Niemand fühlt sich mehr sicher

Franz Schmid

Laut einem Bericht der Bangkok Post haben über 100 Parlamentsmitglieder beantragt, Schusswaffen kaufen zu dürfen und eine entsprechende Genehmigung zum Tragen der Waffen zu erhalten. Sie sind der Meinung, sich dann sicherer in diesem politisch aufgeheizten Klima zu fühlen. Überwiegend gehören die Antragsteller den Oppositionsparteien an. Diese bekommen von staatlicher Seite keinen privaten Schutz durch Polizei oder Militär, wie das bei ihren Kollegen der Regierungsseite der Fall ist.
Die Provinzverwaltungsbehörde hat den Parlamentariern nun ein Angebot vorgelegt, das besondere Preisnachlässe vorsieht, auch Ratenzahlungen ohne Zinsaufschläge für die Waffen sind möglich. Normalerweise ist das Tragen von Waffen nur Staatsdienern wie Polizisten, Soldaten und zum Teil anderen Beamten gestattet.
Wahr ist, dass illegaler Waffenbesitz in Thailand weit verbreitet ist. Der Schwarzmarkt weist mafiaähnliche Strukturen auf. Die Parlamentarier fürchten, Opfer von Anschlägen auf Wahlversammlungen und anderswo zu werden. Diese Gefahr ist in ländlichen Gegenden besonders groß, erklärte ein Abgeordneter und fügte hinzu, der Preis für die Waffen sei sehr niedrig. Ein Sonderangebot sozusagen, das man nicht ausschlagen könne. Die letzte für Thailand vorliegende Statistik aus dem Jahr 2006 besagt, dass es pro 100.000 Einwohner 7,92 Tötungsdelikte gegeben hat. Thailand liegt in der Rangliste von 139 erfassten Ländern auf Platz 33, also im oberen Drittel.
Das legale Tragen von Waffen soll also einem weiteren Personenkreis zugänglich gemacht werden; der Staat weicht damit sein Gewaltmonopol auf. Zwar wird sich unter Umständen der einzelne Abgeordnete sicherer fühlen, wenn er eine Waffe trägt, aber das Gefühl mag täuschen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass diese Maßnahme zu noch mehr Gewaltbereitschaft beiträgt. Waffen lösen eine Drohwirkung aus, auch wenn sie nicht eingesetzt werden. Nicht auszuschließen ist dabei, dass potentielle Attentäter angesichts dieses Umstandes sich eben anderer Mittel bedienen, um ihr Ziel zu erreichen.
In Ländern mit liberalen Waffengesetzen, wie den USA zum Beispiel, fallen pro Jahr 30.000 Schussverletzungen durch unsachgemäßen Umfang mit Feuerwaffen an, meistens Unfälle, die nicht tödlich verlaufen. Waffengegner sind der Meinung, striktere Waffengesetze sind nötig, um die Gesellschaft friedlicher zu machen. Morde im Affekt treten dort häufiger auf als in anderen Ländern.
In früheren Zeiten war das Tragen von Waffen ein Zeichen von Reichtum und Macht. Nur eine privilegierte Schicht hatte Zugang zu Waffen. Es ist die Frage, ob Thailand sich eine solche privilegierte Schicht zulegen sollte. Wenn sich schon einzelne Abgeordnete nicht sicher fühlen, wie sollte es dann der Durchschnittsbürger? Sinnvoller wäre es, den Schwarzmarkt auszutrocknen und illegale Waffen einzuziehen, und zwar mit aller Schärfe des Gesetzes, die möglich ist.