Schulen als Schlachtfeld

Franz Schmid

Die Unruhen in den südlichen Provinzen Pattani, Narathiwat und Yala haben seit dem Jahr 2004 bereits über 3.500 Todesopfer gefordert. Ein Ende der inzwischen fünf Jahre andauernden Rebellion ist nicht abzusehen.
In der letzten Woche wurde in Brüssel ein Bericht einer unabhängigen Expertengruppe (International Crisis Group) vorgestellt, der den Ursachen dieser separatistischen Bewegung auf den Grund gegangen ist. Der Bericht setzt sich unter anderem mit den historischen Gegebenheiten auseinander und kommt zu einem fatalen Resümee.
Das Sultanat Pattani war einst eines der Zentren eines halbautonomen malaiischen Königreiches und dem Königreich Sukhothai tributpflichtig. Im Rahmen des Anglo-Siamesischen Vertrages von 1909 wurde das Sultanat an Siam angeschlossen. Im Gegenzug musste das damalige Siam auf Kedah, Kelantan, Perlis und Terengganu verzichten.
Ein Teil Pattanis waren Narathiwat und Yala, die erst später zu eigenen Provinzen wurden. Die überwiegende Mehrheit der Einwohner ist bis heute muslimischen Glaubens und malaiischer Abstammung, daher fühlt man sich mehr dem malaiischen Nachbarn verbunden als der Zentralregierung im fernen Bangkok. Doch ein Anschluss an Malaysia wird nicht gefordert, vielmehr die Wiederherstellung des einstigen Sultanats in voller Abhängigkeit. Der Konflikt hat daher keinen religiösen Charakter, sondern einen politischen. Der Bericht weist ausdrücklich darauf hin, dass die Separatisten nicht zu militanten Netzwerken wie Al Kaida gehören. Der Nachwuchs der Rebellen wird in islamischen Schulen rekrutiert, heißt es weiter. Ein Analytiker des Berichts drückt es so aus: „Man sagt den Schülern in diesen Schulen, es sei die Pflicht jeden Muslims, sein Land den ungläubigen Buddhisten wegzunehmen.“ An den Schulen werden erste Kontakte geknüpft und fromme muslimische Schüler werden eingeladen, an außerschulischen Indoktrinierungsprogrammen teilzunehmen, die in Moscheen stattfinden oder als Fußballtrainingsprogramme getarnt sind. Lehrer, die sich den Anwerbemethoden widersetzen, sind oft Opfer von Anschlägen. In den letzten fünf Jahren starben mindestens 115 Lehrer.
Die Zentralregierung hat dem unterwickelten Süden jahrzehntelang kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Auch heute wird eine politische Lösung ausgeschlossen. Das hat vor kurzem erst der Oberbefehlshaber der thailändischen Armee kategorisch ausgeschlossen; er will unter keinen Umständen mit den Aufständischen verhandeln. Ebenso hat der derzeitige Premier jeder politischen Autonomie eine Absage erteilt. Vielmehr sollen noch mehr Soldaten dort stationiert werden. Er setzt auf eine Lösung mittels langfristiger wirtschaftlicher Investitionen, um die Lebensverhältnisse an andere Regionen des Landes anzupassen.
Aber wird das reichen? Ohne politische und soziale Reformen droht die Gefahr, dass vielleicht eine ganze Generation von Schülern verloren geht, da ihnen keine Perspektive aufgezeigt wird. Die Schulen werden zum Schlachtfeld um Ideologien und Kultur. Die Regierung muss in dieser Region wieder Glaubwürdigkeit erlangen. Das kann nur erreicht werden, wenn man auf die Menschen zugeht. Der Vorfall vom 25. Oktober 2004 in der Grenzstadt Tak Bai (Narathiwat) ist bis heute nicht aufgeklärt. 86 Muslime sind damals ums Leben gekommen, als eine Demonstration vor einer Polizeistation aufgelöst werden sollte. Acht Menschen wurden erschossen, 78 wurden auf dem Transport in ein Gefangenenlager erdrückt oder erstickten und 1.200 wurden in Militärgewahrsam genommen. Bisher ist kein Verantwortlicher der Sicherheitskräfte zur Rechenschaft gezogen worden, im Gegensatz zu 58 Demonstranten, die rechtskräftig verurteilt wurden.