Wie viele Krisen
kann das Land ertragen?
Franz Schmid
Thailand hat seit der vergangenen Woche eine neue Regierung. Der
Oppositionspolitiker Abhisit Vejjajiva, Vorsitzender der Demokratischen Partei,
konnte eine ausreichende Anzahl der Stimmen im Parlament auf sich vereinigen.
Damit sind zumindest einmal die Protestdemonstrationen der „Volksallianz für
Demokratie“ beendet. Letztere haben damit ihr Ziel erreicht, dass Sympathisanten
des gestürzten Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra keine Teilhabe an der
Macht mehr haben. Doch reicht das aus, um dem Land den dringend benötigten
innerpolitischen Frieden zu bringen?
Abhisit hat den wohl undankbarsten Posten übernommen, der in Thailand zurzeit zu
vergeben ist. Der 44-jährige Oxford-Absolvent sieht sich einem kaum zu
bewältigendem Berg von Problemen gegenüber. Es gilt, das zwischen Anhängern und
Gegnern Thaksins gespaltene Land zu versöhnen und gleichzeitig die Wirtschaft
wieder auf ein solides Fundament zu stellen. Die Belagerung der Flughäfen hat
einen beträchtlichen Image-Schaden für Thailand gebracht, der nicht so leicht zu
reparieren ist. Bei diesen Aufgaben muss er jedoch Rücksicht auf die kleineren
Parteien nehmen, die seine Wahl ermöglichten. Seine Partei genießt bei
Unternehmern und in der Mittelklasse ein hohes Ansehen, jedoch fehlt ihm die
Verbindung zur armen Landbevölkerung, bei der Thaksin immer noch großen Rückhalt
hat. Abhisit gilt als „Saubermann“, er hat eine weiße Weste. Fehlen tut ihm die
Erfahrung in Regierungsgeschäften, er gehörte bisher keinem Kabinett an. Das
kann sich positiv oder negativ auswirken. Einerseits bietet sich damit die
Möglichkeit eines frischen unbelasteten Anfangs, andererseits sind
bekannterweise Fallstricke in der thailändischen Politik keine Mangelware. Doch
es sieht so aus, als ob ihm die Bevölkerung gerade aus diesen Gründen eine
Chance zum Neuanfang geben wird.
Die heutige Wirtschaftskrise ist größer als die 1997er Finanzkrise. Abhisit ist
zwar Wirtschaftswissenschaftler, doch ohne die Hilfe bewährter Fachleute kann er
nicht auskommen. Die Menschen in Thailand erwarten von ihm zügige
Problemlösungen, die er aber aufgrund des globalen Wirtschaftsumfeldes nicht so
leicht liefern kann.
Der Tsunami im Dezember 2004 hat einen zeitweiligen Einbruch in der
Touristenindustrie gebracht. Wie lange Thailand unter den Folgen der
Flughafenbelagerungen noch zu leiden hat, ist ungewiss. Der Militärputsch im
September 2006 hat das Ansehen Thailands im westlichen Ausland geschmälert. Die
zivilen Regierungen nach dem Putsch konnten das Land nicht einen. Die Gewalt in
den südlichsten Provinzen Thailands hält an. Dem neuen Ministerpräsidenten
bleibt die Aufgabe, Gräben zuzuschütten. Denn noch mehr Krisen kann das Land mit
Sicherheit nicht ertragen. Kommt es noch einmal zu Gewaltausbrüchen auf den
Straßen, kann das Land in Anarchie versinken und unregierbar werden. Alle Teile
der Gesellschaft sind dazu aufgerufen, an der Versöhnung mitzuarbeiten.
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