Wir leben nicht in Utopia
Franz Schmid
Zwei Meldungen der letzten Wochen mögen bei manchen Lesern zu Stirnrunzeln,
wenn nicht zu Kopfschütteln geführt haben. Da war einmal die Schlagzeile
„Pattaya als behindertenfreundliche Stadt ausgezeichnet“ und „4 Milliarden Baht
für Einschienenbahn geplant“. Beide Meldungen stehen in engem Zusammenhang, auch
wenn es auf den ersten Blick nicht so erscheinen mag.
Es stimmt, dass viele Hotels und private Einrichtungen in Pattaya sich darum
bemühen, etwas für ihre behinderten Gäste und Besucher zu tun. Doch dies sind
reine Privatinitiativen, mit denen sich hier die Stadtverwaltung schmücken will.
Was die Infrastruktur Pattayas betrifft, kann man schwerlich von einer
„behindertenfreundlichen Stadt“ sprechen. In der Vergangenheit sind zwar viele
Ansätze dazu gemacht worden, doch die durchgeführten Projekte wurden
vernachlässigt bzw. ad absurdum geführt. Rampen für Behinderte, die von der
Straße zum Strand führen, sind kaum noch benutzbar, wie zum Beispiel am Wongamat
Strand und anderswo. Bürgersteige wurden zwar auch mit behindertengerechten Ab-
und Auffahrten versehen, aber vielerorts kommt man nicht weit, da Strommasten,
Reklameschilder oder Telefonzellen die Weiterfahrt blockieren. Pattaya ist weit
davon entfernt, eine behindertengerechte Stadt zu sein. Die Stadtverwaltung
sollte jedenfalls erstmals ihre Hausaufgaben machen, bevor sie an solchen
Wettbewerben teilnimmt.
Für die Verkehrsprobleme Pattayas hat man nun das Ei des Kolumbus gefunden: eine
Einschienenbahn hoch in den Lüften. Man braucht kein großer Verkehrsexperte zu
sein, um bei diesem Plan Zweifel anzumelden. Die Stadt Pattaya ist seit ihrem
Bestehen gewachsen, ziemlich planlos wie sich jetzt herausstellt. Der Platz für
ein solches Projekt ist einfach nicht vorhanden, abgesehen davon, dass sich die
Bauarbeiten – bei dem in Pattaya üblichen Tempo – wohl über Jahrzehnte hinziehen
würden. Und wo bleiben dabei die Behinderten? Sie hätten auf den Gehwegen noch
weniger Platz, sie bräuchten Lifte, um auf den Bahnsteig hoch über dem
Straßenniveau zu kommen. Wer soll letztlich das alles bezahlen? Die
Stadtverwaltung hat ja seither eine Vorliebe für Kreisverkehr. Um von Punkt A zu
Punkt B zu kommen, muss man teilweise eine Rundreise durch die Stadt machen.
Ebenso verhält es sich mit der geplanten Streckenführung. Es gibt nur eine
Richtung. Wer vom Rathaus zum Strand will, macht erstmal eine Stadtrundfahrt.
Der Stadt Pattaya ist es nie gelungen, ein öffentliches Nahverkehrssystem
einzuführen, zum Beispiel Buslinien. Die Einschienenbahn ist ein reiner
Gigantismus, der in den Bereich Wunschdenken gehört. Wir leben nicht in Utopia,
sondern in der realen Welt. Die Verantwortlichen sollten sich nicht bei
undurchführbaren Megaprojekten verzetteln, sondern etwas auf den Weg bringen,
was allen zugute kommt: eine behindertenfreundliche Stadt mit einem durchdachten
Verkehrskonzept!
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