amtshandlungen annimmt. Militärische und politische Maßnahmen der Vergangenheit haben sich als erfolglos herausgestellt. Der Aufmarsch von Truppen (zurzeit sind 40.000 Soldaten und Polizeioffiziere im Einsatz) hat nichts genützt, ebenso wurden die Hoffnungen enttäuscht, Putschgeneral Sonthi, selbst ein Muslim aus dem Süden, könnte Frieden in die Provinzen bringen.
Der neue Innenminister hat über die Situation laut nachgedacht und sieht es als „eine Möglichkeit“ an, den betroffenen Provinzen eine bedingte Selbstverwaltung zuzugestehen, eine Unabhängigkeit stehe aber nicht zur Debatte. Die von islamischen Extremisten geforderte Unabhängigkeit wäre wohl auch politisch und wirtschaftlich kaum durchführbar, da sie diese Provinzen in die Isolation treiben würde. Das islamisch geprägte Malaysia hatte schon vor geraumer Zeit angekündigt, dass es einer Unabhängigkeit skeptisch gegenüber stehe. In Kuala Lumpur befürchtet man ein Übergreifen der Militanz auf die benachbarten malaysischen Provinzen.
Die Ursprünge der Unruhen reichen bis in die Königreiche von Sukhothai und Ajutthaya zurück. Damals wurden fünf malaysische Staaten, unter ihnen das Sultanat Pattani zu Vasallen Siams gemacht. Nach dem Fall Ajutthayas errang Patthani zwar 1767 wieder seine Unabhängigkeit, wurde aber 1909 durch eine Übereinkunft mit dem Britischen Empire wieder von Siam einverleibt. Die zu Pattani gehörigen Teile Yala und Narathiwat wurde unter siamesischer Hoheit zu selbständigen Provinzen gemacht. Dies erklärt auch, warum gerade in diesen drei südlichen Provinzen eine islamische „Unabhängigkeitsbewegung“ entstand. Die islamische Bevölkerungsmehrheit sieht sich als Bürger zweiter Klasse und fühlt sich mehr ihren malaysischen Nachbarn verbunden als der Verwaltung im fernen Bangkok. Dieser werden Diskriminierung, Unterdrückung der eigenen Sprache und Schrift, Polizeibrutalität, Korruption und Einschränkung der Religionsausübung vorgeworfen. Bangkok wiederum sieht nur Unruhestifter am Werke und weist alle Vorwürfe von sich.
Einen Ausweg aus diesem Teufelskreis der gegenseitigen Beschuldigungen will nun die Regierung finden. Es ist das erste Mal überhaupt, dass eine politische Lösung in Betracht gezogen wird. Allerdings steht eine politische Gratwanderung bevor, in der sowohl die übergeordneten Interessen des thailändischen Staates gewahrt, aber auch Wege gefunden werden müssen, um in den südlichen Provinzen wieder Ruhe einkehren zu lassen. Daher ist neues Denken gefragt. Der neuen Regierung steht eine schwere Aufgabe bevor.