Es muss Klarheit geschaffen werden
Franz Schmid
Der 7. Oktober des letzten Jahres gehört zu den schwärzesten Tagen, die
Thailand in seiner Nachkriegsgeschichte erlebt hat. Die damalige Regierung unter
Führung von Premierminister Somchai Wongsawat und Vizepremierminister Chavalit
Yongchaiyudh versuchten mit dem Einsatz von Tränengas eine Demonstration vor dem
Parlament aufzulösen. Zwei Demonstranten wurden dabei getötet und über 500
Personen verletzt. Aufgrund dieser Geschehnisse sprechen viele vom „Schwarzen
Oktober“. In der thailän-
dischen Gesellschaft, die mehr auf Ausgleich und Harmonie ausgelegt ist, hat die
gewaltsame Auflösung der Demonstration tiefe Spuren hinterlassen und wird viele
lange Jahre in Erinnerung bleiben.
Eine Untersuchung der Nationalen Antikorruptions-Kommission ist nun zu dem
Schluss gekommen, dass Somchai und Chavalit sowie fünf weitere hochrangige
Polizeibeamte ihre Aufsichtspflicht verletzt haben und daher für die
Geschehnisse zur Rechenschaft gezogen werden sollen. Die Beschuldigten sollen zu
den Vorwürfen Stellung nehmen. Danach soll entschieden werden, ob eine Anklage
beim Generalstaatsanwalt eingereicht wird.
Der Tumult am 7. Oktober war der blutigste in der langen politischen
Auseinandersetzung, die mit der Flughafenschließung im November ihren Höhepunkt
fand. Somchai wurde per Gerichtsbeschluss abgesetzt, danach formte die
Demokratische Partei eine neue Regierung.
Im Interesse der Aussöhnung der gesellschaftlichen Gruppen Thailands und der
Bewältigung der Vergangenheit ist bei diesem sensiblen Thema zwar
Fingerspitzengefühl nötig, aber ebenso Klarheit in der Beschreibung der
Umstände, die zu diesem tragischen Ereignis geführt haben. Mit der Untersuchung
und ihren Schlussfolgerungen hat Thailand bewiesen, dass es in der Lage ist, den
Finger in offene Wunden ohne personalpolitische Rücksichtnahme zu legen.
Der Begriff „Schwarzer Oktober“ ist auf die blutige Niederschlagung einer
Großdemonstration in Bangkok vom Mai 1992 zurückzuführen, die in die Geschichte
Thailands als „Schwarzer Mai“ einging. Nach offiziellen Angaben gab es damals 50
Tote und über 150 Vermisste, die inoffiziellen Zahlen sind höher. Die damaligen
Vorfälle sind immer noch nicht richtig bewältigt worden, da die Schilderungen
unabhängiger Gruppen von der offiziellen Version der Ereignisse stark abweichen.
Das gibt natürlich allerlei Gerüchten und Verschwö-
rungstheorien mehr als genug Nahrung.
Eine lückenlose Aufklärung des 7. Oktober würde das Ansehen Thailands in der
internationalen Staatengemeinschaft heben. Zugleich wäre es eine Warnung an
zukünftige Regierungen, ihrer Sorgfaltspflicht gegenüber dem Wohl des ganzen
Volkes, unabhängig davon, ob man Demonstrationen je nach politischem Standort
mag oder nicht, nachzukommen. Die Wahrheitsfindung ist in Thailand nicht immer
einfach, aber sie ist möglich.
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