Die größte Wasserschlacht der Welt
Franz Schmid
Wie die meisten wohl wissen, hat das thailändische Neujahr, das
Songkran-Festival, tief verwurzelte Traditionen in der Kultur dieses Landes.
Einige Traditionen werden heute noch gepflegt, wie die rituellen Waschungen von
Buddhafiguren oder das Benetzen der Hände älterer Familienangehöriger mit
Wasser.
Dieses Brauchtum hat sich im Laufe der Zeit dazu entwickelt, dass sich alle
Personen gegenseitig mit Wasser übergießen. Das hat in den letzten Jahren solche
Formen angenommen, dass in manchen Großstädten Thailands regelrechte
Wasserschlachten toben, die sich über mehrere Tage (in Pattaya waren es neun)
hinziehen. Auf offenen Umzugswagen werden von den Feiernden gefüllte
Wassertonnen, oft mit Eiswürfeln angereichert, durch die Straßen gefahren. Diese
dienen dazu, Eimer, Flaschen, Wasserpistolen, selbst gebastelte Wasserkanonen
usw. nachzufüllen, um die Mitmenschen – gefragt oder ungefragt – mit möglichst
viel Wasser zu bespritzen. An den Straßenrändern kommen Wasserschläuche zum
Einsatz, die mit Wasser aus dem öffentlichen Versorgungsnetz gespeist werden.
Harmlos muten da noch die Elefantenbabys an, die mit ihren Rüsseln Wasser aus
Trögen verspritzen und die Vorübergehenden bzw. Vorüberfahrenden nass machen.
Rücksicht wird bei diesem Treiben auf niemanden genommen. Bei dieser Gelegenheit
sind viele der Songkran-Feiernden alkoholisiert, was sich in Unfall- und
Todeszahlen ausdrückt. In diesem Jahr sind auf Thailands Straßen über 300 Tote
zu beklagen und bei Verkehrsunfällen gab es fast 5.000 Verletzte. Wer trocken
bleiben will, muss zu Hause bleiben oder kann sich nur in einem geschlossenen
Wagen fortbewegen. Das Auto muss allerdings danach gewaschen werden, da auch
Pampe aus Babypuder und Reispulver kräftig verteilt wird.
Ist dieses Wasserfestival den Preis wert, der dafür gezahlt werden muss?
Songkran fällt in die Jahreszeit, die hierzulande Sommer genannt wird. Überall
im Land werden Höchsttemperaturen gemessen, teilweise ist die Hitze
unerträglich. Wasserknappheit herrscht in vielen Gegenden, selbst Teile
Südthailands sind betroffen, die bisher immer mit ausreichend Regen rechnen
konnten. Ist es da nötig, so bedenkenlos mit dem kostbaren Nass umzugehen? Wie
viel Millionen Kubikmeter mögen zu Songkran vergeudet worden sein? Wasser, das
zum Beispiel sinnvoller zur Bewässerung in der Landwirtschaft hätte eingesetzt
werden können. Ist es nicht vielmehr so, dass diese Wasservergeudung zu Songkran
nicht gerade auf Gegenliebe bei der Mehrheit der Bevölkerung und der Touristen
stößt? Keineswegs ist der Durchschnittsbürger davon begeistert, wenn er über
Tage in einer Art Belagerungszustand leben muss und seinen Geschäften nur noch
halbwegs nachkommen kann. Speziell Pattayas Stadtverwaltung sollte darüber
nachdenken, ob sie weiterhin zügelloses Treiben zu Songkran zulässt. Wer als
harmloser Tourist zum ersten Mal zu Songkran in der Stadt war, wird es sich
schwer überlegen, ein zweites Mal zu kommen. Viele Hotels haben das zu spüren
bekommen, die Belegungsquote sank. Man spricht zwar nicht gerne darüber, aber
die extensiven Songkran-Wasserschlachten schaden im Grunde dem Tourismus. Wäre
es nicht besser, Songkran auf ein einziges Wochenende zu beschränken? Dann
könnten sich die Unentwegten austoben und die anderen bräuchten nicht unter den
Wasserschlachten zu leiden. Es ist ja keineswegs Pflicht, nass zu werden.
Rücksicht auf Natur und Mensch sollte ernst genommen werden, das gilt auch für
Songkran.
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