Doktor, Doktor, bitte hilf!

Franz Schmid

Wie viele Menschen haben dies schon in Not und Schmerz gerufen? Wie viele Ärzte haben schon selbstlos geholfen. Wie viele Ärzte aber sind diesem Ruf nicht gefolgt!
Gerade erst in Pattaya vor einigen Wochen passierte wieder so ein Fall. Und wenn man den Aussagen meiner Haushälterin (einer Thai) oder meiner Nachbarn glauben kann, dann ist diese Hilfeverweigerung hier angeblich üblich.
Ein Mann hatte sich mit einer Flex den Zeigefinger der linken Hand abgetrennt. Natürlich ging er zuerst nicht in ein großes, gut geführtes Krankenhaus, er war zu weit vom Schuss, sondern lief in seiner Not zum nächsten Arzt. Der war sofort willens ihn zu verbinden – sogar vom Finger wieder annähen war die Rede. Nur, der Arzt wollte erst 100.000 Baht in bar sehen, bevor er einen Finger rühren wollte, um dem Arbeiter seinen Finger zu retten.
Natürlich hatten weder der Mann, noch dessen Frau, die mitgekommen war, noch sein Freund und Arbeitskollege, der auch mit dabei war, so viel Geld bei sich. Der Arbeiter sagte, dass er eine Versicherung habe, die mindestens die Hälfte bezahlen würde, und er würde dann mit Hilfe seiner Familie den Rest bezahlen. Aber der Arzt hatte kein Einsehen und schickte den Mann wieder weg. Ohne Verband, nur mit einem schmutzigen Hemd um die Wunde gewickelt.
Daraufhin brachten ihn seine Frau und sein Arbeitskollege ins größte Krankenhaus der Stadt, wo ihm der Finger zum Preis von 110.000 Baht wieder angenäht wurde. Das Krankenhaus hatte seine Krankenversicherung anerkannt und war mit der Schuldenabzahlung des Restes einverstanden. Der Finger wurde gerettet, der Mann kann ihn allerdings bis heute nicht bewegen – wahrscheinlich weil zu viel Zeit verstrichen war und eine Infektion dazu kam. Der Mann leidet noch heute unter seiner Verletzung und konnte die Arbeit bisher nicht wieder aufnehmen.
Wenn man so eine Geschichte hört – wie meine Haushälterin mir sagte, sei das nur eine von vielen –, dann macht man sich doch wahrlich Gedanken. Gedanken über die Ethik so genannter Ärzte. Mussten sie denn nicht alle einen Eid auf Äskulap schwören, den Menschen zu helfen ohne Ansehen der Person, ohne an Gebühren zu denken? Was ist mit diesem Eid? Wird diese Bedeutung von den Ärzten überhaupt noch verstanden? Es ist eine Schande!
Natürlich müssen Ärzte bezahlt werden, natürlich brauchen sie Entgelt für ihre Arbeit. Natürlich müssen ihnen die Medikamente und alles Zubehör auch wieder entgolten werden. Aber, und hier das große Aber: Wenn ein Mensch kommt, der echte Probleme hat, der mit blutender Wunde nicht mehr weit laufen kann, der mit Sicherheit bei seiner Arbeit nicht so viel Geld dabei hat, dann muss man als echter Arzt, der den Eid geschworen hat, helfen. Das ist gar keine Frage. Eine Hilfeverweigerung würde im gesitteten Europa mit Sicherheit einen riesigen Prozess nach sich führen. Und hier in Thailand?
Ich glaube, es ist an der Zeit, auch bei diesen Dingen echte Demokratie einzuführen. Das wäre ein großes Plus für die jetzige demokratische Regierung, ihren Landsleuten ärztliche Hilfe zu gewährleisten, ohne dass diese vorher einen Kredit aufnehmen müssen, sofern sie ihn bekommen, um die Arztkosten bezahlen zu können.