Geschmacklos oder Touristenattraktion?

Franz Schmid

Bisher gab es nur im Nordwesten Thailands die zweifelhafte Möglichkeit, künstliche Touristendörfer, besser gesagt Freilichtmuseen, mit den so genannten „Giraffenfrauen“ oder „Langhalsfrauen“ zu besichtigen. Das hat sich seit geraumer Zeit geändert. Ein weiteres Dorf wurde in Sattahip eröffnet, in der Hoffnung, möglichst viele zahlungskräftige Touristen anzulocken. Die Eintrittspreise sind moderat, wie gewohnt im bewährten Zweiklassen-Preissystem, 25 Baht für Einheimische, 250 Baht für Ausländer.
Bei den Frauen handelt es sich um aus Birma stammende Angehörige der Paduangs oder Karen. Der im Grenzgebiet zu Birma lebende Stamm bezeichnet sich selbst als Kayan. Bei den Frauen wird eine Jahrhunderte alte Tradition unbekannter Herkunft gepflegt, die Hälse mit möglichst vielen Metallringen zu schmücken. Der bis zu zehn Kilogramm schwere Schmuck drückt dann im Laufe der Jahre Schultern und Schlüsselbeine herunter. Das vermittelt den Eindruck langer Hälse. Auch an Armen und Beinen tragen sie mitunter unzählige Blech- und Messingringe.
Dieses ungewöhnliche Schönheitsideal wird von thailändischen Reiseveranstaltern ausgenutzt, um Touristen Exotisches und Ungewöhnliches gegen Entgelt zu bieten. Wer in ferne Länder reist, möchte bekanntlich gern etwas Neues, Faszinierendes und Unbekanntes sehen. Doch wo liegt die Grenze zwischen touristischer Neugier und Geschmacklosigkeit?
Mit Sicherheit sind nicht alle dieser Frauen ganz freiwillig hier. Die meisten von ihnen sind vor der Militärjunta in Birma geflohen. In Flüchtlingslagern an der thailändisch-birmanischen Grenze leben Tausende dieser Kayan. Sie bekommen keine Arbeitsgenehmigung und sind auf internationale Hilfe angewiesen. Den Frauen, die in den „Touristendörfern“ arbeiten, fehlt jede Alternative, denn sie dürfen die Dörfer nicht verlassen. Sie bekommen nur Geld, wenn das Geschäft gut läuft. Von dem wenigen Geld müssen sie ihre Familien unterhalten.
Gut in Erinnerung ist noch, dass im vergangenen Jahr die thailändische Regierung einer Gruppe Kayan-Frauen die Ausreise nach Neuseeland verweigert hatte. Die neuseeländische Regierung hatte angeboten, die Gruppe aufzunehmen. Diese Frauen waren zwar als Flüchtlinge in Thailand eingereist, wurden aber in ein von thailändischen Geschäftsleuten betriebenes Dorf gelockt, in dem sie als Touristenattraktion dienten. Daher wurde ihnen der Flüchtlingsstatus aberkannt, da sie das Flüchtlingsdorf verlassen hatten.
Die Errichtung dieser Dörfer ist auf starke internationale Kritik gestoßen. Als „Menschenzoo“ bezeichnet das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR diese Einrichtungen. Der Bezirkschef von Sattahip, Narong Thirachantarangkoon, sieht das natürlich anders: „…die Karen leben freiwillig hier“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. „Das ist besser, als wenn sie in ihrer Heimat bleiben und verhungern.“
Menschliches Elend wird hier schamlos ausgenutzt und noch als Mildtätigkeit deklariert. Wer eines dieser „Touristenattraktionen“ besucht, sollte daran denken, dass nur ein Bruchteil seines Geldes – wenn überhaupt – bei diesen bedauernswerten Menschen ankommt.