Grausame Wirklichkeit

Franz Schmid

Ein Drama machte vor zwei Wochen weltweit Schlagzeilen. 54 Arbeiter aus Birma, die illegal in einem Kühllastwagen nach Thailand eingeschmuggelt wurden, erstickten darin, weil die Klimaanlage ausgeschaltet wurde bzw. nicht richtig funktionierte. Als der Fahrer des Lastwagens sich dessen bewusst wurde, öffnete er die Türen des Containers, sah die Leichen und rannte davon.
Es scheint, als sei dies nur die Spitze eines Eisberges, über den man nicht gerne spricht, schon gar nicht im Zusammenhang mit Wanderarbeitern aus Birma. Hunderttausende birmanische Wanderarbeiter werden in Thailand in Industriezweigen wie Fischerei und dem Baugewerbe beschäftigt, aber auch als Haushaltshilfen. Wie viele es genau sind, kann niemand sagen, da nur die wenigsten sich registrieren lassen. Thailand hat im Gegensatz zu einigen seiner Nachbarn, wie beispielsweise Birma, Kambodscha und Laos, einen Wirtschaftsboom zu verzeichnen, der viele Arbeitssuchende eben aus diesen Ländern anlockt. Hinzu kommt, dass im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs viele Thais bestimmte Arbeiten nicht mehr annehmen wollen, die gemeinhin als „schmutzig, gefährlich und erniedrigend“ gelten. Es besteht also ein Bedarf an einer Gruppe von Arbeitskräften, den der heimische Arbeitsmarkt nicht decken kann. Die thailändische Regierung hat zwar eine Reihe von Registrierungsverfahren in Gang gesetzt, um für diese Zuwanderer einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, aber die Durchführung dieser Regeln kann als gescheitert angesehen werden.
Neben den illegalen Zuwanderern gibt es noch 140.000 birmanische Flüchtlinge, die in grenznahen Lagen leben. Es ist diesen Flüchtlingen nicht gestattet, zu arbeiten. Daneben gibt es noch Zehntausende von Shan Flüchtlingen, die aus politischen Gründen nicht in ihre Heimat zurückkehren können, da sie von der dortigen Regierung verfolgt werden. Alles in allem ein trostloses Bild.
Da thailändische Unternehmen nun auf Arbeitskräfte angewiesen sind, die Arbeiten ausführen, die für Thais „unannehmbar“ sind, ist es kaum verwunderlich, dass sich hier wohl ein nicht unbedeutender Schwarzmarkt über die grüne Grenze mit billigen Arbeitskräften entwickelt hat. Die Löhne dieser Wanderarbeiter liegen unter dem, was ein Thai als Mindestlohn verlangen kann. Sind die Zuwanderer erstmal in Thailand, müssen sie oft unter menschenunwürdigen Bedingungen leben und arbeiten. Beschweren können sie sich nicht, denn dann droht die Ausweisung. Für die Vermittlung eines Jobs bzw. des Schmuggels zahlen sie bis zu 10.000 Baht. Sie brauchen Monate, um dieses Geld wieder zu verdienen.
Menschenschmuggelorganisationen verdienen prächtig an diesem Geschäft und selten fliegt so etwas – wie im erwähnten Fall – auf. Das ist die dunkle Seite einer boomenden Wirtschaft in einem Schwellenland wie Thailand. Der Tod dieser bedauernswerten Menschen kann aber auch etwas bewirken. Vielleicht kümmern sich nun Menschenrechtsorganisationen intensiver um die Verwirklichung ihrer hochgesteckten Ziele. Wegsehen kann nun niemand mehr.