Verbraucherschutz
muss endlich Vorrang haben
Franz Schmid
Einer der größten Lebensmittelskandale des Jahrhunderts hat auch in Thailand
seine Spuren hinterlassen. In China wurde Milchpulver mit Melamin gestreckt, um
einen höheren Proteingehalt vorzutäuschen. Die chemische Industrie verwendet
Melamin zur Herstellung von Plastikprodukten und Dünger. Eine hohe Dosis in
Lebensmitteln führt zur Bildung von Nierensteinen und im Extremfall zu
Nierenversagen.
Erkrankt sind in China über 54.000 Kinder, mindestens vier starben an
Nierenversagen. Das Milchpulver wurde in ganz Asien vertrieben, auch in
Thailand. Inzwischen wurden alle verdächtigen Produkte chinesischer Herkunft aus
den Regalen der Lebensmittelhändler genommen.
Es ist nicht der erste Skandal mit in China hergestellten Produkten. Vor zwei
Jahren wurde in den USA in aus China eingeführtem Weizengluten, einem
Bestandteil von Haustierfutter, Melamin entdeckt. Die Fütterung löste bei
Haustieren ebenfalls Nierenversagen aus; das Tierfutter wurde wieder vom Markt
genommen. In einigen europäischen Ländern ist die Einfuhr chinesischer
Milchprodukte seit Jahren nicht zulässig, so zum Beispiel in Österreich seit
2002. Die Kommission der Europäischen Union hat im letzten Monat die Einfuhr von
Nahrungsmitteln, die Milchanteile enthalten, für Kleinkinder und Säuglinge
verboten. Damit wird das vor sieben Jahren erlassene Einfuhrverbot von Milch und
Milcherzeugnissen aus China ergänzt.
Die thailändische Lebensmittelbehörde FDA hat inzwischen auch ein Importverbot
von Milch und Milchprodukten aus China verhängt. Das fragliche Milchpulver wurde
in Thailand hauptsächlich zur Herstellung von Joghurt verwendet. Die Behörde
sagte, Babynahrung werde in Thailand nur mit Milcherzeugnissen aus Europa und
Neuseeland hergestellt.
Der Skandal wirft die Frage auf, an wen sich erkrankte Verbraucher wegen
Schadensersatz wenden können. In Europa und den USA gibt es dafür gesetzliche
Regeln, die jedoch in diesem Umfang in Thailand (und anderen asiatischen
Staaten) fehlen. Diese Gesetzeslücke soll nun geschlossen werden. Am 23. Februar
2009 soll ein entsprechendes Gesetz in Thailand in Kraft treten. Hersteller,
Importeure und Verkäufer können dann für Schäden, die von unsicheren Produkten
verursacht werden, haftbar gemacht werden. Abzuwarten bleibt allerdings,
inwieweit die Verbraucher auf dieses Gesetz dann zurückgreifen und ihre Rechte
einfordern werden. Verbraucherschutz ist bislang in Thailand ein eher
unbekannter Begriff. Zwar ist es Pflicht, Endverpackungen mit den Inhalten und
dem Verfallsdatum zu deklarieren, aber damit endet auch schon die Haftung der
Hersteller. Das neue Gesetz wird Bewegung in das Konsumverhalten in Thailand
bringen. Eine Folge wird die Bildung von Verbraucherschutzorganisationen sein.
Die Hersteller hingegen werden sich gegen finanzielle Risiken schützen wollen
und dementsprechende Versicherungen abschließen. Die Kosten dafür werden sie mit
Sicherheit auf den Verbraucher durch Preiserhöhungen abwälzen. Durch das neue
Gesetz wird jedoch die Sicherheit des Verbrauchers nicht erhöht. Letztlich
bleibt es ihm überlassen, ob er den Informationen des Produzenten Glauben
schenkt. Hier gibt es für den Gesetzgeber noch viel zu tun. Verbraucherschutz
sollte den Vorrang vor den Interessen der Industrie haben. Die Nachlässigkeit
der Behörden hat zum Milchpulverskandal geführt. Diese Warnung sollte verstanden
werden.
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