Der Traum vom gemeinsamen Markt

Franz Schmidt

Thailand ist stolz auf seinen innen- und außenpolitischen Erfolg, den ASEAN-Gipfel allen Unkenrufen zum Trotz doch noch in Hua Hin/Cha-am ausgerichtet zu haben. Die zehn Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft Südostasiatischer Staaten fassten den Beschluss, sich bis zum Jahre 2015 zu einem Bündnis nach dem Vorbild der EU zu entwickeln. Innerhalb von sieben Jahren soll ein gemeinsamer Markt ähnlich dem der EU geschaffen werden. Das ist ein großes Ziel, das nicht so einfach erreicht werden kann, wenn man auf die Geschichte und die Struktur der ASEAN-Staaten blickt. Am 8. August 1967 wurde ASEAN von Thailand, Indonesien, Malaysia, den Philippinen und Singapur gegründet und ging auf die Initiative des damaligen indonesischen Staatspräsidenten Suharto zurück. Die Gründung war eine Reaktion auf den Vietnamkrieg und klar gegen den Ostblock und das kommunistische China gerichtet. Der wirtschaftliche Aufschwung, der soziale Fortschritt und die politische Stabilität in der Region sollten gefördert werden. Die Meinungen über die heutige Rolle der ASEAN gehen weit auseinander. Während die einen sie als bisslose Schwatzbude bezeichnen, sehen andere in ihr ein schlummerndes Innovationspotenzial. ASEAN ist eine bunte Gemeinschaft, deren Mitglieder nicht verschiedenartiger sein können. Ihr gehören reiche Staaten wie der Stadtstaat Singapur, Schwellenländer wie Thailand und Malaysia und Habenichtse wie Birma und Laos an. Die Einkommens- und Bildungsunterschiede zwischen den bäuerlichen und städtischen Schichten sind in allen Mitgliedsstaaten enorm. Ebenso bunt ist das politische Spektrum. Es umfasst junge Demokratien wie Indonesien und die Philippinen, autoritäre Staaten wie Singapur und Malaysia, den kommunistischen Einparteien-Staat Vietnam, die absolute Monarchie Brunei, das von Militärs regierte Birma und die konstitutionelle Monarchie Thailand. Ebenso sind alle Weltreligionen vertreten, mit Indonesien sogar der Staat mit der weltweit größten islamischen Bevölkerung.
In der jüngsten Erklärung erteilten die Staats- und Regierungschefs dem Protektionismus und Handelsschranken eine Absage. Doch diese Erklärung ist nicht mehr als eine Bekundung des guten Willens, klare Vereinbarungen sind leider nicht getroffen worden. Bleibt abzuwarten, ob den großen Worten ebenso große Taten folgen werden. Bezeichnenderweise stellte die thailändische Regierung fast zum gleichen Zeitpunkt ein Paket zur Ankurbelung der inländischen Wirtschaft vor. Es ist vorgesehen, 676 Milliarden Baht in die Infrastruktur zu investieren und damit die Wettbewerbsfähigkeit Thailands auf dem internationalen Markt zu erhöhen. Mit den umfangreichen Ausbauarbeiten sollen zudem Tausende von Arbeitsplätzen erhalten bzw. neu geschaffen werden. In dem entsprechenden Pressebericht heißt es bezeichnenderweise: „Beim Baumaterial soll möglichst auf einheimische Produkte zurückgegriffen werden”. Dies spiegelt die Einstellung der Regierung wieder, dass ihr das Hemd näher als die Hose ist. In der derzeitigen Weltwirtschaftskrise stehen alle Regierungen unter Druck, etwas für die eigene Bevölkerung zu tun. Der Trend geht entgegen der vollmundigen Erklärung in Cha-am eher in Richtung Abschottung als auf Öffnung, von Beseitigung der Handelsschranken kann wohl keine Rede sein. Aber warten wir es ab, bis zum Jahr 2015 fließt noch eine Menge Wasser den Mekong hinab.