Wen interessiert das schon?

Franz Schmid

Einem Bericht der Bangkok Post zufolge hat der Gouverneur der Provinz Mae Hong Son eine Untersuchung über das Verschwinden von elf Angehörigen des Langhals-Stammes der Karen eingeleitet. Diese elf Personen sollen angeblich aus zwei Dörfern entführt worden sein. Der Bergstamm bewohnt das Grenzgebiet von Birma und Thailand. Einige Dörfer sind zu Touristenattraktionen ausgebaut worden. Die Frauen tragen um ihre Hälse Messingringe, die den Eindruck vermitteln, der Hals sei länger als bei normalen Menschen. Gegen Eintritt können die Dörfer besichtigt werden.
Der Gouverneur schließt nicht aus, dass hier Menschenhandel im Spiel ist. Die Untersuchung wurde jedoch erst eingeleitet, als sich der Vorsitzende eines Netzwerkes zum Schutz des Lanna Tourismus’ meldete und um Hilfe bat. In dem Schreiben wurde der Polizei Untätigkeit vorgeworfen.
Der örtliche Beauftragte der beiden Dörfer sagte, dass Stammesangehörige auch schon vorher gegen Geld entführt wurden. Bei den elf Personen handelt es sich um sieben Erwachsene und vier Kinder. Die Posten der Autobahnpolizei wurden in Alarmbereitschaft gesetzt. In der Nachbarprovinz Chiang Mai wurden Touristenorte inspiziert, um festzustellen, ob sich die vermissten Personen dort aufhalten, jedoch ohne Erfolg.
In vorher bekannt gewordenen Fällen wurden die Karen gezwungen, bei nicht genehmigten Shows oder in nachgemachten Langhals-Dörfern zu arbeiten. Angeblich sollen bei diesen Entführungen Polizisten den Menschenschmugglern gegen große Summen von Geld geholfen haben.
In letzter Zeit haben die Besuche von Touristen in Mae Hong Son dramatisch abgenommen. Urlauber brauchen nun nicht mehr lange Strecken über Land zu fahren, um Langhals-Dörfer zu besichtigen. Diese Besuche können nun woanders in nicht so abgelegenen Gegenden gemacht werden.
Ein Offizier der Touristenpolizei in Chiang Rai meinte sogar, die Menschenschmuggler arbeiten von Sattahip und Pattaya aus. Der Beamte mag mit seiner Meinung falsch liegen. Tatsache ist aber, dass der vor wenigen Monaten in Sattahip eröffnete „Menschenzoo“ weltweit für Aufsehen sorgte und internationale Menschenrechtsorganisationen dagegen protestierten. Die wirtschaftliche Wahrheit sieht so aus, dass die dort „Beschäftigten“ nur wenig Geld für ein gerade ausreichendes Auskommen erhalten, die Eintrittspreise dagegen gepfeffert sind. Ein gutes Geschäft für die Unternehmer. Dieses Geld geht den Langhals-Dörfern in Mae Hong Son verloren. Der Bergstamm wird also doppelt bestraft.
Leider hat Thailand augenscheinlich keine wirksame Gesetzgebung, die auf den Schutz von Minderheiten zielt. Diesen Mangel machen sich skrupellose Geschäftemacher zunutze. Ein weiterer Mangel in der Verfolgung von Straftaten dieser Größenordnung ist die Polizeihoheit, die nur für die entsprechende Provinz gilt. Eine Bundespolizei, wie in europäischen Staaten und den USA üblich, gibt es hier nicht. Amtshilfegesuche in andere Provinzen verschlingen viel Zeit, die von den Straftätern zur Vertuschung ihrer Taten ausgenützt wird. Der geschilderte Fall sollte den Gesetzgeber zum Nachdenken bringen. Aber wen interessieren schon ein paar verschwundene exotische Bergstammangehörige?