Demokratieverständnis auf dem Prüfstand

Franz Schmid

Die Anhänger des gestürzten Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra geben nicht auf. Sie wollen ihren „Helden“ zurück haben. Zehntausende demonstrierten am 1. Februar vor dem Regierungsgebäude und verkündeten zum wiederholten Mal ihre Forderungen: Strafverfolgung der Verantwortlichen der PAD (Volksallianz für Demokratie) in Zusammenhang mit der Belagerung der beiden Flughäfen in Bangkok, Rücktritt des Außenministers Kasit Piromya, Auflösung des Parlaments und Rückkehr zur Verfassung von 1977. Die Demonstranten wollten 15 Tage später ihren Prostest wiederholen, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt werden.
Thaksin selbst erklärte in einem Telefonanruf am folgenden Tag vor Hunderten seiner Anhänger in Nakhon Ratchasima, er werde für Gerechtigkeit in seinem Falle kämpfen, „koste es, was es wolle“. Gleichzeitig erhob er den Anspruch, wieder in die thailändische Politik zurückzukehren. Der derzeitigen Regierung sagte er keine lange Amtszeit voraus; seine Anhänger sollten geduldig sein, er käme bald in die Heimat zurück.
Die Regierung Abhisit schaut dem Treiben eher gelassen zu: die Anhänger Thaksins haben das Recht zu demonstrieren, solange sie sich im gesetzlichen Rahmen bewegen; rechtliche Schritte gegen Anführer der PAD seien bereits eingeleitet worden; an eine Abberufung des Außenministers sei nicht zu denken, die Regierung sei mit seiner Arbeit sehr zufrieden; die Verfassung kann nicht innerhalb von 15 Tagen geändert werden, das sei eine faule Ausrede für weitere Proteste; und schließlich, Thaksin könne jederzeit nach Thailand zurückkehren und den Rechtsweg beschreiten.
Auch die Öffentlichkeit sollte die Demonstrationen gelassen hinnehmen. Thailand befindet sich auf dem Weg zu einem neuen Demokratieverständnis. Dieser Weg ist mühselig in einem Land, in dem die freie Meinungsäußerung einen schweren Stand hat. Regierungskritische Stimmen sind in der Vergangenheit oft unterdrückt worden, Medien mussten „die Schere im Kopf haben“. Dies scheint sich zu bessern, die Regierung nimmt offenbar nicht mehr so großen Einfluss auf die veröffentlichte Meinung.
Ein Demokratieverständnis im westlichen Sinne ist in Thailand nicht vorhanden, die gesellschaftlichen Strukturen stehen dagegen. Wenn die mit roten Hemden bekleideten Demonstranten behaupten, die derzeitige Regierung habe kein Mandat, so sticht dieses Argument überhaupt nicht. Ministerpräsidenten werden nicht per Volksabstimmung gewählt. Derjenige Abgeordnete, der im Parlament die meisten Stimmen auf sich vereinen kann, wird zum Ministerpräsidenten durch das Parlament gewählt. Die derzeitige Regierung hat eine Mehrheit, die voll und ganz reicht. Banale Weisheiten wie diese sollten sich die Anhänger Thaksins ins Gedächtnis rufen, wenn sie sich schon „Vereinte Front für Demokratie gegen Diktatur“ auf ihre Fahnen schreiben. Thailand ist weit entfernt davon, eine Diktatur zu sein, auch wenn man diesen Slogan ständig wiederholt.