Lohnt sich Ehrlichkeit noch?

Franz Schmid

Wer hat es nicht schon selber erlebt: Der Griff zum Portemonnaie oder zur Brieftasche – und dann der Riesenschreck – sie sind nicht mehr da. Vergessen, verloren?
Wie mögen sich da die beiden Touristen aus Oman gefühlt haben, die kürzlich eine Tasche mit fast 500.000 Baht Bargeld, drei Flugtickets und drei Reisepässen in einem Bahtbus haben liegenlassen? Pattaya Blatt berichtete in der letzten Ausgabe darüber.
Aber es gibt sie noch, die ehrlichen Finder! Der Taxifahrer brachte die Tasche mit vollständigem Inhalt auf die Polizeistation, wo zufälligerweise zur gleichen Zeit einer der Touristen die Verlustanzeige aufgab. Doch der glückliche Umstand, die Wertsachen so schnell zurück erhalten zu haben, ließ den Omani anscheinend unbeeindruckt. Er gab dem Taxifahrer sage und schreibe 2.000 Baht als Finderlohn.
Es entzieht sich meiner Kenntnis, inwieweit es in Thailand gesetzliche Vorschriften für Finderlohn gibt. In den meisten westlichen Ländern ist die Höhe des Finderlohns geregelt. Dieser beträgt beispielsweise in Deutschland fünf Prozent des Sachwertes, bei Sachen in einem Wert von über 500 Euro drei Prozent. Dieser Finderlohn ist rechtlich gesichert und einklagbar. Unabhängig davon steht es natürlich jedem frei, einen Finderlohn darüber hinaus festzusetzen.
In unserem Falle wären das mindestens 15.000 Baht, wenn man den Wert der Tickets und Reisepässe unberücksichtigt lässt. Den Finderlohn mit 2.000 Baht zu bemessen, ist mehr als schäbig. Soviel geben die drei Touristen an einem Abend mindestens aus, wenn sie ins Kino gehen und anschließend vielleicht noch einen Drink nehmen. Der Finderlohn steht in keinem Verhältnis zum Wert der verlorenen Gegenstände. Wie muss dem Taxifahrer bei dieser außerordentlichen Großzügigkeit zumute gewesen sein? Was mag ihm durch den Kopf geschossen sein? Lohnt sich Ehrlichkeit überhaupt noch, wenn dieser Kleckerbetrag die Belohnung für seine Mühe sein soll?
Taxifahrer in Pattaya kommen nicht gerade aus wohlhabenden Verhältnissen. Bei vielen Familien zählt jeder Baht, heute mehr denn je bei den gestiegenen Lebenshaltungskosten. Was wird die Familie sagen, die zwar einen aufrichtigen Ernährer hat, aber zu spüren bekommen hat, wie offensichtlich sehr reiche Ausländer sich so geizig gezeigt haben?
Der Taxifahrer hat sicherlich zum guten Image von Pattaya beigetragen, das ja unter vielen schlechten Nachrichten leidet. Die Botschaft kommt bestimmt bei vielen Touristen gut an und unterscheidet sich von der normalen Berichterstattung über Raubüberfälle, Drogenhandel usw. angenehm positiv.
Es sollte wirklich mal darüber nachgedacht werden, ob man Personen wie diesen Taxifahrer nicht auch öffentlich durch die Stadtverwaltung für seine Aufrichtigkeit auszeichnen sollte. Das hätte er wirklich verdient.