Auf die Farbe kommt es an
Franz Schmid
Das chinesische Neujahrsfest hat traditionsgemäß am letzten Sonntag
begonnen, aber doch scheint es anders zu sein als in den letzten Jahren. Zwar
finden die gewohnten Feierlichkeiten statt und auch die Umzüge mit Löwen und
Drachen, aber vielen Leuten ist die Lust vergangen, sich in Rot zu kleiden.
Die größten Festivitäten in Thailand zum Chinesischen Neujahr finden in Bangkoks
Bezirk Yoawarat, besser bekannt als Chinatown, statt. Schon im Vorfeld der
Feierlichkeiten gab es eine Kampagne der Thai-Chinesischen Vereinigung, statt
des traditionellen Rots besser Rosa zu tragen. Führende Vertreter der
thai-chinesischen Gemeinde in Bangkok erklärten, die Farbe Rot sei zum Symbol
der sozialen Spaltung in der Gesellschaft geworden. Deutlich zu sehen ist dies
bei den Anhängern der „Vereinten Front für Demokratie gegen Diktatur“, die von
vielen für das derzeitige gesellschaftliche Chaos verantwortlich gemacht werden.
Der Vorschlag lautete daher, man sollte besser Rosa tragen, um die Verbundenheit
mit dem Königshaus zu zeigen.
Traditionalisten aber begehren dagegen auf, denn schließlich will man sich nicht
so mir nichts, dir nichts die angestammte Farbe wegnehmen lassen. Seit jeher
symbolisiert in China die Farbe Rot Freude, Glück und Sommer. Sie wird bei
Festlichkeiten verwendet, sogar die Brautkleider waren rot, die in letzter Zeit
aber der Farbe Weiß weichen musste. Sogar bei der industriellen Herstellung von
Farben ist das chinesische Rot gewürdigt worden, in Form des synthetischen
Pigments mit dem Namen Chinacridonrot.
Farben haben einen Symbolwert. In Thailand hat man allerdings in der letzten
Zeit eine Inflation der Symbolwerte erlebt. Das ursprünglich dem Monarchen
zugedachte Gelb (wird dem Tag seiner Geburt zugeordnet) wurde kurzerhand von den
so genannten „Gelbhemden“ in Beschlag genommen, das Rot wie schon oben erwähnt
von Parteigängern des ehemaligen Premierministers Thaksin Shinawatra, daneben
gibt es noch die „Blauhemden“, eine Gruppe von Thaksin-Gegnern. Der normale
Bürger hat es da schon schwer, sich zu entsprechenden Gelegenheiten oder auch
nur im Alltag „politisch korrekt“ anzuziehen. Ein Hemd oder vielleicht nur eine
Krawatte in Rot, Gelb oder Blau kann ungewollt den Zorn seiner Mitbürger
hervorrufen, auch wenn er bei der Wahl seines Kleidungsstücks dies keineswegs
bezweckte.
Es ist schon erstaunlich, wie schnell eine ganze Gesellschaft in einen
Farbentaumel verfallen kann. Dies zeigt auch, dass große Gruppen der
Gesellschaft gegenüber Demagogen anfällig sind. Beim Tragen bestimmter Farben
wird gleich eine politische Gesinnung unterstellt. Niemand hat ein Monopol auf
eine bestimmte Farbe und kann sie quasi zu seinem Eigentum erklären. Wer zum
chinesischen Neujahr in der Öffentlichkeit Rot trägt, zeigt in gewisser Hinsicht
Mut und bekennt sich zur freien Entfaltung der Persönlichkeit, was in diesem
Land nicht immer leicht ist.
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