Ein Regime zeigt
sein wahres Gesicht
Franz Schmid
Eine Naturkatastrophe unvorstellbaren Ausmaßes hat Birma getroffen. Der
Tropensturm Nargis hat weite Teile des Irrawaddy-Flussdeltas, die Reisschüssel
Birmas, und darüber hinaus verwüstet. Wahrscheinlich sind weit über 150.000
Menschen ums Leben gekommen, fast zwei Millionen Menschen sind nach Schätzungen
von Hilfsorganisationen obdachlos. Ein Großteil dieser Menschen wird an Seuchen
und Hunger zugrunde gehen. Diese Zahlen übersteigen fast das menschliche
Fassungsvermögen und übertreffen noch die Horrormeldungen über den Tsunami im
Jahre 2004.
Die Hilfsbereitschaft der internationalen Gemeinschaft war sogleich groß und es
wurde Hilfe aller Art, Lebensmittel, Trinkwasser, Medikamente, provisorische
Unterkünfte mit sanitärer Ausstattung und vieles mehr den betroffenen Menschen
in Birma angeboten. Doch nur langsam sickert die Hilfe ein.
Das Land wird seit 1962 von verschiedenen Generalscliquen mit eiserner Faust
regiert. Die letzten demokratischen Wahlen fanden 1990 statt. Die Ergebnisse
wurden von den Generälen ignoriert und die Wahlen für ungültig erklärt. Seit
April 1992 ist General Than Shwe Staatschef; er trägt den Titel „Vorsitzender
des Staatsrats für Frieden und Entwicklung“. Das Land wird als eine Kleptokratie
geführt; die Militärs üben willkürliche Verfügungsgewalt über Besitz und
Einkünfte der Beherrschten aus und bereichern sich auf Kosten der Bürger des
Landes. Birma gehört zu den ärmsten Ländern der Region. Das
Durchschnittseinkommen beträgt 1,70 Euro pro Tag. 50 Prozent des
Staatshaushaltes werden seit Jahren für Militär, Polizei und Geheimdienste
aufgewendet, in das Gesundheitssystem fließen nur drei Prozent. Eine
Spitzenstellung nimmt Birma nicht nur bei der allgegenwärtigen Korruption,
sondern auch bei der Produktion von Amphetaminen ein. Diese auf chemischem Wege
hergestellten Drogen werden tonnenweise in versteckten Fabriken im Dschungel
hergestellt und hauptsächlich über Thailand und China weltweit exportiert,
Regierungsvertreter soll dabei kräftig mitverdienen. Seit einigen Jahren hat
sich das Land aus wirtschaftlichen Gründen dem Devisen einbringenden Tourismus
geöffnet. Flughäfen und Straßen für die entsprechende Infrastruktur wurden mit
Zwangsarbeitern ausgebaut.
Angesichts dieser trostlosen Lage kann man es schon nachvollziehen, dass die
Generäle fast zwei Wochen dazu brauchten, um die Genehmigung für die Einfuhr von
Hilfsgütern zu erteilen, technisches Personal zur Verteilung der Hilfsgüter
wurde anfangs überhaupt nicht zugelassen. Die Generäle hatten Angst, dass die
Wahrheit über die Zustände in ihrem Land ans Tageslicht kommt. Ein
jahrzehntelang getäuschtes Volk, das praktisch von der Außenwelt abgeschirmt
war, hätte erfahren, wie machtlos die sonst so Mächtigen sind. Hilfslieferungen
wurden so lange wie möglich hinausgezögert. Man bediente sich dabei auch
skrupelloser Taschenspielertricks wie der Umetikettierung von Hilfsgütern aus
anderen Ländern, das Überkleben von Adressen ausländischer Absender mit den
Namen des Vorsitzenden des Staatsrats für Frieden und Entwicklung, der für die
jetzt buchstäbliche Friedhofsrufe im Land verantwortlich ist.
Die Generalsclique hat grenzenlose Angst davor, die Macht zu verlieren und dass
auffliegt, wie korrupt sie war. Daher wurde auch das Verfassungsreferendum ohne
Rücksicht auf die Lage der Nation durchgezogen, immerhin hatten sie vierzehn
Jahre gebraucht, um einen Verfassungsentwurf vorzulegen. Diese harte Arbeit
durfte doch nicht vergebens sein! Birma war bis zur Machtergreifung der Militärs
die „Kornkammer Asiens“ und relativ wohlhabend. Die Generäle haben das Land
herunter gewirtschaftet und zeigten nun der Welt unverhohlen ihr grausames
Gesicht. Birma kann nur wieder erblühen, wenn diese menschenverachtende Clique
von der Bildfläche verschwindet. Das ist den Menschen in Birma aus ganzem Herzen
zu wünschen.
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