Anspruch und Wirklichkeit

Franz Schmid

Thailändische Gefängnisse stehen nicht im Ruf, angenehme Aufenthaltsorte zu sein. Die meisten Gefängnisse sind überfüllt, manchmal müssen sich Dutzende in einer einzigen Zelle drängen und an Wachpersonal mangelt es überall. Es gibt viele Berichte von Menschen, die den Aufenthalt in einem thailändischen Gefängnis am eigenen Leibe verspürt haben. Die Situation ist unmenschlich, ein willkürliches und oft korruptes Justizsystem verschlimmert die Lage zudem noch. Die Zustände in thailändischen Gefängnissen dienten für viele Filme als Vorlage. Im Verhältnis zu anderen Ländern gesehen, haben die Gefängnisse hierzulande einen äußerst schlechten Ruf. Amnesty International beklagt bei den meisten Gefängnissen in Thailand, dass Häftlinge misshandelt und nicht ausreichend voreinander geschützt werden.
Der Ruf ist weiter angekratzt worden, wenn es überhaupt möglich ist, einen schlechten Ruf anzukratzen. Die Zustände im Bangkoker Gefängnis Klong Prem (genannt „Bangkok Hilton“) und im Gefängnis Khao Bin in Ratchaburi sind derart unhaltbar geworden, dass sich die zuständige Behörde gezwungen sieht, alle Sicherheitsmaßnahmen zu überprüfen und zu überarbeiten. In den Anstalten sind ein blühender Handel mit Drogen und andere Straftaten an der Tagesordnung. Das Gefängnispersonal soll versetzt werden, damit eine Neuorganisation reibungslos vonstatten gehen kann. Ans Tageslicht kam unter anderem ein mit einem Handy aufgenommenes Video, in dem zwei Gefangene in einem Hochsicherheitstrakt Karten spielen. Um „prominente“ Gefangene, die im Drogenhandel tätig waren, besser unter Aufsicht zu haben, sollen diese in besondere Zonen verlegt werden, die technisch auf dem neuesten Stand sind und eine lückenlose Überwachung möglich machen. Das Einschmuggeln von Handys und Drogen soll damit verhindert werden. Besucher können mit Gefangenen nur noch über Telefon sprechen. Besucher und Gefangene sind durch eine Panzerglaswand getrennt.
Zu hinterfragen ist allerdings, wie es zu diesen Zuständen kommen konnte. Die zuständigen Behörden haben dem Treiben in den Gefängnissen über zu lange Zeit tatenlos zugesehen. Wie es in den Gefängnissen zugeht, ist beileibe kein Geheimnis. Anscheinend hat die allgegenwärtige Korruption es ermöglicht, dass einige Gefangene ein privilegiertes Leben führen konnten, während die überwiegende Masse der Gefangenen sich außerhalb ihrer Zellen nur mit schweren Fußfesseln bewegen darf. Einigen Gefangenen wurden allerlei Annehmlichkeiten zugestanden wie das erwähnte Kartenspiel und am Abend vielleicht noch ein Joint.
In den Gefängnissen sitzen die meisten Insassen wegen Drogendelikten. Viele von ihnen waren nicht in der Lage, die erforderliche Kaution aufzubringen. Für sie gibt es auch keinen Prozesstermin oder eine Berufungsverhandlung. Indem man die Drogenabhängigen einfach ins Gefängnis abschiebt, kehrt man das Problem nur unter den Teppich.
Das Versetzen von Beamten bei Skandalen ist in Thailand allgemein üblich. Weniger üblich ist es, den Ursachen auf den Grund zu gehen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Und das sind die Drahtzieher, die am Drogenhandel und anderen Machenschaften in den Gefängnissen kräftig (mit) verdient haben. Die Gefängnisse haben den Anspruch, Gesetzesbrecher wieder in ein ehrbares Leben zurück zu führen. Doch die Wirklichkeit sieht leider anders aus.