Hans U. Luther; Photos: Martin Alston
Angkor Wat, das Urwaldheiligtum der Khmer, mit seinen riesigen Tempelanlagen
war im 14. Jahrhundert der größte Sakralbau der Erde. Es war aber auch die
größte vorindustrielle Siedlung auf diesem Planeten. Mitten im Urwald und
auf einer relativ kleinen Fläche von ca. 1.000 Quadratkilometern lebten fast
eine Million Menschen.
Der Aufstieg und der Untergang der Angkor-Kultur mit ihren Gott-Königen und
den exotischen Tempeltänzerinnen wirft für die Nachwelt noch immer viele
Fragen auf. Wovon und wie lebten diese vielen Menschen? Nur eine blühende
Volkswirtschaft konnte eine so riesige Ansiedlung überhaupt möglich machen.
Und welche Gründe gibt es für den Untergang dieser Megastadt? Zumindest über
die Gründe für den agrarischen Reichtum der Khmer sind sich die Forscher
inzwischen einig. Der Reisanbau des Khmer-Staates wurde durch ein weit
verzweigtes Bewässerungssystem gefördert, das bis zu drei Ernten im Jahr
ermöglichte. Der Tonle Sap, ein großer Binnensee in der Mitte des Landes,
wirkte dabei wie ein natürliches Wasserreservoir.
Bayon.
Sein ungeheurer Reichtum an Fischen versorgte die Bevölkerung mit
zusätzlicher Kraftnahrung. Aus diesen Überschüssen konnten Handwerker und
Soldaten ernährt werden, die die großen Tempelanlagen bauten und das Reich
der Khmerkönige verteidigten. Über die Gründe für den Untergang der
kambodschanischen Hochkultur streiten sich bis heute die Wissenschaftler.
Geopolitiker etwa erklären den Untergang durch den „Zangenangriff“ der
Vietnamesen aus dem Osten und der Thais (damals noch Siamesen!) aus dem
Westen. Inzwischen war das Khmer-Reich so ausgedehnt, dass es sich nicht an
allen Fronten zugleich effektiv verteidigen konnte. Ökologen machen auch
schon Klimaschwankungen für den Untergang verantwortlich. Die
Überbevölkerung führte zu Entwaldung und Auslaugung der Böden, was die
Ernteerträge sehr verminderte. Die mangelnde Entsorgung von Müll und Abfall
führte in der Megasiedlung zur nachhaltigen Verschmutzung des Grundwassers.
Ta
Prohm – Tempel im Baum oder Baumtempel?
Schließlich wird auch der Buddhismus der kambodschanischen Herrscher für
eine Erklärung des Untergangs herangezogen: die Könige hatten sich von der
Welt abgewandt. Sie verschwendeten die Arbeitskraft der Menschen und die
nationalen Ressourcen hauptsächlich für den Bau von immer mehr Tempeln und
ließen dabei die Verwaltung des Reiches verkommen. Alle diese Faktoren haben
sicher bei dem Untergang der Khmer-Kultur mitgewirkt. Doch den (aus meiner
Sicht) wahrscheinlich wichtigsten Grund für den Untergang Ankors haben die
bisherigen Forschungen nicht ausreichend berücksichtigt. Berichte von
chinesischen Reisenden aus jener Zeit erzählen von einer „seltsamen
Schwächung“ und von „anhaltender Kraftlosigkeit“ der damaligen Bewohner
Kambodschas. Die Gründe dafür scheinen Malaria und Dengue-Fieber gewesen zu
sein.
In der Spätphase des Reiches schottete sich die Staatsklasse nach außen ganz
ab und konzentrierte sich nur noch auf den Erwerb von religiösen Verdiensten
mit Hilfe des Baus von gigantischen Tempelanlagen. Als Folge davon wurde die
Basis der Landwirtschaft, das Bewässerungssystem, immer mehr vernachlässigt.
Die Wassergräben wurden nicht mehr gereinigt. Die stehenden Gewässer
versumpften. Die dadurch verursachte Ausbreitung von Malaria und anderen
epidemischen Krankheiten führte zur Schwächung der Menschen. Nicht nur das
Staatswesen verlotterte schließlich, sondern damit auch dessen hoch
komplizierte und fragile Infrastruktur. So wurde über die Jahre die
Vernachlässigung des extrem wartungsintensiven Bewässerungssystems in Angkor
zu einer ökologischen Zeitbombe, noch verstärkt durch die massive Abholzung
der Wälder und die Überausbeutung der Böden.
Was kann die Nachwelt aus diesem Abschnitt der Geschichte Kambodschas und
dem tragischen Untergang der Khmer-Kultur lernen? Eine Gesellschaft kann
offenbar nur langfristig bestehen, wenn sie nachhaltig in die natürlichen
Grundlagen ihrer Wirtschaft investiert und durch ihr Wachstum die Umwelt
nicht zerstört. Politik ist immer auch Ökonomie und Ökologie und damit auch
die Erhaltung und Verwaltung der lebenswichtigen Ressourcen.
Die malerische Silhouette von Angkor Wat.