Franz Schmid
Über das Wesen der
Demokratie sind schon ganze Bibliotheken voll geschrieben worden, eine
endgültige Definition scheint es nicht zu geben. Wörtlich übersetzt heißt dieses
Wort „Herrschaft des Volkes“. Aber kaum ein anderes Wort ist auch so missbraucht
worden.
Die Rothemden
fordern „wahre Demokratie“. Was darunter zu verstehen ist, bleibt
jedoch weitgehend offen. In den Augen der Bewegung wird das Land von
einer Elite regiert. Angehörige dieser Schicht sind wohlhabend und
haben einen Wissensvorsprung, wird gesagt. Was ist schlecht daran,
wenn ein Land von gebildeten Menschen regiert wird? Ihr großes
Vorbild Thaksin war und ist immer noch recht wohlhabend. Gehörte er
nicht zu dieser Elite? War er sozusagen das schwarze Schaf?
Demokratie
beinhaltet die Meinungsfreiheit und damit auch das
Demonstrationsrecht. Aber sind diese Freiheiten so weit auszulegen,
dass man anderen Mitbürgern damit schadet? Die Belagerung der
Flughäfen durch die so genannten Gelbhemden hat dem Land schweren
wirtschaftlichen Schaden zugefügt, was insbesondere die
Touristenorte zu spüren bekamen. Wo liegt der Unterschied zwischen
der Blockade von Flughäfen und der eines wichtigen Geschäftszentrum
Bangkoks? Gleiches Recht für alle? Meinungsfreiheit und Durchsetzung
der Forderungen mit allen Mitteln?
Die
politischen Auseinandersetzungen der letzten Wochen haben jedoch
auch gezeigt, dass das Land keineswegs nur in die beiden Farben Rot
und Geld unterteilt ist. Inzwischen sind andere Farben dazugekommen:
Rosa und Weiß. Das zeigt deutlich, dass die so genannte schweigende
Mehrheit nicht mehr willens ist, sich alles gefallen zu lassen.
Es kann kaum
noch von gewaltfreien Protesten gesprochen werden, wenn diese so
ausarten, dass andere Menschen in ihrer Bewegungsfreiheit beschränkt
werden und finanzielle Ausfälle zu tragen haben. Ist so etwas in
einer Demokratie tragbar? Ist nicht vielmehr eine Verrohung der
politischen Sitten an der Tagesordnung? Die Flughafenbelagerung ist
bisher nicht juristisch aufgearbeitet worden. Die Rothemden sprechen
von „Doppelstandards“. Haben sie damit automatisch das Recht,
Gleiches, wenn auch in anderer Form, zu tun? Alle diese Fragen
müssen beantwortet werden.
Bisher
blockiert eine Gruppierung die andere und alle beide die
Demokratie. Reformen in Thailand sind nötig. Daran besteht kein
Zweifel, die Gesellschaft befindet sich in einem Umbruch. Man mag
für die eine oder andere Seite Sympathien entwickeln, letztlich
kommt es aber darauf an, Reformen auf rechtstaatlichem Weg
durchzuführen und nicht durch Druck von der Straße.
Die
thailändische Gesellschaft muss offensichtlich ihre Definition von
Demokratie neu bestimmen. Das heißt aber auch, dass nicht alle
Forderungen erfüllt werden können, auch wenn sie noch so lautstark
vorgetragen werden. Das Land kann leicht in Brand geraten, wenn
Eigeninteressen auf dem Rücken anderer Gesellschaftsschichten
ausgetragen werden. Der große Kompromiss ist nicht in Sicht, aber
hoffentlich lässt er nicht allzu lange auf sich warten.